OGH 1Ob130/13v

OGH1Ob130/13v18.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. J***** O***** vertreten durch Dr. Johann Eder und Dr. Stefan Knaus, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde T*****, vertreten durch Bruckmüller Zeitler Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 40.155,84 EUR sA und Rente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2013, GZ 4 R 58/13x-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2013, GZ 31 Cg 40/12m-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der beklagten Stadtgemeinde als Beamter beschäftigt. Im Herbst 2005 wurden gegen ihn massive disziplinarrechtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit Bauprojekten erhoben. Aufgrund dieser Vorwürfe wurde er im Oktober 2005 von seiner Funktion als Abteilungsleiter enthoben. In den Folgejahren häuften sich seine Krankenstände. Der Beklagten war bekannt, dass psychische Probleme des Klägers Grund für die Krankenstände waren. Der Kläger fühlte sich spätestens ab Anfang 2006 gesundheitlich beeinträchtigt und begab sich im Frühjahr 2006 erstmals in psychiatrische Behandlung, die er seither laufend in Anspruch nimmt. Aufgrund seiner massiven Krankenstände (zB im Jahr 2008 200 Arbeitstage) wurde er im April 2009 aufgefordert, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit zu unterziehen. Nach dem Vorliegen des amtsärztlichen Gutachtens und einem Gespräch des Klägers mit Vertretern der Beklagten im Juni 2009, in dem die weitere Vorgangsweise offen angesprochen wurde, wurde er mit Bescheid vom 1. 7. 2009 wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Diesen Bescheid bekämpfte er im Instanzenzug. Zuletzt wies die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 20. 4. 2010 seine Vorstellung ab. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Der Kläger erhob in seiner am 2. 7. 2012 eingebrachten Amtshaftungsklage Ansprüche auf Verdienstentgang seit November 2009 (Wirkung der Versetzung in den Ruhestand) gegen die Beklagte. Die Dienstunfähigkeit, die zur Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand geführt habe, sei auf rechtswidriges Verhalten seines Vorgesetzten und eines Mitarbeiters in Form von Mobbing sowie die Ausübung von Druck und auf die Unterlassung durch den Bürgermeister sowie andere zuständige Organe, diese Konfliktsituation zu beseitigen, zurückzuführen. Dadurch habe die Beklagte ihre Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt. Ihm seien Aufgaben mutwillig entzogen worden, er sei am 14. 10. 2005 von der Funktion des Abteilungsleiters ohne Bescheid entbunden worden, außerdem sei ihm sachwidrig eine Bezugsvorrückung verweigert worden. Die krankmachende Situation sei den Vertretern der Beklagten zumindest seit 2007 bekannt gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die beklagte Dienstgeberin zu seinem Schutz eingreifen müssen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren insbesondere auch wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Nach § 6 Abs 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Für den Beginn des Fristenlaufs stellen die Verjährungsbestimmungen des AHG nicht auf das schädigende Ereignis und die Kenntnis des Schädigers, sondern auf die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und bei der dreijährigen Verjährungsfrist auf dessen Kenntnis ab. Die in § 6 Abs 1 AHG vorgesehene dreijährige Verjährungsfrist beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt zu laufen, mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber auch schon dann in Lauf gesetzt, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann oder ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch nicht zur Gänze eingetreten sind (1 Ob 183/11k mwN).

Im Fall wiederholter schädigender Handlungen, die jeweils den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung erfüllen und für sich Schadensursache sind, beginnt mit jeder Schädigung eine gesonderte Verjährung in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (stRsp RIS-Justiz RS0034536; vgl RS0050355; zuletzt 1 Ob 56/13m mwN). Ursache der Gesundheitsschädigung des Klägers sollen nach seinen Behauptungen Handlungen und Unterlassungen von Mitarbeitern und Vertretern der Beklagten im Zeitraum 2005 bis Juni 2008 gewesen sein. Als letztes Ereignis führt er an, dass ihm die Bezugsvorrückung im Hinblick auf das anhängige Disziplinarverfahren verwehrt worden sei. Jedenfalls nennt er keine konkreten Vorkommnisse im Jahr 2009.

Von der gesundheitlichen Beeinträchtigung wusste der Kläger seit Frühjahr 2006, befindet er sich doch seitdem in psychiatrischer Behandlung. Nach dem amtsärztlichen Gutachten, das dem Kläger spätestens in der Besprechung im Juni 2009 bekannt war, führte der Konflikt am Arbeitsplatz bei ihm zu einer depressiven Verstimmung bzw zu einem Burnout-Syndrom. Stellt der Geschädigte Beschwerden - wie hier die Gesundheitsschädigung - als Folge von Mobbing fest und kann er sie zuordnen, beginnt die Verjährungsfrist nicht erst mit der (förmlichen) Feststellung der Dienstunfähigkeit (vgl 1 Ob 59/01k; Schragel, AHG³ [2003] Rz 222). Sofern ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten vorläge, wäre die Gesundheitsschädigung bereits Grundlage für einen Schmerzengeldanspruch, den der Kläger im Wege der Amtshaftung durchsetzen könnte (vgl 7 Ob 202/11y). Beim Schmerzengeld handelt es sich um die Entschädigung für einen immateriellen Schaden (vgl RIS-Justiz RS0031407) und damit um einen ersatzfähigen Schaden im Sinn des AHG. Zwar machte der Kläger diesen Schmerzengeldanspruch nicht geltend, jedoch handelt es sich dabei um den durch das behauptete Mobbing ausgelösten Primärschaden.

Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen „gemäßigten Einheitstheorie“ beginnt die dreijährige Verjährungsfrist auch für künftige vorhersehbare Teil-(Folge-)Schäden mit dem Eintritt des ersten Schadens (Primärschadens) zu laufen (Nachweise bei Dehn in KBB³ § 1489 ABGB Rz 4). Primärschäden und Folgeschäden im Sinn der gemäßigten Einheitstheorie sind solche Schäden, die gemeinsam haben, dass sie Folge einer Rechtsgutverletzung sind, wie beispielsweise Schmerzengeld (Primärschaden) und künftiger Verdienstentgang als Folge einer Körperverletzung (1 Ob 56/13m). Der Primärschaden auf Schmerzengeld bestand aber jedenfalls bereits im Zeitpunkt der letzten behaupteten Mobbinghandlung im Jahr 2008. Beim begehrten Verdienstentgang, der Folge der bescheidmäßigen Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit infolge der psychischen Erkrankung ist, handelt es sich um einen ebenfalls aus der Gesundheitsbeeinträchtigung resultierenden (schon aufgrund des Ausmaßes der Krankenstände), voraussehbaren Schaden. Der Verjährung vorhersehbarer künftiger Schäden hätte der Kläger aber mit der Einbringung einer Feststellungsklage begegnen müssen (RIS-Justiz RS0050338; RS0087613).

Da die Definition des Eintritts des Versicherungsfalls im Schadenersatz-Rechtsschutz auf andere Kriterien abstellt (vgl dazu 7 Ob 202/11y = ecolex 2012/92, 213 [Ertl]) als die Verjährungsbestimmung des § 6 Abs 1 AHG, vermag der Kläger daraus für den Beginn der Verjährungsfrist nichts abzuleiten.

Es ist daher ein nicht korrekturbedürftiges Ergebnis ihrer rechtlichen Beurteilung, wenn die Vorinstanzen entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 2. 7. 2012 bereits abgelaufen gewesen sei.

Einer weiteren Begründung - speziell zu § 2 Abs 2 AHG - bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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