Spruch:
Beiden Revisionen wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 3. 7. 2002 eine Liegenschaft, welche eine vom restlichen Grundstück durch einen Zaun abgetrennte Zufahrtsstraße mitumfasst. An diese Liegenschaft grenzt ein Seegrundstück, welches in Badeplätze aufgeteilt ist, deren Pächter (neben anderen) die Drittbeklagte bzw „deren Familie", der Viertbeklagte, der Sechst-, Siebent und Achtbeklagte sowie ein Verein sind. Eigentümer des Seegrundstücks ist seit 1883 der auf Beklagtenseite beigetretene Nebenintervenient.
Der Kläger begehrte die Feststellung, die Beklagten seien nicht berechtigt, sich die Dienstbarkeit des Wege- bzw Zufahrtsrechts bzw ein aus der behaupteten Dienstbarkeit des Landes Salzburg abgeleitetes Wege- bzw Zufahrtsrecht dadurch anzumaßen, dass sie sein Grundstück betreten bzw befahren. Zugleich erhob er ein dementsprechendes Unterlassungsbegehren.
Die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers habe als dessen Rechtsvorgänger den Beklagten jeweils nur ein jährlich befristetes Recht zur Benützung des Zufahrtsweges und zum Abstellen ihrer Fahrzeuge eingeräumt und dieses an die Zahlung von Wegerhaltungsbeiträgen geknüpft. Dies habe auch der Kläger angeboten, doch hätten sich die Beklagten auf das Ersitzen einer Dienstbarkeit - durch das Land Salzburg als ihren Bestandgeber - berufen. Eine Ersitzung habe aber nicht stattgefunden. Im Übrigen habe der Kläger eine unbelastete Liegenschaft erworben und darauf vertrauen dürfen.
Die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers brachte ihrerseits vor, bereits 1951 gutgläubig lastenfreies Eigentum an der Liegenschaft des Klägers erworben zu haben. Jedenfalls habe sie aber durch das Aufstellen entsprechender Schilder und aufgrund des Umstands, dass sich die Pächter den geforderten Bedingungen unterworfen hätten, die Freiheit von einer allenfalls bestandenen Dienstbarkeit ersessen.
Die Beklagten wendeten ein, das seit zumindest etwa 80 Jahren ausgeübte Zugangs- und Zufahrtsrecht zu den Pachtgrundstücken stehe dem auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetretenen Nebenintervenienten als Liegenschaftseigentümer zu; dieser habe den Zufahrtsweg mit eigenem Besitzwillen gebraucht und den Gebrauch auch seinen Pächtern gestattet.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging - zusammengefasst - von folgenden Feststellungen aus:
Seit dem Jahr 1927 wurde die strittige Zufahrt von den Bestandnehmern und sonstigen Nutzern der Badeplätze begangen und mit dem Fahrrad benutzt. Auf dem Bestandobjekt eines Vereins wurde bereits 1930 das erste Badehaus errichtet. Das dafür und für den Bau der großen Ufermauer (im Jahr 1953) benötigte Material wurde - ebenso wie das Baumaterial für ein weiteres Badehaus - mit Pferdefuhrwerken über die Zufahrt antransportiert. Auch die Lebensmittelversorgung für die Benutzer der Badehütte des Vereins erfolgte seit jeher über diese Zufahrt. Beginnend mit den 1950er Jahren fuhren die Nutzer der Badeparzellen mit ihren Privatautos über den Zufahrtsweg und parkten die Fahrzeuge am Waldrand. „Vorreiter" war ein Bestandnehmer, der bereits 1951 ein Privatauto besaß; die Zweitbeklagte folgte im Jahr 1954, die Großmutter der Drittbeklagten im Jahr 1962, und der Achtbeklagte 1963. Da es in den frühen 1970er Jahren speziell an schönen Sommerwochenenden zu einem „wilden" Parken im Bereich der Zufahrt und des Umkehrplatzes kam, sah sich die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers als damalige Eigentümerin des Grundstücks veranlasst, in Absprache mit dem Eigentümer eines (anderen) angrenzenden Grundstücks eine Regelung herbeizuführen. Mit Schreiben vom 4. 1. 1974 teilten diese Nebenintervenienten und der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks allen Bestandnehmern mit, dass sie in den letzten Jahren ohne diesbezügliche rechtliche Verpflichtung das Zufahren und Parken der übrigen Anrainer und deren Gäste stillschweigend gestattet hätten, von diesem Entgegenkommen sei jedoch nicht immer ein sinnvoller Gebrauch gemacht worden. Aus diesem Grund werde in Zukunft das Parken nur mehr auf vom Fahrstreifen abgegrenzten Parkplätzen gestattet. Es solle auch ein Wendeplatz entstehen. Insgesamt könnten den Anrainern 13 Parkplätze zur Benützung angeboten werden; dies gegen Bezahlung von ATS 100 pro Parkplatz (jährlich) an den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks und ATS 100 (jährlich) für die Wegerhaltung an die Nebenintervenientin. Interessenten für solche Parkplätze wurden aufgefordert, schriftliche Ansuchen unter Verwendung eines übermittelten Vordrucks zu stellen. Dieser Vordruck hatte folgenden wesentlichen Inhalt:
„Betrifft: Parkplätze und Durchfahrtsmöglichkeit auf den Grundparzellen Nr ...
Unter Bezugnahme auf das do Schreiben vom 4. Jänner 1974 teile ich Ihnen mit, dass Interesse an der Zuteilung eines Parkplatzes besteht. Es wird daher gebeten, ... Parkplätze für mich zu reservieren. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich für die Parkplatzbereitstellung
1. an ... einen Betrag von S 100 ... und an ... einen Wegerhaltungskostenbeitrag von ebenfalls S 100 pro Parkplatz zu leisten habe;
2. für die Kettenabsperrung des mir am Beginn der Sommersaison zuzuweisenden Parkplatzes .... habe ich auf eigene Kosten zu sorgen ...;
3. ich nehme ferner zur Kenntnis, dass die Vergabe jeweils für eine Saison erfolgt und ich mein allfälliges Interesse an der Weitervergabe bis längstens 31. 10. eines jeden Jahres der oben angeführten Eigentümergemeinschaft bekannt zu geben habe."
Dieser Vorschlag wurde letztlich von allen interessierten Anrainern, die entsprechende Ansuchen stellten, akzeptiert, ohne das sich jemand auf eine ersessenes Recht berufen hätte. Die Vereinbarungen wurden nicht förmlich, sondern „automatisch" durch Überweisung der vereinbarten jährlichen Gebühr verlängert. Einzelne Anrainer zahlten den vereinbarten Betrag von ATS 100 pro Parkplatz nur im ersten Jahr (1974) an die Nebenintervenientin; der Großteil zahlte bis in die 1980er Jahre. Ein Teil der Interessenten bzw deren Rechtsnachfolger entrichtete bis zumindest einschließlich 2003 die Parkplatzgebühr an den Eigentümer des benachbarten Grundstücks, auf dem sich der Parkplatz (zum Teil) befindet. Das Land Salzburg war über die Vereinbarung aus dem Jahr 1974 nicht informiert und in diese Vereinbarung nicht eingebunden. Erst im Zuge des Prozesses wurde sie ihm bekannt.
Nach dem Kauf durch den Kläger benützten die Beklagten die Zufahrt und die Parkplätze unverändert . Ein Anbot des Klägers auf Erteilung befristeter Zufahrts- und/oder Parkbewilligungen gegen Leistung eines entsprechenden Wegerhaltungsbeitrages lehnten sie mit der Begründung ab, es bestehe eine offensichtliche Dienstbarkeit am strittigen Zufahrtsweg. Die Nebenintervenientin als Verkäuferin der Liegenschaft hatte die Gewährleistung dafür übernommen, dass keine außerbücherlichen Rechte Dritter am Kaufobjekt bestünden; dem Kläger wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass insbesondere aufgrund der seit dem Jahr 1974 abgeschlossenen, jährlich befristeten Vereinbarungen und der bezahlten Wegerhaltungsbeiträge kein Wegerecht ersessen worden sei.
Erstmals im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb durch den Kläger im Jahr 2002 befasste sich das Land Salzburg (in Person des Leiters der Abteilung Liegenschaften- und Hausverwaltung) mit der Frage der Ersitzung eines Geh- und Fahrrechts auf der streitgegenständlichen Zufahrt. Bis dahin kannten der zuständige Sachbearbeiter des Landes und dessen Vorgänger die Zufahrt nicht einmal, weil sie im Bedarfsfall entweder vom Strandbad aus oder aus Richtung Ortsmitte zu den Seeparzellen zugegangen waren. Die Erreichbarkeit der Pachtgrundstücke über den Zufahrtsweg war auch niemals ein „Thema" zwischen dem Land und den Bestandnehmern gewesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Besitzerwerb zwar auch durch eine Mittelsperson (hier: Bestandnehmer) erfolgen könne, doch sei zur Frage des Besitzwillens des Liegenschaftseigentümers auf dessen tatsächliche Kenntnis der Benützung fremden Grunds zum Zufahren oder zum Parken abzustellen. Maßgeblich sei, ob der Vertretene vom Zufahren bzw Parken gewusst und dies offensichtlich gebilligt habe. Dies sei aber erst 2003 der Fall gewesen. Dadurch habe dem Liegenschaftseigentümer kein Besitz „für die Vergangenheit" verschafft werden können, weshalb ein ersessenes Recht nicht vorliege.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach den Feststellungen habe das Land Salzburg erstmals im Jahr 2002 von der strittigen Zufahrtsmöglichkeit und deren Benützung durch die Pächter Kenntnis erlangt. Bis dahin habe es dem Land an dem für die Betätigung ihres Besitzwillens erforderlichen positiven Wissen von der Gebrauchsausübung durch die Pächter gefehlt. Bis zum Jahr 2002 sei der zunächst zu vermutende Besitzwille somit widerlegt. Die erstmalige Betätigung des Besitzwillens im Jahr 2002 könne dem Land Besitz nur (mehr) „ex nunc" verschaffen. Die Ersitzungszeit habe daher mangels Besitzwillens des Landes als Eigentümer des berechtigten Grundstückes nicht vor dem Jahr 2002 zu laufen begonnen. Die Beklagten könnten sich daher nicht mit Erfolg auf die Ersitzung eines Wegerechtes (durch das Land Salzburg) berufen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Beklagten und deren Nebenintervenientin. Die Rechtsmittel sind zulässig und berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
Die Bestandnehmer (sowie deren Mitglieder und Besucher) der Seeparzellen konnten als Besitzmittler für das Land Salzburg den für den Erwerb eines Wegerechts maßgeblichen Besitz ausüben (SZ 50/130; RIS-Justiz RS0034597), wobei der Besitzwille (des Landes) solange zu vermuten ist, als der Ersitzungsgegner nicht beweist, dass der Besitzwille - entgegen bestehendem Anschein - fehlte (Spielbüchler in Rummel, ABGB3, § 309 Rz 3). Da der Besitz die bloße Zugehörigkeit der Erscheinung einer Sache oder eines Rechts zu einem bestimmten Rechtssubjekt ist, genügt für die Besitzausübung das vom Eigentümer eines Grundstücks unwidersprochen bleibende Begehen und Befahren eines Zufahrtswegs mit dem ersichtlichen Willen, dadurch ein Wegerecht auszuüben. Entgegen früherer Rechtsprechung äußert beispielsweise eine Gemeinde ihren Besitzwillen schon dann, wenn die für jedermann ersichtliche Wegbenützung für die Gesamtheit der Gemeindeangehörigen von Vorteil ist, weil daraus auf den Besitzwillen der Gemeinde als Träger von gemeinschaftlichen Interessen geschlossen werden kann (SZ 59/50; 7 Ob 207/99p; 10 Ob 77/04b; RIS-Justiz RS0010120). Diese Aussage ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, ist doch die langjährige und ersichtliche Wegbenützung durch die Pächter der Badeparzellen offenkundig zu deren Vorteil, sodass einerseits die „Signalwirkung" dieser Wegenutzung für den Belasteten unübersehbar war und andererseits - bis zum Beweis des Gegenteils - einleuchtend ist, dass das Land als Träger der Interessen seiner Pächter einen durch diese vermittelten Besitz auch ausüben und erhalten wollte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beweis des Gegenteils vom Kläger bisher nicht erbracht worden. Allein der Umstand, dass die Ersitzung der Wegeservitut bis 2002 „kein Thema" war und die zuletzt tätig gewesenen leitenden Beamten der zuständigen Fachabteilung des Landes erst ab diesem Jahr in Kenntnis der Benützung der Zufahrtsstraße durch die Pächter gelangten, reicht zur Widerlegung der Vermutung des Besitzwillens des Landes nicht aus, wenn man bedenkt dass dieses seit 1883 Eigentümerin des Seegrundstücks war und Ersitzungshandlungen bereits seit 1927 gesetzt wurden.
Ausgehend von ihrem gegenteiligen Rechtsstandpunkt haben die Vorinstanzen aber entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen, sodass mit Aufhebung der Urteile und Zurückverweisung der Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz vorzugehen ist:
Vorerst sind zum Vorbringen, der Kläger habe das Grundstück infolge guten Glaubens lastenfrei erworben, ergänzende Feststellungen zu treffen. Bisher ist nur festgestellt, dass die Einverleibung erst nach Klagseinbringung erfolgte. Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, wäre aber erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts als auch des Ansuchens um Einverleibung die vom Grundbuchsstand etwaig abweichende wahre Sachlage unbekannt war (SZ 57/38; SZ 66/152; SZ 68/194; RIS-Justiz RS0034776; zum Inhalt des guten Glaubens M. Bydlinski in Rummel aaO § 1500 Rz 3).
Allenfalls sind weiters exakte Feststellungen zum Beginn und zum Verlauf der Ersitzungszeit unter Berücksichtigung der verhältnismäßigen Anrechnung infolge Eigentümerwechsels (§§ 1468, 1472 ABGB) sowie zum Umfang des - allenfalls - ersessenen Rechts zu treffen. Im Hinblick auf das Vorbringen, die Nebenintervenientin habe 1951 lastenfrei erworben, sind ferner Feststellungen nötig, ob zu diesem Zeitpunkt aufgrund der damaligen örtlichen und sonstigen Gegebenheiten die Ausübung der Benutzungshandlungen für den Erwerber nicht offenkundig war, sodass eine allenfalls laufende Ersitzung unterbrochen und die Besitzanrechnung gehindert worden (M. Bydlinski aaO, § 1470 Rz 2, § 1500 Rz 4, jeweils mwN).
Sollte von einer ungemessenen Wegedienstbarkeit auszugehen sein, werden allenfalls Feststellungen zu treffen sein, die eine Beurteilung erlauben, ob das Zufahren mit PKWs lediglich im Sinne einer Anpassung an die technische Fortentwicklung zu sehen ist, oder ob auf Grund der Beschaffenheit des Bodens und der Wegeanlage daraus eine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Grundstücks, also eine unzulässigen Erweiterung der Servitut resultierte (§ 484 ABGB).
Im Hinblick auf das Vorbringen, die Servitut sei - falls sie bereits 1974 bestanden haben sollte - infolge des Schreibens der Nebenintervenientin und des nachfolgenden Abschlusses von Vereinbarungen erloschen, wird zu beachten sein, dass jedenfalls das Recht, über die Zufahrt zu gehen, vom Schreiben der Nebenintervenientin nicht tangiert ist. Zum Vorbringen, der Abschluss der Vereinbarungen habe zur Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB geführt, ist bereits jetzt festzuhalten, dass sich aus den bisherigen Feststellungen sowie aus dem Urkundeninhalt weder ein Anerkenntnis oder ein Verzicht auf, noch ein Verbot eines (allfällig bestehenden) Wegerechts ableiten lässt, sondern lediglich das Streben erkennbar ist, die im Laufe der Zeit unzufriedenstellend gewordene Zufahrts- und Parksituation mittels einer Beschränkung auf dreizehn Fahrzeuge neu zu ordnen.
Aus den angeführten Gründen erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen als unumgänglich.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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