Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres außerordentlichen Rechtsmittels damit, dass der Oberste Gerichtshof bisher zur Frage, ob der Räumungsanspruch eines Ehegatten nur vom rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens im Sinne der §§ 81 ff EheG oder auch von der Erfüllung eines solchen Aufteilungsanspruchs gegenüber dem bedürftigen Ehegatten aufschiebend bedingt sei, nicht Stellung genommen habe. Im Übrigen weiche die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, wonach der wohnbedürftige Ehegatte sein Recht auf Weiterbenützung der Wohnung vom Wohnrecht der Kinder ableiten könne.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigt die Beklagte jedoch keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Da der Gesetzgeber dem Außerstreitrichter die Zuständigkeit zu rechtsgestaltenden Änderungen der Rechtszuständigkeit der Ehepartner an den in die Aufteilungsmasse fallenden Vermögensbestandteilen - und damit vor allem an der Ehewohnung - einräumte, lebt - im Falle rechtzeitiger Antragstellung - der vom § 97 ABGB gewährte Unterlassungsanspruch und Benützungsanspruch des bedürftigen Ehegatten in seinem Aufteilungsanspruch fort (RIS-Justiz RS0009566). Der geschiedene Ehepartner kann dem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren das im Aufteilungsanspruch fortlebende Benützungsrecht an der Ehewohnung wirksam einwenden, so lange über den Aufteilungsanspruch noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist (RIS-Justiz RS0009537).
2. Im vorliegenden Fall ist das Aufteilungsverfahren zwischen den Streitteilen rechtskräftig beendet. Der Aufteilungsbeschluss enthält keinerlei Verknüpfung zwischen dem Anspruch des Klägers auf Räumung der Ehewohnung und jenem der Beklagten auf Empfang der Ausgleichszahlung. Vielmehr steht fest, dass die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet, im Alleineigentum des Klägers steht, von diesem in die Ehe eingebracht wurde, und deren Wertsteigerung während der Ehe aufgrund aushaftender Darlehen keine Ausgleichszahlung rechtfertigte. Zufolge unbeschränkten dinglichen Eigentumsrechts des Klägers und des Umstands, dass die vom Kläger zu erbringende Ausgleichszahlung keinerlei Zusammenhang mit der Liegenschaft, auf der sich die vormalige Ehewohnung befindet, aufweist, kann der Kläger - ungeachtet des Aushaftens eines Teils der Ausgleichszahlung - die Räumung der Liegenschaft begehren (vgl RIS-Justiz RS0057955).
Die Beklagte hält dem Räumungsbegehren des Klägers eine Zug-um-Zug-Verknüpfung mit der von ihm geschuldeten Ausgleichszahlung entgegen (vgl Eccher in KBB2, § 366 ABGB Rz 4). Das Zug-um-Zug-Prinzip gilt neben Tausch und Kauf auch für andere synallagmatische Verträge, sofern keine Vorleistungspflicht vereinbart oder besonders gesetzlich angeordnet ist (Apathy in KBB2, § 1052 ABGB Rz 1). Auf außervertragliche Rechtsbeziehungen ist § 1052 ABGB anwendbar, sofern sie zueinander in einem Austauschverhältnis stehen bzw wenn eine konditionale Pflichtenbeziehung vorliegt, wenn also die eine Leistungspflicht nicht ohne die andere bestehen soll (Aicher in Rummel3, § 1052 ABGB Rz 4; Apathy aaO; RIS-Justiz RS0018760; MietSlg 35.128).
Ein derartiges Austauschverhältnis bzw eine konditionale Pflichtenbeziehung ist hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Räumung seiner Liegenschaft wegen titelloser Benützung und jenes der Beklagten auf Zahlung des Ausgleichsanspruchs gemäß §§ 81 ff EheG nicht gegeben.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach dem Zug-um-Zug-Einwand der Beklagten nicht Folge zu geben sei, ist daher jedenfalls vertretbar und stellt keine (krasse) Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.
3. Soweit sich die Beklagte auf ein abgeleitetes Wohnrecht aufgrund ihrer Obsorgeverpflichtung gegenüber dem minderjährigen Sohn beruft, zeigt sie auch damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, auch wenn sich das Berufungsgericht trotz eines in diese Richtung zielenden Vorbringens der Beklagten in erster Instanz und den in der Berufungsbeantwortung geltend gemachten sekundären Feststellungsmängeln zu diesem Thema nicht damit befasste.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 158/02b ausgesprochen, dass ein gemeinsames Kind früherer Lebensgefährten im Fall des Verlassens der Wohnung durch den Unterhaltspflichtigen Anspruch auf Weiterbenützung der Wohnung habe und daraus das Wohnrecht auch der obsorgeberechtigten Mutter abzuleiten sei. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen mit dem Wohl der Pflegebefohlenen und Billigkeitserwägungen begründet sowie damit, dass sich der Anspruch des unterhaltsberechtigten Kindes auf Naturalunterhalt nicht schon dadurch in einen solchen auf Geldunterhalt wandle, dass der Unterhaltspflichtige aus der Wohnung ausziehe. Diese Entscheidung ist schon vom Sachverhalt her mit der hier gegebenen Problematik nicht vergleichbar.
Der erkennende Senat judizierte in einer jüngeren Entscheidung (1 Ob 122/07h), dass die österreichische Rechtsordnung keine Bestimmung kenne, die einem Minderjährigen ein Wohnrecht im Sinne eines Anspruchs auf Benutzung einer bestimmten Wohnung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen einräume. Es könne lediglich ein Anspruch auf Wohnversorgung im Rahmen des Naturalunterhaltsanspruchs eines unterhaltsberechtigten Kindes bestehen. Habe sich ein - nicht obsorgeberechtigter - Lebensgefährte von seiner zur Obsorge für das gemeinsame Kind verpflichteten Lebensgefährtin getrennt, bedürfe das minderjährige Kind gewiss der Betreuung im Haushalt der Mutter. Das bedeute aber nicht, dass ein - nicht aus § 97 ABGB abgeleiteter - Anspruch des Kindes auf Weiterbenützung der bisher gemeinsam genutzten Wohnung des Vaters bestünde.
Der 3. Senat schloss sich dieser Rechtsauffassung in der Entscheidung 3 Ob 202/08i mit der wesentlichen Begründung an, dass aus § 140 Abs 2 ABGB nur abzuleiten sei, dass der nicht obsorgeberechtigte Elternteil zu Geldunterhalt verpflichtet sei. Die Bejahung eines Naturalunterhaltsanspruchs auf die bisherige Wohnmöglichkeit bedeutete in vielen Fällen eine „Enteignung" des Unterhaltspflichtigen, wenn die Wohnversorgung in einem Haus, einer Eigentumswohnung oder einer höherwertigen Mietwohnung stattfinde und wertmäßig wesentlich mehr ausmache, als bei der Anrechnung auf den Geldunterhalt zur Deckung der übrigen Bedürfnisse des Kindes als Abzugspost berücksichtigt werden könnte, weil die Kinder neben ihrer „Luxuswohnversorgung" jedenfalls auch den Geldunterhalt zur Deckung der übrigen Bedürfnisse benötigten. Mit dem im Pflegschaftsverfahren maßgeblichen Kindeswohl könne nicht in das der Privatautonomie unterliegende Rechtsverhältnis zwischen den Eltern eingegriffen werden: Nicht nur das gesetzliche Aufteilungsverfahren nach Scheidung der Ehe der Eltern würde durch die Bejahung eines Naturalunterhaltsanspruchs auf Weiterverbleib der Kinder in der ehelichen Wohnung ausgehöhlt. Der Naturalunterhaltsanspruch verhindere auch jede vertraglich übernommene Räumungsverpflichtung für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft. Für einen derart weitgehenden Eingriff in die Privatautonomie seien aus dem Gesetz keine zureichenden Gründe ableitbar.
Dieser Rechtsprechung ist auch hier zu folgen.
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist in Ermangelung erheblicher Rechtsfragen als unzulässig zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)