OGH 1Ob202/07y

OGH1Ob202/07y29.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth ***** P*****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Gesellschaft *****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 2.506,50 EUR und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR) sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2007, GZ 40 R 100/07p‑10, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Februar 2007, GZ 41 C 382/06s‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die klagende Vermieterin erhöhte der beklagten Mieterin für Büroräumlichkeiten die Zinsvorschreibung um mehr als das 6‑fache und begehrt nunmehr klageweise den nicht bezahlten Erhöhungsbetrag von 2.506,50 EUR sowie die Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin den erhöhten monatlichen Mietzins schulde; hilfsweise, dass die Beklagte in eine derartige Mietzinsvereinbarung einzuwilligen habe bzw in die Vereinbarung eines neu zu bemessenden Mietzinses, hilfsweise die Feststellung, dass die Streitteile verbunden seien, einen Mietzins für das Büroobjekt zu vereinbaren, der sich an den für vergleichbare Objekte im Haus erzielbaren Mietzinsen bemesse. Ihre Forderung begründete die Klägerin damit, dass in der mündlichen Vereinbarung über die Anmietung des Objekts, die zu einem Zeitpunkt getroffen worden sei, zu der ein angemessener Mietzins vereinbart hätte werden können, dennoch vereinbart worden sei, dass, sobald dies gesetzlich zulässig sei, zwischen den Parteien ein neuer Mietzins auf der Grundlage der für vergleichbare Objekte in diesem Haus erzielten Mieten zu vereinbaren sei. Aus Irrtum sei 20 Jahre lang eine derartige angemessene Zinsvereinbarung nicht begehrt worden.

Die Beklagte wendete ein, dass eine Zinsanpassung nicht vereinbart worden sei; jedenfalls sei eine allfällige Zinsanpassungsklausel nicht wirksam.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab, da die behauptete Mietzinsanpassungsvereinbarung jedenfalls gemäß § 16a MRG rechtsunwirksam sei. Die Argumentation der Klägerin, dass die genannte Bestimmung hier nicht anzuwenden sei, da bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses die Vorschreibung eines anderen (nämlich angemessenen) Mietzinses möglich gewesen sei, sei unzutreffend. Jene Argumentation würde eher dazu führen, dass hier eine inhaltsleere Klausel vorliege, bzw würde sie bei einer künftigen Änderung der Mietzinsbestimmungen erst recht zu einem Blankoakzept des Mieters führen. Die Klausel sei daher - selbst wenn sie tatsächlich vereinbart worden sei - unwirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige, und erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Die Klägerin stellte einen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO, führte die ordentliche Revision aus und regte an, ein Gesetzesprüfungsverfahren im Sinne des Art 89 Abs 2 B‑VG zur Aufhebung des § 16a MRG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Sie argumentierte, dass das Berufungsgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung keine absolute Unwirksamkeit der Klausel auf Grund des § 16a MRG hätte annehmen dürfen. Unwirksam sei die Klausel nur für den Fall, dass auf ihrer Basis ein erhöhter Mietzins - angeknüpft an eine nachträgliche Gesetzesänderung - begehrt worden wäre, was hier nicht der Fall gewesen sei, da der höhere Mietzins bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hätte begehrt werden dürfen.

Das Berufungsgericht wies den Antrag nach § 508 ZPO wegen des Werts des Entscheidungsgegenstands zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Klägerin ist in eine außerordentliche Revision umzudeuten, zumal sich die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO deckt (siehe RIS‑Justiz RS0110049).

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne des - hilfsweise gestellten - Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Gemäß § 16a Abs 1 MRG idgF sind Vereinbarungen, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam.

Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung der bedingten Zinsanpassungsklausel datiert vom April 1986. Die damals gültige Fassung des § 16a Abs 1 MRG bezog sich bloß auf Vereinbarungen in einem vor dem 1. Jänner 1982 geschlossenen Vertrag (siehe Würth in Rummel, ABGB3, Rz 1 zu § 16a MRG). Die nunmehrige (unbeschränkte) Fassung stammt aus dem 3. WÄG (1993).

Die Wirksamkeit einer bedingten Zinsanpassungsklausel ist nach den im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung geltenden Vorschriften zu beurteilen (Schuster in Schwimann, ABGB2, Rz 8 zu § 16a MRG). Im vorliegenden Fall war die Bedingung („... sobald dies gesetzlich zulässig ist ...") schon zum Zeitpunkt des behaupteten Abschlusses der Vereinbarung eingetreten, die Festlegung eines höheren Mietzinses also nach der damaligen Gesetzeslage zulässig und damit rechtswirksam (Würth aaO, Rz 4 ff zu § 16a MRG).

Die von den Vorinstanzen gewählte Begründung, wonach die zu beurteilende Vertragsbestimmung gemäß § 16a MRG unwirksam sei, erweist sich daher als unzutreffend.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch von einem konkludenten Verzicht der Klägerin auf künftige Erhöhungsbegehren nicht die Rede sein kann, da in der Unterlassung der Geltendmachung der Erhöhung allein kein stillschweigender Verzicht des Vermieters liegt (2 Ob 546/95 = WoBl 1996/6).

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren nach Durchführung der beantragten Beweise Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die strittige Zinsanpassungsklausel tatsächlich vereinbart wurde. (Nur) im Fall der Bejahung dieser Frage wird sich das Erstgericht mit der Höhe eines angemessenen Mietzinses auseinanderzusetzen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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