European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00134.20T.0722.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Gegenstand der Revision ist die Frage, ob Amtshaftungsansprüche daraus abgeleitet werden können, dass ein Organ der Justizwache („Nachtdienstkommandant“) bei der Nachbesprechung eines in einem Haftraum erfolgten Einsatzes, an dem neben ihm auch ein weiterer Justizwachebeamter (nachfolgend kurz „Wachbeamter“) beteiligt war, wissentlich wahrheitswidrig („um von gegen ihn gerichteten Vorhalten abzulenken“) angab, der Wachbeamte habe einem Häftling einen „nicht notwendigen“ Schlag ins Gesicht versetzt.
Die Klägerin hat dem Wachbeamten die Kosten seiner Verteidigung in dem gegen ihn – aufgrund der Angaben des Nachtdienstkommandanten – eingeleiteten und mit einem Freispruch beendeten Strafverfahren bezahlt und begehrt nun deren Ersatz von der Beklagten.
Das Berufungsgericht bestätigte die der Klage stattgebende Entscheidung des Erstgerichts und ging wie dieses davon aus, dass die vorsätzlich unrichtige Darstellung des Verhaltens des Wachbeamten in der Dienstbesprechung in einem hinreichenden inneren und äußeren Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich des Nachtdienstkommandanten (der deshalb wegen Verleumdung verurteilt wurde) stand.
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu klären ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RIS‑Justiz RS0049948; vgl auch RS0049897; RS0050075). Besteht ein solcher Zusammenhang mit der hoheitlichen Materie, schadet auch ein strafgesetzwidriges oder sonst deliktisches Handeln nicht (RS0103735 [T1]), selbst wenn es auf Vorsatz beruht (vgl etwa 1 Ob 208/12p: „Testamentsfälschungen“). Ein Organ kann auch dann in Vollziehung der Gesetze tätig sein, wenn es das Gegenteil dessen tut, was seine Dienstpflicht wäre (1 Ob 39/87 mwN). Allein der Missbrauch eines Amts zu eigennützigen, schikanösen oder strafbaren Zwecken oder eine Pflichtwidrigkeit aus rein persönlichen Beweggründen beseitigen den für das Handeln in Vollziehung der Gesetze maßgeblichen inneren Zusammenhang noch nicht (vgl RS0050113; RS0103735). Der Fachsenat hob in einigen Entscheidungen (etwa zu 1 Ob 35/95 mwN) auch hervor, dass dieser Zusammenhang nicht „eng“ beurteilt werden darf.
2. Die Teilnahme des Nachtdienstkommandanten an der „Nachbesprechung“ des Einsatzes zählt unzweifelhaft zu seinen hoheitlichen Aufgaben. Dass die dort wissentlich unrichtig erfolgte Darstellung des Verhaltens des Wachbeamten bei diesem Einsatz in keinem hinreichenden inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich einheitlich als hoheitlich zu beurteilenden (vgl RS0049948 [T4, T8]) hoheitlichen Tätigkeit stünde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Dem Argument der Beklagten, es habe gar keine Dienstpflicht zur „Meldung“ einer in Wahrheit nicht stattgefundenen Misshandlung eines Häftlings bestanden, ist entgegenzuhalten, dass es für die Zuordnung der verleumderischen Darstellung des Verhaltens des Wachbeamten zur hoheitlichen Tätigkeit des Nachtdienstkommandanten ausreicht, dass diese in einer Dienstbesprechung erfolgte und ein (zweifellos) dienstliches Thema betraf. Davon, dass die unrichtige Schilderung des Einsatzes in dieser Besprechung der „Privatsphäre“ des Organs zuzuordnen sei, kann keine Rede sein. Die konkret zu beurteilende Verleumdung des Wachbeamten hätte auch nicht „von jedem Dritten“ begangen werden können, beruhte doch sowohl die Teilnahme an der Dienstbesprechung als auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Verhaltens des Wachbeamten beim (jedenfalls hoheitlich erfolgten) Einsatz nur auf der Organstellung des Nachtdienstkommandanten, die unter anderem seine Verpflichtung nach sich zog, über den Ablauf des Einsatzes zu berichten.
3. Auch aus den in der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen des Fachsenats ergibt sich keine Korrekturbedürftigkeit der angefochtenen Entscheidung. Zu 1 Ob 204/74 wurde ein Amtshaftungsanspruch schon deshalb verneint, weil die schädigende Handlung (Verletzung eines Präsenzdieners durch Hantieren mit einer privaten Waffe durch einen Beamten der Heeresverwaltung) nicht im Dienst erfolgte. Der Entscheidung 1 Ob 15/82 lag der Fall zugrunde, dass Organe der Bundesgendarmerie anlässlich einer – als Dienst geltenden – Schisportveranstaltung einer gestürzten Schifahrerin Hilfe anbieten wollten und sie dabei schädigten. Der Oberste Gerichtshof sah die angebotene Hilfestellung als „Handlung des privaten Bereichs“ an, „die auch jeder Dritte, wäre er in einer vergleichbaren Lage wie das Organ, als Privatmann gesetzt haben könnte“. Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt deutlich. Zu 1 Ob 39/87 wurde – entgegen der Darstellung der Beklagten – ein äußerer und innerer Zusammenhang der schädigenden Organhandlung („Herumspielen“ mit einer Waffe durch einen Grundwehrdiener und irrtümliche Abgabe eines Schusses) ohnehin bejaht. Der Hinweis auf 1 Ob 208/12p geht schon deshalb ins Leere, weil der Fachsenat in dieser Entscheidung ausführte, dass eine Organhandlung nur zu verneinen wäre, wenn das dem Organ vorgeworfene Verhalten seiner Art nach erkennbar nicht zu seinem Vollzugsbereich gehören würde, wovon bei der hier zu beurteilenden (wissentlich unrichtigen) Darstellung des dienstlichen Verhaltens eines Kollegen in einer – gerade zu diesem Zweck abgehaltenen – Dienstbesprechung keine Rede sein kann. Die Revisionswerberin übersieht auch, dass in dieser Entscheidung ein ausreichender innerer Zusammenhang zwischen dem dort zu beurteilenden Fehlverhalten des Geschäftsstellenleiters eines Bezirksgerichts (Fälschung eines Testaments) und dessen hoheitlichem Aufgabenbereich bejaht wurde. Dass ein solcher Zusammenhang zwischen einer Testamentsfälschung und dem Aufgabenbereich eines Grundbuchsrechtspflegers verneint wurde (so auch 1 Ob 24/15h), vermag ebensowenig Bedenken an der Entscheidung des Berufungsgerichts zu wecken, wie der Hinweis auf die in der zuletztgenannten Entscheidung vertretene Rechtsansicht, wonach es mit dem (grundsätzlich nicht hoheitlichen) Aufgabenbereich eines Verlassenschaftskurators in keinem inneren Zusammenhang steht, wenn dieser anlässlich der Erfüllung des gerichtlichen Auftrags, in der Wohnung eines Verstorbenen nach einem Testament zu suchen, dieses an sich nimmt, damit es zur Testamentsfälschung verwendet werden kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 iVm 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung
auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen.
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