OGH 1Ob158/18v

OGH1Ob158/18v21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Höfrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde K*, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier und andere, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung und Einverleibung einer Servitut, Beseitigung und Unterlassung (Streitwert insgesamt 7.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 25. April 2018, GZ 21 R 68/18k‑16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 5. März 2018, GZ 8 C 288/17b‑11, mit der Maßgabe bestätigt wurde, dass das zu GZ 8 C 288/17b des Bezirksgerichts St. Pölten geführte Verfahren nichtig ist, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123468

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Marktgemeinde betreibt auf dem Grundstück eines Dritten ein Retentionsbecken samt Abfluss zum Schutz gegen Hochwasser. Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Grundstücks. Die Klägerin begehrt in ihrer im Mai 2017 eingebrachten Klage die Feststellung, dass ihr gegenüber der Beklagten als Eigentümerin dieses Grundstücks sowie gegenüber ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum hinsichtlich dieses Grundstücks die Dienstbarkeit des Fahrens mit Lastkraftwagen oder sonstigen Einsatzfahrzeugen entlang der nördlichen Grundstücksgrenze in einer Breite von vier Metern zustehe. Sie begehrt weiters die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit, die Beseitigung ihrer Ausübung entgegenstehender Hindernisse sowie die Unterlassung von Störungen der Dienstbarkeit.

Die Beklagte bestreitet und entgegnet zusammengefasst, sie habe der Klägerin keine Servitut eingeräumt. Eine Zufahrt über das Grundstück der Beklagten sei nicht erforderlich, weil die Klägerin das Retentionsbecken auch über das Grundstück, auf dem sich dieses Becken befindet, erreichen könne. Die Klage sei außerdem nicht vom Gemeinderat der Klägerin genehmigt worden, sodass es an der „Aktivlegitimation“ fehle.

Das Erstgericht trug der Klägerin auf, binnen einer bestimmten Frist einen „die gegenständliche Klage bzw Einleitung des gegenständlichen Verfahrens rechtfertigenden Gemeinderatsbeschluss“ vorzulegen. Die Klägerin legte (nach Durchführung des Beweisverfahrens und Schluss der Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO) fristgerecht das Protokoll über die Gemeinderatssitzung vom 6. 7. 2017 vor. Darin war jedoch nur ein Beschluss des Gemeindevorstands wiedergegeben, mit dem dieser den (ebenfalls vom Gemeindevorstand gestellten) Antrag, dass gegen die Beklagte die „Klage wegen Dienstbarkeit“ eingebracht und der Klagevertreter mit der diesbezüglichen Vertretung beauftragt werden möge, annahm. Das Protokoll enthält auch einen Hinweis darauf, dass bereits ein Verhandlungstermin statt fand.

Das Erstgericht wies die Klage mangels Vorliegens der Prozessvoraussetzung der gesetzlichen Vertretung der Klägerin zurück, weil sich aus den vorgelegten Urkunden kein die Klagsführung genehmigender Beschluss des Gemeinderats ergebe; weitere Handlungen des Gemeinderats „die Genehmigung der Klagsführung gegen die Beklagte betreffend“ konnten nicht festgestellt werden. Damit sei die Klägerin nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es zudem das erstinstanzliche Verfahren für nichtig erklärte. Es ging bei der Behandlung der (als solche interpretierten) Beweisrüge der Klägerin nicht nur davon aus, dass aufgrund der Protokollierung eines Beschlusses des Gemeindevorstands Zweifel am Vorliegen eines Gemeinderatsbeschlusses bestehen, sondern dass auch der Inhalt des protokollierten Beschlusses unklar ist. So sei im Protokoll einerseits festgehalten worden, dass der Klagevertreter eine Klage ausgearbeitet habe, die nunmehr an das Bezirksgericht zu erstatten sei; andererseits aber auch, dass bereits eine Tagsatzung durchgeführt und die nächste Tagsatzung anberaumt worden sei; demgegenüber habe sich der Beschluss darauf gerichtet, dass der Klagevertreter beauftragt und die Klage eingebracht werde, was aber längst erfolgt sei. Insgesamt bestünden daher nach Ansicht des Rekursgerichts dermaßen viele Unklarheiten im Protokoll, dass es nicht bedenklich sei, wenn das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht vom Vorliegen eines die Klagsführung genehmigenden Gemeinderatsbeschlusses überzeugt war. Das von der Klägerin erstmals mit ihrem Rekurs vorgelegte berichtigte Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6. 7. 2017, in dem es nunmehr „Beschluss des Gemeinderates“ lautet, qualifizierte das Rekursgericht als unzulässige Neuerung. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil „hinterfragt werden könne, inwiefern ein Gericht auch mehrfach verpflichtet sein kann, die Vorlage eines die Klagsführung genehmigenden Gemeinderatsbeschlusses aufzutragen“.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehlt, ob das Rekursgericht einen neuerlichen Sanierungsversuch iSd § 6 Abs 2 ZPO zu unternehmen hat, wenn eine vom Erstgericht aufgetragene Sanierung gescheitert ist; er ist aber nicht berechtigt.

Das Fehlen der Prozessvoraussetzung der gesetzlichen Vertretung ist gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0118612).Gesetzlich nicht gehörig vertreten ist auch eine Gemeinde, wenn nach den für sie geltenden Organisationsvorschriften – wie hier nach § 35 Z 16 der auf die Klägerin anzuwendenden NÖ Gemeindeordnung 1973 (LGBl 1000‑23) – für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ein Gemeinderatsbeschluss vorgesehen ist, dieser aber nicht vorliegt (vgl 6 Ob 59/06d; 6 Ob 7/13t). Die Beschlussfassung des Gemeinderats muss sich auf einen bestimmten Rechtsstreit beziehen (RIS‑Justiz RS0059247). Beim Nachweis der nachträglichen Genehmigung der Prozessführung durch den Gemeinderat handelt es sich um einen dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Akt, für den die Gemeindeordnungen regelmäßig keine besondere Formvorschrift vorschreiben (1 Ob 9/13z; 6 Ob 7/13t). Auch die hier anzuwendende NÖ Gemeindeordnung 1973 sieht dafür keine Formvorschrift vor; es reicht daher jede Urkunde aus, aus der mit ausreichender Sicherheit das Zustandekommen und der Inhalt des betreffenden Gemeinderatsbeschlusses ersichtlich ist (1 Ob 9/13z). Ein Vertretungsmangel führt nicht sofort zur Nichtigerklärung des Verfahrens, vielmehr hat das Gericht alles Erforderliche vorzukehren, damit der Mangel beseitigt werden kann (§ 6 Abs 2 ZPO). Mängel der gesetzlichen Vertretung können im Zivilprozess also grundsätzlich behoben werden (RIS‑Justiz RS0059247 [T1]).

Die Klägerin legte in erster Instanz – aufgrund des vom Erstgericht erteilten Auftrags – ein Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6. 7. 2017 vor. Diesem konnten die Vorinstanzen auf Tatsachenebene das Zustandekommen des erforderlichen Gemeinderatsbeschlusses nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen. Soweit dies im Revisionsrekurs bekämpft wird, wendet sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung, die in dritter Instanz aber nicht mehr überprüft werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0043371 [T6, T12, T21, T22, T24]).

Soweit die Revisionsrekurswerberin argumentiert, dass ihr das Erstgericht eine weitere Verbesserungsmöglichkeit einräumen hätte müssen, rügt sie– wie bereits in ihrem Rekurs – einen erstinstanzlichen Verfahrensmangel. Diesen hat das Rekursgericht jedoch bereits verneint, sodass er im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0043919).

Die Revisionsrekurswerberin wirft aber auch dem Rekursgericht eine mangelhafte Verfahrensführung vor, weil auch dieses – von Amts wegen – ein (neuerliches) Verbesserungsverfahren einleiten und der Klägerin die Möglichkeit geben hätte müssen, die (bereits in erster Instanz vorgelegte) Verhandlungsschrift des Gemeinderates zu berichtigen. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach § 6 Abs 3 ZPO ist eine Verlängerung der Verbesserungsfrist nur zulässig, wenn die Behebung des Mangels durch Umstände behindert wird, auf deren Beseitigung die Partei keinen Einfluss zu nehmen vermag. Die Normierung einer demnach grundsätzlich nicht verlängerbaren Verbesserungsfrist wäre unsinnig, könnte eine Partei verlangen, denselben Mangel wiederholt zum Gegenstand eines Verbesserungsauftrags zu machen (vgl etwa 3 Ob 75/01b; RIS‑Justiz RS0115048). § 6 Abs 3 ZPO stellt somit ganz allgemein klar, dass nach ungenutztem Ablauf einer eingeräumten Verbesserungsfrist nur in dem in dieser Bestimmung genannten Ausnahmefall eine weitere Verbesserungsmöglichkeit einzuräumen ist. Da die Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung hier zweifellos nicht durch Umstände behindert war, auf deren Beseitigung die Klägerin oder ihr Vertreter keinen Einfluss hatten, liegt der behauptete Verfahrensmangel somit nicht vor.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die in zweiter Instanz versuchte (weitere) Verbesserung ohnehin erfolglos blieb, weil – wie sich aus § 53 Abs 3 Satz 2 NÖ Gemeindeordnung 1973 ableiten lässt – das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6. 7. 2017 vom Vorsitzenden (hier gemäß § 45 Abs 5 leg cit dem Bürgermeister) und dem (den) Schriftführer(n) berichtigt werden hätte müssen und nicht bloß, wie der vorgelegten Urkunde zu entnehmen ist, durch den Bürgermeister alleine. Zudem fehlte es auch an der erforderlichen Darstellung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, wird doch nicht dargetan, dass aufgrund eines weiteren Verbesserungsauftrags eine andere als die ohnehin vorgelegte (unzureichende) Urkunde beigebracht worden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1 und 41 Abs 1 ZPO.

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