European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00188.23P.0305.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das in Bezug auf ein Begehren von 44.328,37 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 12. 2019 rechtskräftig gewordene Zwischenurteil des Berufungsgerichts wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das Begehren auf Zahlung von weiteren 10.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 12. 2019 abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen wird dem Endurteil vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Am 13. 1. 2017 kam es zu einem Brand in einem bei der Klägerin versicherten Einfamilienhaus. Die Klägerin leistete aufgrund des aufrechten Gebäude- bzw Brandschadenversicherungsvertrags Zahlungen von insgesamt 54.318,37 EUR an den geschädigten Eigentümer. Brandursache war die Einbausituation eines Etagenherds, die dazu führte, dass sich brennbare Bauteile der Küche durch Wärmestrahlung und Wärmeleitung entzündeten. Die Haftung des beklagten Rechtsträgers aus dem Titel des AHG für schuldhaftes und rechtswidriges Handeln des mit der Feuerstättensichtprüfung und Feuerbeschau betrauten Rauchfangkehrers ist im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig.
[2] Die Klägerin begehrt von der Beklagten gemäß § 67 VersVG den Ersatz von 54.318,37 EUR sA. Nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten sei am Gebäude und an dessen Inhalt de facto ein Totalschaden eingetreten, wobei der von ihr beigezogene Sachverständige den Zeit- bzw Verkehrswert des Gebäudes inklusive der mit dem Abbruch und der Entsorgung verbundenen Kosten mit 42.818,37 EUR ermittelt habe. Den Verkehrswert des gesamten Inhalts des Gebäudes habe dieser mit rund 30.000 EUR geschätzt. Daraus habe die Klägerin jedoch lediglich die Versicherungssumme von 11.500 EUR für den Wohnungsinhalt bezahlen müssen. Die für den „Inhaltsschaden“ ausbezahlte Versicherungsleistung von 11.500 EUR finde bereits in den Aufräum-, Abbruch- sowie Entsorgungskosten des beschädigten Inventars Deckung, die sich laut Sachverständigengutachten, das zum Inhalt ihres Vorbringens erhoben werde, zumindest auf 12.552 EUR belaufen hätten. Die Versicherungssumme habe für den „Inhaltsschaden“ 10.000 EUR und für die Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten 1.500 EUR betragen.
[3] DieBeklagte bestreitet. Soweit für das Revisionsverfahren relevant wendet sie die Unschlüssigkeit des geltend gemachten „Inhaltsschadens“ von 10.000 EUR ein, weil nicht ersichtlich sei, welche Schäden konkret davon umfasst seien, welches Mobiliar durch das Brandereignis überhaupt zerstört worden sei und wie sich auf dieser Grundlage der Schaden errechne. Die Klägerin mache 10.000 EUR für den „Inhaltsschaden“ geltend, obwohl das gesamte, weit über 30 Jahre alte Inventar des Hauses zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses keinen Verkehrswert mehr gehabt habe. Die Klageforderung sei nicht überprüfbar.
[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Klagebegehren bestehe dem Grunde und der Höhe nach zu Recht; letzteres weil die Klägerin die geltend gemachten Beträge tatsächlich an den Geschädigten gezahlt habe.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung derBeklagtenteilweise Folge. Es sprach mit Zwischenurteil aus, das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 54.318,37 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 12. 2019 zu zahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht, und ließ die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nicht zu.
[6] Für die rechtliche Beurteilung reiche nicht aus, bloß die von der Klägerin tatsächlich erbrachte Leistung an den Versicherten zu kennen. Vielmehr werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, welche Schäden bzw Aufwendungen dem Versicherten durch den Brand tatsächlich entstanden seien. Im Unterschied zum mit 42.818,37 EUR bezifferten Gebäudeschaden sei zweifelhaft, ob das Klagevorbringen zum Schaden am Inventar („Inhaltsschaden“) ausreichend bestimmt iSd § 226 ZPO sei. Die Klägerin behaupte im Ergebnis nur, dass am Inventar ein Schaden entstanden sei, wobei dieser wegen der niedrigen Versicherungssumme (von 10.000 EUR) nur überschlägig bewertet worden sei. Da sich der Schaden hinsichtlich der beim Brand im Haus zerstörten Gegenstände wahrscheinlich aus einer Vielzahl von Sachen zusammensetze, wäre allein schon zur Vermeidung von Erkundungsbeweisen vorzubringen, um welche es sich gehandelt habe und in welchem Zustand sich diese befunden hätten. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweise, dass ihre Position „Inhaltsschaden“ allein durch die Aufräumkosten gedeckt sei, übersehe sie, dass sich in ihrem Vorbringen auch der Hinweis befinde, dass die Versicherungssumme für Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten 1.500 EUR betrage. Damit bringe die Klägerin selbst zum Ausdruck, dass ihre Leistungen an den Versicherten aus dem Titel Aufräumkosten aufgrund der vereinbarten Versicherungssumme nur 1.500 EUR betragen hätten. Im Hinblick auf die für die Ersetzbarkeit notwendige sachliche Kongruenz der Versicherungsleistung könne sich die Klägerin hinsichtlich des „Inhaltsschadens“ nicht allein auf die Aufräumkosten stützen. Da die zuletzt genannte Problematik vom Erstgericht bisher nicht mit den Parteien erörtert worden sei, könne derzeit über den Einwand der Unschlüssigkeit nicht abschließend erkannt werden. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens hinsichtlich des „Inhaltsschadens“ mit den Parteien zu erörtern haben. Ein der Klägerin anzurechnendes Mitverschulden habe das Erstgericht zutreffend verneint. Zusammengefasst liege bezüglich des Anspruchsgrundes Entscheidungsreife vor. Wegen der vorliegenden sekundären Feststellungsmängel zu den eingetretenen Schäden sei die Höhe der klägerischen Ansprüche jedoch noch strittig.
[7] Dieaußerordentliche Revision derBeklagten strebt (nur) die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang des geltend gemachten „Inhaltsschadens“ von 10.000 EUR an. Das Zwischenurteil des Berufungsgerichts ist daher im Hinblick auf ein davon umfasstes Zahlungsbegehren von 44.318,37 EUR (42.818,37 EUR für den Totalschaden am Gebäude, 1.500 EUR für Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten) in Teilrechtskraft erwachsen.
[8] DieKlägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtskraftwirkung eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs nicht bedacht hat und ihm eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des § 182a ZPO unterlaufen ist. Sie ist auch berechtigt.
[10] 1. Das Zwischenurteil beantwortet die Frage, ob ein Anspruch dem Grunde nach besteht, abschließend. Innerhalb des Rechtsstreits sind daher Gericht und Parteien daran gebunden und dürfen die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neu aufrollen (RS0040736). Dementsprechend darf ein Zwischenurteil über den Grund eines Anspruchs erst dann gefällt werden, wenn alle dem Grund des Anspruchs entgegenstehenden Einwendungen erledigt sind (RS0040935 [T7, T10]). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (10 Ob 110/05g). Insbesondere betrifft auch die Frage der Schlüssigkeit des Klagevorbringens den Grund des Anspruchs. Auch dieser Einwand kann daher im fortgesetzten Verfahren über die Höhe des bereits durch Zwischenurteil dem Grunde nach bejahten Anspruchs nicht mehr mit Erfolg erhoben werden (RS0040736 [T4]; 10 Ob 110/05g).
[11] 2. Der Umstand, dass das Berufungsgericht den geltend gemachten „Inhaltsschaden“ von 10.000 EUR – also ein abgegrenztes Teilbegehren – als unschlüssig beurteilt hat, steht im Widerspruch dazu, dass es das Zwischenurteil auch im Hinblick auf dieses Begehren erlassen hat. In Bezug auf dieses Begehren wäre – folgte man der Rechtsansicht des Berufungsgerichts wonach insofern noch Erörterungsbedarf bestehe – ein Aufhebungsbeschluss zu fassen gewesen (vgl RS0119825 [T3]).
[12] 3. Allerdings kann der Ansicht des Berufungsgerichts, es könne über die Unschlüssigkeit noch nicht abschließend erkannt werden, nicht beigetreten werden:
[13] 3.1. Die Klägerin leitet ihren Anspruch auf Zahlung von 10.000 EUR daraus ab, dass sie dem Versicherten diesen Betrag als „Inhaltsschaden“ ersetzt hat. Dabei erstattet sie jedoch kein Vorbringen zu dem dieser Schadenersatzposition zugrundeliegenden beschädigten Inventar, und zwar zur Quantität und Qualität der zerstörten Einrichtung. Die Beklagte hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt zur Bekanntgabe aufgefordert, welches Mobiliar durch den Brand beschädigt worden und wie alt dieses Mobiliar gewesen sei. Die Klägerin hat daraufhin nur repliziert, dass allein die Aufräumkosten diese Position abdecken würden, allerdings selbst vorgebracht, dass die Versicherungssumme für Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten mit 1.500 EUR, die Versicherungssumme für den „Inhaltsschaden“ hingegen mit 10.000 EUR gedeckelt sei. Das führt dazu, dass der geltend gemachte Pauschalbetrag von 10.000 EUR nicht nachvollziehbar und überprüfbar ist. Daran ändert auch der Hinweis der Klägerin in der Revisionsbeantwortung nichts, dass es sich beim Inhaltsschaden „vorwiegend bzw insbesondere um das gesamte Mobiliar“ handle. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher zu dem Ergebnis gelangt, dass das Klagebegehren insoweit unschlüssig ist.
[14] 3.2. § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. § 182a ZPO zwingt das Gericht nicht zur Erörterung eines Vorbringens, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (RS0122365 [insb T5]).
[15] 3.3. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass sie in erster Instanz mehrfach klar und unmissverständlich auf die Unschlüssigkeit der Position „Inhaltsschaden“, nämlich die fehlende Konkretisierung, hingewiesen hat. Eine weitere Erörterung zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ist aus diesem Grund nicht mehr erforderlich. Das Berufungsgericht hätte diesen Teil des Klagebegehrens daher sogleich wegen Unschlüssigkeit abweisen müssen.
[16] 4. Der Revision der Beklagten ist damit Folge zu geben. Das angefochtene Zwischenurteil ist dahin abzuändern, dass ein Teilbegehren von 10.000 EUR sA abgewiesen wird.
[17] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 50, 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO.
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