Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Erleger, ein Rechtsanwalt, wurde mit Beschluss vom 30. 11. 2009, 59 P 21/09m des Erstgerichts, zum Abwesenheitskurator für S***** bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 14. 10. 2010 ermächtigte das Pflegschaftsgericht den Abwesenheitskurator, das aus der Veräußerung von Liegenschaftsanteilen nach Abzug von Kosten und Gebühren verbleibende Bargeldvermögen des Abwesenden gerichtlich zu hinterlegen und erklärte, dass der Abwesenheitskurator nach erfolgtem Erlag seines Amtes enthoben sei.
Der Abwesenheitskurator beantragte, den Erlag von 46.278,92 EUR zu Gericht anzunehmen und bezeichnete sich dabei als Erleger und den Abwesenden als Erlagsgegner.
Das Erstgericht nahm den vom Erleger wegen unbekannten Aufenthalts des Erlagsgegners vorgenommenen Erlag gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an und bestellte einen anderen Rechtsanwalt gemäß § 5 Abs 2 Z 1b AußStrG zum Zustellkurator für den Erlagsgegner.
Den vom Zustellkurator im Namen des Erlagsgegners erhobenen Rekurs gegen den Annahmebeschluss wies das Rekursgericht zurück. Nach gefestigter Rechtsprechung sei der Beschluss des Erstgerichts, den Erlag nach § 1425 ABGB zu Gericht anzunehmen, mangels einer Mehrheit von Erlagsgegnern unanfechtbar. Dem Rekursgericht sei daher eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsmittel des Erlagsgegners verwehrt.
Erkennbar gestützt auf § 63 Abs 3 AußStrG sprach das Rekursgericht aufgrund des vom Zustellkurator erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses nachträglich aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es dem Argument des Revisionsrekurswerbers, der mögliche Mangel des Zweiparteienverfahrens verhindere den dem Abwesenden vom Pflegschaftsgericht zugedachten Schutz, Gewicht zumesse.
Rechtliche Beurteilung
1. Dieser Ausspruch ist ohne Rechtsgrundlage:
Angelegenheiten des gerichtlichen Erlags nach § 1425 ABGB gehören in das Verfahren außer Streitsachen (RIS-Justiz RS0033469). Nach § 63 Abs 3 AußStrG kann das Rekursgericht über Zulassungsvorstellung seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses mit Beschluss abändern und aussprechen, dass der Revisionsrekurs doch nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist. Eine Zulassungsvorstellung ist nach § 63 Abs 1 AußStrG jedoch nur vorgesehen, wenn - vom Fall nicht rein vermögensrechtlicher Angelegenheiten abgesehen - der Entscheidungsgegenstand unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm über die Bewertung (§ 59 Abs 3 AußStrG) an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR (bei der in § 59 Abs 2 AußStrG unterbliebenen Erhöhung von 20.000 EUR auf 30.000 EUR handelt es sich um ein Redaktionsversehen: RIS-Justiz RS0125732) nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.
Rechtsstreitigkeiten über die (Zustimmung zur) Ausfolgung eines in Geld bestehenden Gerichtserlags liegen geldgleiche Ansprüche zugrunde, bei welchen die Forderung, deren Ausfolgung begehrt wird, bei der Bewertung des Streitgegenstands heranzuziehen ist (Gitschthaler in Fasching² § 56 JN Rz 10; RIS-Justiz RS0033575). Auch im außerstreitigen Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB ist von einem in einem Geldbetrag bestehenden und damit rein vermögensrechtlichen Streitgegenstand auszugehen (6 Ob 9/03x; für das Ausfolgungsverfahren: 7 Ob 107/02i; 8 Ob 31/11h = RS0007215 [T10]).
Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Rekursgericht entschieden hat, ergibt sich damit aus dem Erlagsbetrag (hier 46.278,92 EUR), weshalb das Rekursgericht ursprünglich zu Recht von einem Bewertungsausspruch abgesehen hat. Der Entscheidungsgegenstand übersteigt damit 30.000 EUR, sodass die Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht ohne gesetzliche Grundlage erfolgte und für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich ist (vgl RIS-Justiz RS0110049 [T8, T16]). Ob das Rechtsmittel des Erlagsgegners zulässig ist, ist entsprechend seiner Bezeichnung als außerordentlicher Revisionsrekurs ausschließlich nach § 62 Abs 5 AußStrG zu beurteilen.
2. Die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses erforderlichen Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG liegen nicht vor:
2.1 Die Rechtsmittellegitimation und Beschwer des Erlagsgegners ist nach herrschender Rechtsprechung zu § 1425 ABGB dann zu bejahen, wenn seine materielle Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Davon geht die Rechtsprechung dann aus, wenn der Erlag zugunsten mehrerer Erlagsgegner angenommen wurde (RIS-Justiz RS0110882; RS0110881 [T3]). Erfolgte der Erlag hingegen nur zu Gunsten eines Gegners, ist dieser nicht legitimiert, den Annahmebeschluss im Erlagsverfahren zu bekämpfen. Diese Auffassung wird damit begründet, dass in diesem Fall die gerichtliche Genehmigung die materiellrechtliche Position des Gläubigers nicht berührt (Stabentheiner in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 1425 Rz 27 mwN).
2.2 Im Verfahren über einen Erlag nach § 1425 ABGB ist die verfahrensrechtliche Erklärung des Antragstellers, wem er den Erlagsgegenstand zwecks Schuldbefreiung und Abwälzung der Gefahr anbiete, bestimmend. Dazu genügt es, wenn der Erleger einen tauglichen Hinterlegungsgrund nennt und den Erlagsgegner namentlich bezeichnet. Der vom Erleger bezeichnete Erlagsgegner genießt dann kraft der verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung (RIS-Justiz RS0006720). Das Hinterlegungsgericht hat demgegenüber nur eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Es prüft, ob im Erlagsantrag der Erleger und der Gläubiger, für den erlegt wird, sowie der Erlagsgegenstand und der Erlagszweck ausreichend (schlüssig) bezeichnet sind (8 Ob 71/09p = RIS-Justiz RS0112198 [T13]).
2.3 Der Abwesenheitskurator war vom Pflegschaftsgericht zum Erlag des nach Abzug der Gebühren und Kosten verbleibenden Verkaufserlöses ermächtigt worden und hatte in seinem Antrag den Abwesenden als Erlagsgegner bezeichnet. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass sich der Kurator durch den Erlag von einer Verpflichtung dem Abwesenden gegenüber befreien und nicht etwa einen Erlag im Namen des Abwesenden, wie der Revisionsrekurswerber offensichtlich meint, vornehmen wollte. Dem Abwesenden, nunmehr vertreten durch den Zustellkurator, kommt damit kraft der verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung zu. Von einer, nach Ansicht des Revisionsrekurswerbers, Nichtigkeit begründenden Identität von Erleger und Antragsgegner kann daher nicht die Rede sein. Der Erlag erfolgte zugunsten eines Gegners, sodass sich die Entscheidung des Rekursgerichts, das die Rechtsmittellegitimation des Erlagsgegners verneinte, ohne den angefochtenen Beschluss einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen, an gesicherter Rechtsprechung orientiert. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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