OGH 1Ob156/17y

OGH1Ob156/17y25.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. E. Solé, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** B*****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz und Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 26.076,27 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juni 2017, GZ 2 R 58/17x‑39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. März 2017, GZ 15 Cg 116/15h‑35, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00156.17Y.1025.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, in welchem Umfang über mögliche Gefahren aufzuklären bzw zu warnen ist und aus welchen Gründen das Unterlassen einer Aufklärung schuldhaft ist, kann immer nur aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden und ist daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0111165 [T1]; 4 Ob 34/16b mwN = RS0111165 [T12]: Verletzung beim „Blobbing“); gleiches gilt für die Form der Aufklärung, nämlich ob durch Formulare oder wie im vorliegenden Fall durch Hinweistafeln in der gesamten Anlage.

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision daher im vorliegenden Fall nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):

Erst unlängst hat der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil 8 Ob 94/17g zu Verletzungen bei der Ausübung von sogenannten Fun‑ und Trendsportarten, zu denen auch das hier zu beurteilende „Blobbing“ zählt, Stellung genommen und sich mit den Haftungsgrundsätzen bei solchen Risikosportarten auseinandergesetzt. Er erläuterte unter Hinweis auf die Entscheidungen 2 Ob 277/05g und 6 Ob 183/15b, dass ein Sportveranstalter, vor allem bei einer Risikosportart, auf alle typischen, für ihn erkennbaren Sicherheitsrisiken hinweisen müsse. Dies gelte insbesondere dann, wenn er das notwendige Sport- oder Fun-Gerät zur Verfügung stelle. Die gebotene Aufklärung habe so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen, dass der Teilnehmer sich möglicher Gefahren und Sicherheitsrisiken bewusst werde und diese eigenverantwortlich abschätzen könne. Der achte Senat hob in der Entscheidung aber auch hervor, dass vertragliche Verhaltens- und Sorgfaltspflichten ebenso wie nebenvertragliche Schutz- und Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten – genauso wie allgemeine Verkehrssicherungspflichten – nicht überspannt werden dürften, weil sportliche Aktivitäten grundsätzlich gefördert und nicht unmöglich gemacht werden sollen.

Ganz grundsätzlich nimmt derjenige, der an einer gefährlichen sportlichen Veranstaltung teilnimmt, das damit verbundene, in der Natur der betreffenden Veranstaltung gelegene Risiko, jedenfalls soweit er es kennt oder kennen muss, auf sich und handelt auf eigene Gefahr. Ihm wird eine Selbstsicherung zugemutet und die dem Gefährdenden sonst obliegenden Sorgfaltspflichten sind aufgehoben oder eingeschränkt (s 4 Ob 34/16b zum „Blobbing“ mwN).

Die hier in Betracht kommenden Gefahrenumstände sind mit dem Aufprall auf dem Luftkissen (entweder als sogenannter „Jumper“) oder dem Aufprall auf dem und dem Eintauchen ins Wasser (als „Blobber“) verbunden und jedenfalls für Personen im Alter der Klägerin durchaus naheliegend.

Die im konkreten Fall vorgenommene Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin über das mit der Teilnahme an der „Blobbing“-Veranstaltung verbundene Risiko ausreichend aufgeklärt wurde, ist vertretbar und keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Anders als die Klägerin meint, ist dabei von den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts auszugehen. Sie kann diese nicht mehr bekämpfen, wenn sie entweder, wie teilweise der Fall, Einwände gegen Feststellungen bereits in der Berufungsbeantwortung erhoben, das Berufungsgericht sich damit beschäftigt und diese verworfen hat (RIS‑Justiz RS0042740 [T1, T15]) oder sie diese im Übrigen, im Hinblick auf § 468 Abs 2 ZPO bereits in der Berufungsbeantwortung hätte bekämpfen müssen (so auch schon zur Rechtslage vor der WGN 1997: RIS‑Justiz RS0042740 [T42, T43, T44, T45]; RS0119339 [T1]; vgl RS0112020 [T14]).

Auch aus den von ihr behaupteten sekundären Feststellungsmängeln lässt sich eine korrekturbedürftige Fehlerhaftigkeit der Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht ableiten. Sie betreffen entweder nicht vorgebrachte oder nicht entscheidungsrelevante Umstände (vgl RIS‑Justiz RS0053317). Liegt die Ursache der Verletzung in einer ungünstigen Körperhaltung der Klägerin beim Aufprall auf dem Luftkissen mit entweder axialer Verdrehung oder in der zusätzlichen Verkippung oder in einer Vorspannung in den Bändern, bleibt offen, in welchem für die Verletzung ursächlichen Zusammenhang damit die Frage stehen sollte, ob der zuständige Guide zeitgleich noch eine andere Anlage zu beaufsichtigen hatte. Gleiches gilt für eine angeblich fehlende Kontrolle des Vorhandenseins oder des Sitzes von notwendiger Sicherheitsausrüstung, ist doch festgestellt, dass die Klägerin Helm und Schwimmweste trug. Das Vorhandensein von Sanitätspersonal hatte sie im Verfahren erster Instanz nicht thematisiert. Überlegungen dazu sind also schon als Verstoß gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich.

Im vorliegenden Fall waren bereits im Bereich des Aufgangs zur Blobbinganlage und in weiterer Folge neuerlich vor dem unmittelbaren Absprungbereich Hinweisschilder angebracht, die auf die Gefährlichkeit des Freestylesports und die Möglichkeit schwerer Verletzungen hinwiesen. Sodann wurde ein Blobbingverbot bei allen alten und akuten Wirbelsäulen‑ und Gelenksverletzungen ausgesprochen, womit deutlich auf negative Einwirkungen auf den menschlichen Körper bei solchen vorgeschädigten „Schwachstellen“ aufmerksam gemacht wurde. Die Aufforderung, vorsichtig zu sein, sich nicht zu überschätzen und unbedingt vorher den Bademeister zu fragen, und die Freigabe des Blobs erst ab 12 Jahren machten für jedermann deutlich, dass diese Sportart gefährlich ist und nur bei ausreichendem Gefahrenbewusstsein, entsprechender Konstitution und Körperbeherrschung ausgeübt werden soll. Die einzunehmenden und auch die zu vermeidenden Körperhaltungen wurden nicht nur verbal auf den Schildern beschrieben, sondern auch in Piktogrammen dargestellt. Solche bildlichen Darstellungen sind auf einen Blick leichter zu erfassen als die zusätzlich vorhandene verbale Umschreibung. Da, wie schon in der Entscheidung 8 Ob 94/17g klargestellt wurde, der Veranstalter solcher Sportarten nicht auf jede nur erdenkliche Art einer Verletzung, die bei der Ausübung entstehen kann, hinweisen muss, weil nicht jede erdenkliche Einwirkung auf den Körper vorhergesehen werden kann, und Aufklärungs‑ und Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden dürfen, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Hinweis auf schwere Verletzungen genüge, der Teilnehmer sich der Gefahr auch derartiger Verletzungen bewusst werde und erkennen könne, dass er nicht bloß ein harmloses Freizeitvergnügen ausübe, sondern eine Risikosportart, der die Gefahr von auch schweren Verletzungen immanent sei, nicht zu beanstanden. Mit der verwendeten Formulierung „Hier wird an allen Sportanlagen Freestylesport betrieben, der gefährlich ist und zu schweren Verletzungen führen kann!“ wird nämlich nach dem allgemeinen Verständnis vom Begriff „schwere Verletzung“ für jedermann deutlich auf die Gefahr des Eintritts einer solchen Verletzung bei Ausübung des „Blobbing“ gewarnt, bei der etwa wichtige Körperteile oder Organe in einer Weise beeinträchtigt werden, dass damit erhebliche Funktionseinbußen verbunden sind, wie eine Verletzung von inneren Organen oder Brüche von großen Knochen, die den Bedarf von stationärer Behandlung nach sich ziehen. Eine von der Klägerin geforderte Aufklärung mittels Aushändigung eines Formulars samt möglichen Gefahrenhinweisen zu verschiedenen einzelnen möglichen Verletzungen überspannte den Sorgfaltsmaßstab.

Der Begründung des Berufungsgerichts, dass anders als in den Fällen der Entscheidungen 6 Ob 183/15b und 2 Ob 277/05g die Beklagte den Warnhinweisen zur Möglichkeit von schweren Verletzungen keine Werbemaßnahme gegenübergestellt habe, die eine Gefahrlosigkeit suggeriert hätte, setzt die Klägerin nichts Stichhältiges entgegen, wenn sie schildert, der Instrukteur beschreibe unmittelbar vor dem Absprung „sozusagen in letzter Sekunde“, dass man bis drei einzählen solle, um den Blobber auf den Sprung des Jumpers aufmerksam zu machen und dann mit dem Gesäß voraus aufs Luftkissen springen solle. Dass nämlich eine solche kurz vor dem Absprung erteilte Anweisung des Instrukteurs nach den im gesamten Gelände verteilten Warnschildern den Eindruck erwecke, „dass alles ganz easy wäre“, kann ebensowenig nachvollzogen werden, wie sich eine Suggestion der Gefahrlosigkeit daraus ableiten lässt, dass sich die Teilnehmer selbständig die Ausrüstung wie Helm und Schwimmweste aus einer Gerätehütte nehmen können. Gerade die Aufforderung, bestimmte Schutzkleidung zu tragen, gibt einen zusätzlichen Hinweis, dass Einwirkungen auf den Körper stattfinden, die es abzumildern gilt und gegen die man eines zusätzlichen Schutzes bedarf. Resultierte die Verletzung der Klägerin aus ihrer ungünstigen Körperhaltung, die von ihr sogar als „atypisches Risiko“ bezeichnet wird, bleibt unerfindlich, warum sich daraus eine Haftung der Beklagten ergeben sollte, wenn doch ein Sportveranstalter auf die typischen, für ihn erkennbaren Sicherheitsrisiken hinzuweisen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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