OGH 1Ob153/12z

OGH1Ob153/12z15.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG, Wien 10, Buchengasse 11-15, vertreten durch Gehmacher Hüttinger Hessenberger Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, wegen 7.324 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. Mai 2012, GZ 22 R 263/11x-31, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. April 2011, GZ 33 C 283/10b-20, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger beabsichtigte, in England ein Kraftfahrzeug anzukaufen, das er über das Internet ausfindig gemacht hatte. Zur Begleichung des Kaufpreises ließ er sich in zwei Tranchen insgesamt 7.050 EUR auf seinen eigenen Namen nach London überweisen. Zuzüglich der Bearbeitungsgebühren zahlte er zum Zwecke der Durchführung dieser Transaktion 7.324 EUR auf ein Konto mit der Postleitzahl 60.000, lautend auf „BAWAG P.S.K. Western Union“ ein. Über Aufforderung seines potentiellen Vertragspartners scannte er den Überweisungsbeleg sowie seinen Behindertenausweis ein und mailte diese Dokumente nach durchgeführter Transaktion an den vermeintlichen Verkäufer. Ermittlungen der Beklagten ergaben im Nachhinein, dass der vom Kläger überwiesene Betrag in London unter Präsentation eines falschen bzw verfälschten Reisepasses und der Angabe der korrekten MTCN (Money Transfer Control Number), des zu erwartenden Betrags und des Landes, aus welchem der Betrag kommen solle, von einer unbekannt gebliebenen Person behoben worden war.

Der Kläger begehrte von der Beklagten den Ersatz von 7.324 EUR. Der von ihm auf seinen Namen überwiesene Betrag sei zu Unrecht ausbezahlt worden, wobei sich die Beklagte das Verhalten von Mitarbeitern der Western Union anrechnen zu lassen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im zweiten Rechtsgang (vgl 1 Ob 257/11t) im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe die Behebung des auf seinen Namen überwiesenen Geldbetrags selbst verschuldet, indem er dem vermeintlichen Verkäufer die Sicherheitsmerkmale bekanntgegeben und diesem den Überweisungsbeleg sowie seinen Behindertenausweis gemailt habe.

Die Revision ließ das Berufungsgericht erst über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO zu, weil zu den wesentlichen Sicherheitsmerkmalen der gegenständlichen Geldtransfersendungen (MTCN; Kenntnis der Herkunft und der Höhe des erwartenden Überweisungsbetrags; Legitimation des Empfängers) keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Klärung der Frage, ob der Kläger die Auszahlung des Geldbetrags durch Western Union bzw einen Vertriebspartner in London selbst verschuldet hat und deshalb nicht berechtigt ist, von der Beklagten Ersatz zu verlangen, erfordert als Ermessensentscheidung die Beurteilung von dessen Sorglosigkeit und hängt damit maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, die einer beispielgebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs entgegenstehen (RIS-Justiz RS0042405). Damit bedeutet allein der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, auch noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhinge (RIS-Justiz RS0102181).

Die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung der Sorglosigkeit des Klägers (vgl RIS-Justiz RS0087606 [T10]) durch das Berufungsgericht ist vom Obersten Gerichtshof auch nicht zu korrigieren. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger dem vermeintlichen Verkäufer des Kraftfahrzeugs den eingescannten Überweisungsbeleg und seinen Behindertenausweis gemailt und diesem dadurch all jene Informationen in die Hand gegeben, die eine unbekannt gebliebene Person in die Lage versetzten, mit Hilfe eines gefälschten oder verfälschten Dokuments den vom Kläger auf seinen Namen überwiesenen Betrag zu beheben. Erst diese Handlung des Klägers ermöglichte damit die missbräuchliche Empfangnahme des Geldbetrags. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass der Kläger den durch seine Sorglosigkeit verursachten Schaden zur Gänze selbst zu tragen hat. Die Ausführungen des Klägers in seiner Revision, mit welchen er dieser Beurteilung entgegenzutreten trachtet, ignorieren beharrlich sein festgestelltes Verhalten im Zusammenhang mit der Preisgabe der Sicherheitsmerkmale und gehen insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Tatfragen können im Revisionsverfahren nur aufgegriffen werden, wenn sie von den Vorinstanzen in unrichtiger Anwendung der Verfahrensgesetze gelöst wurden (RIS-Justiz RS0042903 [T1]). Demgegenüber kann die Richtigkeit einer Tatsachenfeststellung vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden (RIS-Justiz RS0042903 [T5]). Eine solche spricht der Kläger aber an, wenn er in seiner Revision dem Berufungsgericht vorhält, dieses habe die Sachverhaltsrüge im Zusammenhang mit der Behebung des Überweisungsbetrags in London durch eine unbekannt gebliebene Person unrichtig beurteilt. Es gehört auch zum Bestandteil der Feststellungen des Erstgerichts, dass sich auf dem Überweisungsformblatt eine Warnung vor einem Verbraucherbetrug befunden hat. Der entsprechende Hinweis des Berufungsgerichts beruht damit auf gesicherter Tatbestandsgrundlage, der der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr entgegentreten kann.

Die Revision ist damit zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss noch einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und damit Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten für die Revisionsbeantwortung.

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