European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120063
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Die beklagte Partei ist schuldig, jegliche Wasserentnahme und zwar entweder unmittelbar aus dem Behälter oder im weiteren Rohrverlauf der 'M*quelle' auf dem Grundstück 1485 der EZ * zu unterlassen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.778,78 EUR (darin 3.226 EUR Barauslagen und 1.258,80 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Auf dem zur Liegenschaft EZ * gehörigen Grundstück 1485 befindet sich eine Quelle, aus der die Beklagte bereits seit Jahrzehnten, und damit seit deutlich mehr als 30 Jahren, Wasser zur Versorgung ihres Gemeindegebiets entnimmt. Seit der Errichtung der Quellfassung war diese in natura deutlich erkennbar, insbesondere der versperrte Deckel der Quellfassung; teilweise war die Fassung durch einen Bretterzaun umzäunt. Ob der Kläger und/oder sein Vater zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft keine Kenntnis davon hatten, dass die Beklagte Wasser aus der Quelle bezieht, kann nicht festgestellt werden. Grundbücherlich ist zugunsten der beklagten Gemeinde eine Dienstbarkeit des Wasserbezugs nicht eingetragen, sondern lediglich die Dienstbarkeit der Wasserleitung mittels unterirdisch gelegter Röhren (auch) über das Grundstück 1485. Die bücherliche Belastung des Grundstücks 1485 durch die Dienstbarkeit des Wasserbezugs aus der dort entspringenden Quelle und der Wasserleitung ist zur Speisung eines Hausbrunnens für den Haus‑ und Hofbedarf eines benachbarten landwirtschaftlichen Anwesens eingetragen. Der Vater des Klägers erwarb die Liegenschaft mit dem Quellgrundstück mit Kaufvertrag vom 26. 3. 2004 und übertrug das Eigentum mit Übergabsvertrag vom 19. 2. 2011 an den Kläger. Seither führte die Beklagte immer wieder notwendige Sanierungsarbeiten bei der Quelle durch, die vom Kläger geduldet wurden.
Letzterer begehrte nun die im Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Unterlassung und brachte im Wesentlichen vor, dass selbst eine von der Beklagten allenfalls ersessene (nicht verbücherte) Dienstbarkeit des Wasserbezugs von ihm nicht zu übernehmen gewesen wäre. Eine Wasserentnahme durch die Beklagte sei weder zum Zeitpunkt des Erwerbs durch seinen Vater noch bei seinem Eigentumserwerb erkennbar gewesen. Aus den auf der Liegenschaft vorhandenen Einrichtungen sei nicht abzuleiten gewesen, dass neben dem verbücherten Wasserbezugsrecht eines Nachbarn eine weitere Belastung der Liegenschaft durch ein Wasserbezugsrecht der Beklagten bestehen könnte. Sowohl sein Vater als auch er hätten die Liegenschaft im guten Glauben auf das Fehlen außerbücherlicher Belastungen erworben. Weiters bestritt er auch die Ersitzung eines Wasserbezugsrechts durch die Gemeinde.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die Quelle würde von ihr schon seit zumindest den 1940er Jahren genutzt. Auf einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb könne sich der Kläger nicht berufen, da schon leichte Fahrlässigkeit den guten Glauben an die Servitutsfreiheit zerstöre. Gerade wegen des verschließbaren Quelldeckels sowie der Vornahme von Sanierungsarbeiten durch die Gemeinde an der Quelle sei die Servitut für den Kläger offenkundig gewesen.
Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren ab. Die Beklagte habe angesichts der gesetzlichen Vermutung für die Redlichkeit des Besitzes über die Ersitzungszeit bereits vor dem Eigentumserwerb des Vaters des Klägers die Dienstbarkeit des Wasserbezugs aus der Quelle ersessen. Der Kläger und sein Vater könnten dem ihre Gutgläubigkeit nicht entgegenhalten, weil sie insoweit leicht fahrlässig gehandelt hätten, als sie sich bei Übernahme der Liegenschaft in Kenntnis der Lage der Quelle und Einrichtung einer Quellfassung nicht entsprechend erkundigt oder Einsichtnahme in das Quell‑ und Wasserbuch genommen hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Erstgericht habe zu Recht eine Ersitzung der Dienstbarkeit durch die Beklagte angenommen, weshalb es sich als ausschlaggebend erweise, ob das Wasserbezugsrecht der Gemeinde in Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes vom Erwerber zu „übernehmen“ gewesen sei. Das Erstgericht habe weder dem Kläger noch seinem Vater positive Kenntnis vom (ersessenen) Wasserbezugsrecht unterstellt. Sogenannte offenkundige Dienstbarkeiten entfalteten ihre Rechtswirkung gegenüber dem Erwerber, wenn sich ihre Existenz bei Besichtigung des dienenden Grundstücks „ohne Schwierigkeiten wahrnehmen lässt“. Vorgänge oder Einrichtungen auf der betroffenen Liegenschaft, die objektiv vermuten lassen, dass diese mit einer Servitut belastet ist oder eine bestehende Servitut erweitert wurde, würden Anlass geben, die diesbezügliche Vollständigkeit des Grundbuchs in Zweifel zu ziehen. Sie verpflichteten den Erwerber dazu, Nachforschungen anzustellen, wobei sich die Erkundigungspflicht nach den konkreten Umständen richte. Im vorliegenden Fall sei der Umstand, dass sich auf dem Grundstück eine Quellfassung befindet, in natura deutlich erkennbar gewesen; aus dem Grundbuch sei für den Kläger oder seinen Vater nur das bücherliche Wasserbezugsrecht des Nachbarhofes ersichtlich gewesen, allerdings hätten sich weder der Kläger noch sein Vater darum gekümmert, wer tatsächlich Zugang zur (verschlossenen) Quellfassung habe. Es wäre ein Leichtes gewesen, diesbezüglich wenigstens beim bücherlich Berechtigten nachzufragen. Dies gelte umso mehr, als zugunsten der Beklagten zwar nur ein Leitungsrecht einverleibt gewesen sei, die Quelle aber im Großraum des Gemeindehochbehälters gelegen sei, was nach Ansicht des Berufungsgerichts auch augenfällig als ernst zu nehmender Hinweis betrachtet werden müsse, dass hier allenfalls auch das Wasser der M*quelle mitgefasst werde. Hinzu kämen noch die festgestellten Sanierungs‑ und Behebungsarbeiten durch die Beklagte, die wohl mit dem bloßen Leitungsrecht zusammenhängen konnten, aber auch als Anlass für zumutbare Nachforschungen gesehen werden könnten. Da sowohl dem Kläger wie auch seinem Vater die Quellfassung grundsätzlich bekannt gewesen sei, wäre auch eine einfache Einsichtnahme in das Wasserbuch zuzumuten gewesen, die als mit dem Grundbuch vergleichbares öffentliches Register (ebenfalls) die Wasserversorgung der Gemeinde aus der verfahrensgegenständlichen Quelle offenbart hätte. Die ordentliche Revision sei trotz des Vorliegens einer Einzelfallentscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit bzw Rechtssicherheit für zulässig zu erklären gewesen, weil keine höchstgerichtliche Judikatur dazu vorliege, ob bei Kenntnis vom Vorhandensein einer Quellfassung und diesbezüglich vorhandener bücherlicher Belastungen eine weiterführende Nachforschungspflicht des Grundstückseigentümers in Richtung allfälliger Erweiterung der vorhandenen Dienstbarkeiten einzufordern sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der höchstgerichtlichen Judikatur zu den „Nachforschungsobliegenheiten“ eines Liegenschaftserwerbers abgegangen sind (vgl RIS‑Justiz RS0034870 [T2] = 7 Ob 95/03a). Sie ist im Sinne einer Klagestattgebung auch berechtigt.
Das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen dahin verstanden, dass weder dem Kläger noch seinem Vater positive Kenntnis von einem Wasserbezugsrecht der Beklagten unterstellt werde. Die Revisionsgegnerin wendet sich gegen dieses Verständnis nicht und kommt auch auf ihre erstinstanzlichen Behauptungen über eine positive Kenntnis nicht mehr zurück.
Soweit sich der Revisionswerber – unter verschiedenen Revisionsgründen – mit der „Quellart“, dem Ausmaß der Quellschüttung sowie anderen Quellen in der Umgebung auseinandersetzt, ist kaum verständlich, welche für ihn günstigen rechtlichen Konsequenzen er daraus ziehen will. Erörterungen über die Ersitzung der Dienstbarkeit des Wasserbezugs durch die Beklagte können aber schon deshalb unterbleiben, weil der Revisionswerber mit seiner Auffassung, eine allenfalls durch Ersitzung erworbene Dienstbarkeit sei infolge gutgläubigen Erwerbs (durch ihn bzw schon durch seinen Vater) im Sinne des § 1500 ABGB erloschen, im Recht ist.
Die zitierte Bestimmung des ABGB schützt iVm § 71 GBG das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstands: Was nicht eingetragen ist, gilt ihnen gegenüber nicht. Da eine Dienstbarkeit des Wasserbezugs zugunsten der Beklagten unstrittigermaßen aus dem Grundbuch nicht ersichtlich war, kommt es – worauf schon das Berufungsgericht an sich zutreffend verwiesen hat – lediglich darauf an, ob beim Kläger (bzw seinem Vater) zum Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs insoweit guter Glaube vorlag, als die genannten Personen auf die Vollständigkeit des Grundbuchstands vertrauen durften, ohne dass ihnen zumindest leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre. Richtig hat das Berufungsgericht auch darauf abgestellt, dass Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs insbesondere dann indiziert sind, wenn der Erwerber Wahrnehmungen macht, die ihn zur Ansicht bringen müssen, dass die tatsächlichen Verhältnisse mit dem Grundbuchstand nicht in Übereinstimmung stehen, insbesondere wenn auf der Liegenschaft Vorgänge oder Einrichtungen erkennbar sind, die objektiv vermuten lassen, dass eine (weitere) Dienstbarkeit bestehen könnte (RIS‑Justiz RS0034803; RS0034730).
Bei der Beurteilung, ob es dem Kläger (bzw seinem Vater) als Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, aus dem auf der Liegenschaft vorhandenen Einrichtungen einen Schluss auf ein mögliches Wasserbezugsrecht der Beklagten unterlassen und keine Nachforschungen in diese Richtung angestellt zu haben, ist dem Berufungsgericht aber ein grundsätzlicher Fehler unterlaufen. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass sich die auf dem Grundstück vorhandene Einrichtung (Quellfassung mit versperrbarem Deckel) ohne weiteres mit der zugunsten einer Nachbarliegenschaft verbücherten Dienstbarkeit erklären lässt, nach der die Berechtigung bestand, einen Hausbrunnen für den Haus‑ und Hofbedarf zu speisen. Dass für die Beklagte ein Wasserleitungsrecht unter anderem über das Grundstück 1485 einverleibt war, stellt kein ausreichendes Indiz dafür dar, dass es sich hier um das Wasser aus der betreffenden Quelle handeln könnte, läge es doch sonst nahe, dass gleichzeitig mit dem Wasserleitungsrecht auch das Wasserbezugsrecht einverleibt worden wäre. Noch weniger kann es für den (allenfalls fehlenden) guten Glauben des Klägers und seines Vaters von Bedeutung sein, dass die Beklagte Sanierungs‑ und Behebungsarbeiten durchgeführt hat, die auch mit ihrem Wasserbezug zusammenhängen könnten, wurde doch vom Erstgericht festgestellt, dass diese Arbeiten in einem Zeitraum durchgeführt wurden, in dem der Kläger bereits Eigentümer der Liegenschaft war. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen von gutem Glauben ist aber jener des Eigentumserwerbs, weshalb sogar die nachträgliche positive Kenntnis vom Bestehen einer Dienstbarkeit nicht mehr schaden kann (7 Ob 160/02h, 7 Ob 95/03a ua). Auch die Revisionsrekursgegnerin zeigt keine Umstände auf, die bei lebensnaher Betrachtung Veranlassung für die Annahme geboten hätten, dass aus der Quelle ein Wasserbezug nicht nur durch den bücherlich berechtigten Nachbarn erfolgt. Ob einfache Erkundigungen ergeben hätten, dass (auch) die Beklagte das Quellwasser entnimmt, ist für sich ohne Bedeutung, sofern nicht ausreichende objektive Anhaltspunkte dafür bestanden, die Vollständigkeit des Grundbuchs in Zweifel zu ziehen. Dies gilt auch für Erkundigungen durch Einsicht ins Wasserbuch, das ja nicht dazu dient, Auskunft über privatrechtlich begründete dingliche Rechte zu geben (vgl § 124 Abs 1 WRG).
Da solche Umstände im vorliegenden Fall nicht zu erkennen sind, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO, wobei die berechtigten Einwendungen zu dem im Verfahren erster Instanz vorgelegten Kostenverzeichnis zu berücksichtigen waren.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)