OGH 1Ob148/98s

OGH1Ob148/98s30.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Kurt Sch*****, 2. Waltraud Sch*****, und 3. Mag. Klaus Sch*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 81.358,20 s.A. und Feststellung (Streitwert S 96.000,- -), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 31. Oktober 1997, GZ 1 R 322/97s-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 6. August 1997, GZ 14 C 87/97m-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.754,38 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei veräußerte mit Kaufvertrag vom 9. 5. 1994 gemäß § 3 Abs 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung einer Bundesimmobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung und die Verfügung über bundeseigene Liegenschaften einschließlich Mietwohngebäuden (BIG-Gesetz, BGBl 1992/419 - in der Folge kurz BIG-G) eine in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft an die BIG-Liegenschaftsverwertungsgesellschaft mbH (in der Folge BIG-LV). Der Bundesminister für Finanzen setzte gemäß § 5 Abs 2 BIG-G den Hauptmietzins für eine von dem kraft Gesetzes begründeten Mietverhältnis zwischen der beklagten Partei als Verkäuferin und Mieterin und der BIG-LV als Käuferin und Vermieterin (§ 5 Abs1 BIG-G) im Obergeschoß des Hauses betroffene Wohnung mit monatlich S 603,80 fest. Diese Wohnung, die eine Nutzfläche von 115,69 m² aufweist, wurde schon vor dem Verkauf und wird auch seither von einem Bundesbediensteten genutzt. Mit Vertrag vom 31. 1. und 13. 2. 1996 verkaufte die BIG-LV ein aus dem Gutsbestand der Liegenschaft neu gebildetes Grundstück im Ausmaß von 984 m² samt dem darauf errichteten Zweifamilienhaus, in dem sich die erwähnte Wohnung befindet, je zu einem Drittel an die Kläger. Im Kaufvertrag stellten die Vertragsparteien fest, daß der Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Liegenschaft unter Abschlag von 30 % hievon ermittelt worden sei.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz ihres mit S 81.358,20 bezifferten Schadens und ferner die Feststellung, daß ihnen die beklagte Partei für alle künftigen Schäden, die ihnen aus der rechtswidrigen Festsetzung des Bestandzinses durch den Bundesminister für Finanzen erwüchsen, hafte. Sie brachten vor, dieser Bundesminister habe den monatlichen Hauptmietzins für die im Obergeschoß des Hauses gelegene und von einem Bundesbediensteten genutzte Wohnung unangemessen niedrig mit S 603,80 festgesetzt. Der angemessene monatliche Mietzins betrage unter Berücksichtigung der ausgezeichneten Wohnlage S 8.000,- -. Aus der Differenz der beiden Mietzinsbeträge ergebe sich der von den Klägern geltend gemachte Schaden. Sie hätten auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen, ihnen aus der zu geringen Mietzinsfestsetzung erwachsenden Schäden.

Die beklagte Partei wendete ein, den Klägern sei das Bestehen eines Mietverhältnisses und die Höhe des Bestandzinses beim Liegenschaftskauf bekannt gewesen; dennoch hätten sie vorbehaltlos den Kaufvertrag geschlossen. Ein Anspruch auf Abschluß eines Mietvertrags gemäß § 5 Abs 2 BIG-G bestehe ebensowenig wie ein Anspruch auf Erhöhung des vom Bundesminister für Finanzen festgesetzten Mietzinses. Der Zins sei weder rechtswidrig noch schuldhaft (zu niedrig) festgesetzt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich meinte es, der Bundesminister für Finanzen habe in Ausübung eines zivilrechtlichen Gestaltungsrechts - demnach in Ausübung der Privatwirtschaftsverwaltung - gehandelt. Die in § 5 Abs 2 BIG-G vorgesehene Festlegung des Mietzinses beziehe sich nur auf die nach § 5 Abs 1 BIG-G kraft Gesetzes begründeten Mietverhältnisse, nicht indes auf spätere Erwerbsvorgänge und Erwerber, die in diese Mietverhältnisse eingetreten seien. Die Kläger seien nicht vom Schutzzweck des § 5 Abs 2 BIG-G erfaßt, sodaß ihnen gegenüber eine schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB nicht vorliegen könne, selbst wenn der Hauptmietzins zu niedrig festgesetzt worden sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, der Bundesminister für Finanzen sei bei der in § 5 Abs 2 BIG-G vorgesehenen Festlegung des Hauptmietzinses im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig geworden. Die BIG-LV sei mit der Weiterveräußerung der mit Kaufvertrag vom 9. 5. 1994 um 600 Mio S erworbenen Liegenschaften betraut gewesen. Dem Wortlaut des § 5 Abs 2 BIG-G sei nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Festlegung der Hauptmietzinse durch den Bundesminister für Finanzen nur vorläufigen oder dauernden Charakter haben sollte. Mit der "rechtsgeschäftlichen Festlegung der Mietverhältnisse" könne nur die vertragliche Vereinbarung eines angemessenen und für den Vermieter kostendeckenden Mietzinses gemeint sein. Ob mit dieser Regelung eine "Verpflichtung der kraft Gesetzes zur Mieterin erklärten" beklagten Partei habe statuiert werden sollen, im Falle der Weiterveräußerung des Mietobjekts durch die BIG-LV mit dem in das Bestandverhältnis auf Vermieterseite eintretenden Erwerber jedenfalls eine vertragliche Festlegung des Mietzinses nach den Kriterien des § 5 Abs 2 BIG-G herbeizuführen, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Diese Frage müsse jedoch nicht geklärt werden, weil sich die Kläger ausschließlich auf eine schuldhafte rechtswidrige Vorgangsweise des Bundesministers für Finanzen bei Festlegung des Hauptmietzinses nach § 5 Abs 2 BIG-G berufen hätten. Der Sinn dieser Bestimmung liege nicht darin, den späteren Erwerber einer dem BIG-G zu unterstellenden Liegenschaft, der vom Bestehen eines Bestandverhältnisses Kenntnis hatte, vor wirtschaftlicher Übervorteilung zu schützen; den Kaufentschluß hätten die Kläger selbst zu verantworten. Ihrer Sphäre sei es zuzurechnen, wenn sie das Geschäft tätigten, ohne sich über die Höhe des monatlich geschuldeten Mietzinses zu vergewissern. Irrtum sei nicht geltend gemacht worden. Da § 5 Abs 2 BIG-G keine Norm zum Schutz späterer Erwerber im Sinne des § 1311 ABGB darstelle, könnten diese selbst bei einem - nicht festgestellten - schuldhaft rechtswidrigen Verhalten des zur Festlegung des Hauptmietzinses berufenen Organs daraus Schadenersatz nicht mit Erfolg geltend machen. Der Erwerber einer Liegenschaft müsse bei Kalkulierung des von ihm gebotenen Kaufpreises das Bestehen eines Mietverhältnisses berücksichtigen, worauf im übrigen der Abschlag im Ausmaß von 30 % des Verkehrswerts eindeutig hinweise.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zwar zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Da den Klägern - wie noch näher auszuführen sein wird - ein Anspruch gegen die beklagten Partei wegen der beanstandeten Festlegung des Hauptmietzinses für die von einem Bundesbediensteten genutzte Wohnung gemäß § 5 Abs 2 BIG-G angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts jedenfalls verwehrt bleibt, kann die Frage, ob die Festlegung des Hauptmietzinses durch den Bundesminister für Finanzen hoheitlich oder im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgte, auf sich beruhen, haben die Kläger doch ohnehin den Rechtsträger jenes Organs, dem sie ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten vorwerfen, in Anspruch genommen und verweist auch § 1 Abs 1 AHG auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Im übrigen ist der Auffassung der Vorinstanzen, daß der Bundesminister für Finanzen bei der Festlegung des Hauptmietzinses im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung handelt, beizutreten, schreibt doch § 5 Abs 2 BIG-G für die Festlegung keine auf die Hoheitsverwaltung hindeutende Rechtsform des Willensakts (Bescheid oder Verordnung) vor und ist bei der Abgrenzung zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung im Zweifel letztere anzunehmen (Schragel, AHG2 Rz 82 mwN).

Den Vorinstanzen ist auch darin beizupflichten, daß § 5 Abs 2 BIG-G kein Schutzgesetz zugunsten der Kläger als der späteren Erwerber der betroffenen Liegenschaft ist. Daran ändert auch die vom Bundesgesetzgeber mit dem BIG-G verfolgte Absicht nichts, Wohngebäude und Wohnungen des Bundes zur Beschaffung von Budgetmitteln zu veräußern: § 5 Abs 2 BIG-G verpflichtet den Bundesminister für Finanzen, bis zu einer rechtsgeschäftlichen Festlegung der Mietverhältnisse für die im Abs 1 angeführten Mietverhältnisse nach Maßgabe von Lage, Nutzung, Alter und Zustand der Bauten Hauptmietzinse festzulegen und dabei auf langfristige Kostendeckung für den Vermieter einschließlich einer dem eingesetzten Kapital angemessenen Rendite Bedacht zu nehmen. Da das Gesetz ausdrücklich auf das (kraft Gesetzes begründete) Mietverhältnis zwischen der gemäß § 1 Abs 1 BIG-G zu gründenden Gesellschaft mbH (der BIG-LV) als Erwerberin und Vermieterin und dem Bund als Veräußerer und Mieter Bezug nimmt, muß der Schutzzweck der Bestimmung wohl auch auf diese beschränkt bleiben, zumal sich jeder spätere Erwerber solcher Liegenschaften, für die der Bundesminister für Finanzen Hauptmietzinse festzulegen hat, beim beabsichtigten Kauf selbst vorsehen kann: Es ist seine Sache, die kraft Gesetzes zugunsten des Bundes begründeten Mietverhältnisse und insbesondere die Höhe des vom Bundesminister für Finanzen festgelegten Zinses zu prüfen und danach sein Verhalten bei den Vertragsverhandlungen einzurichten; ist er angesichts der bestehenden Bestandverhältnisse mit den Preisvorstellungen der Gesellschaft nicht einverstanden, liegt es an ihm, entweder einen für ihn günstigeren Preis auszuhandeln oder aber von dem beabsichtigten Erwerb Abstand zu nehmen, wenn die Gesellschaft auf dem von ihr geforderten Preis beharrt oder seinen Einwendungen dagegen bei den Verhandlungen nicht entsprechend Rechnung trägt.

Daß die Kläger die Liegenschaft dennoch - ohnehin um einen Kaufpreis, der deren um 30 % vermindertem Verkehrswert entspricht, - erwarben, beruht daher auf ihrem selbständigen, durch den angeblich haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß, sodaß sie ihre dadurch herbeigeführten Nachteile selbst zu verantworten haben (Larenz, Schuldrecht I14 450 f; SZ 67/55 mwN; RZ 1976/90 ua; zuletzt wieder 1 Ob 16/97b; vgl auch Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/77), waren sie doch nach den vorinstanzlichen Feststellungen in Kenntnis des Bestandverhältnisses, in das sie bei Erwerb der Liegenschaft gemäß § 1120 ABGB eingetreten sind. Die Folgen davon, daß sie über die Höhe des Bestandzinses für die sie beim Erwerb des Bestandobjekts belastenden Mietrechte der beklagten Partei keine ausreichenden Erhebungen anstellten (brachten sie doch selbst vor, die Höhe des Mietzinses sei nicht Gegenstand der Vertragsgespräche gewesen), haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Die Kläger haben in erster Instanz auch nicht vorgebracht, sie seien von der Verkäuferin über die näheren Umstände des Bestandverhältnisses in Irrtum geführt worden; soweit sie daher erstmals in der Revision vortragen, sie hätten - in Unkenntnis des festgelegten Mietzinses - berechtigterweise darauf vertrauen dürfen, daß der Mietzins entsprechend den im § 5 Abs 2 BIG-G angeführten Kriterien in angemessener Höhe festgelegt worden sei, sind diese Ausführungen als im Rechtsmittelverfahren nicht zulässige Neuerungen nicht weiter zu beachten (MietSlg 40.060 ua).

Der geltend gemachte Schadenersatz scheitert daher schon daran, daß die Kläger als spätere Erwerber einer vom BIG-G betroffenen Liegenschaft in den Schutzzweck des § 5 Abs 2 nicht einbezogen sind, aber auch an der Tatsache, daß der behauptete Nachteil auf einem selbständigen, durch den als haftungsbegründend bezeichneten Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß (der angeblichen geschädigten Kläger) beruht.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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