European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00050.14B.0409.000
Spruch:
Teils in Stattgebung, teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tuna A***** wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im diesen Angeklagten betreffenden Teil aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde wird Tuna A***** auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Duran B***** wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über dessen Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Duran B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung ‑ Duran B***** und Tuna A***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der Bestechung nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben Tuna A***** (zu B/II) vor dem 22. November 2011 und Duran B***** (zu C) vor dem 13. September 2011 mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien an ihrem Recht auf „Parkraumbewirtschaftung“ (ersichtlich gemeint: Einhebung der Parkometerabgabe) zu schädigen, den als Vertragsbediensteten der Stadt Wien für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO („Parkpickerl“) zuständigen Manuel H***** dazu bestimmt, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er unter Verwendung von Original‑Stanzmaschinen und Original-Rohlingen das gewünschte „Parkpickerl“ für zwei Jahre ohne entsprechenden förmlichen Antrag und ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen (etwa auch der Entrichtung der Parkometerabgabe) ausstellte, indem sie das Kennzeichen des Pkw, den gewünschten Gemeindebezirk und die Gültigkeitsdauer Mittelsmännern mitteilten, die diese Daten an Manuel H***** weiterleiteten;
(E) Duran B***** durch die zu (richtig:) C beschriebene Tat Rudolf Anton S***** dazu bestimmt, einem Amtsträger, nämlich Manuel H*****, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil zu gewähren, indem er bei Bestellung des „Parkpickerls“ 200 Euro übergab.
Eine Zuordnung dieser Schuldsprüche zu den einzelnen Punkten im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat das Erstgericht nicht vorgenommen (vgl 13 Os 105/13k; 13 Os 114/13h; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 272 f). Zum Tuna A***** betreffenden Schuldspruch wegen des Vergehens der Bestechung enthält das Urteils zwar Feststellungen (US 13 f und insbesondere 15), jedoch ‑ von diesem Angeklagten (aus Z 3) unbeanstandet ‑ kein zusammenfassendes Referat im Urteilstenor.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Duran B***** stützt sich auf Z 10a, jene des Tuna A***** auf Z 5, 5a. 8, 10 und 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Duran B*****:
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Anforderungen verfehlt das Rechtsmittelvorbringen, indem es unter dem Aspekt der Voraussetzung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) zwar auf den vom Erstgericht berücksichtigten Milderungsgrund der „Unbescholtenheit“ (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) hinweist, sich inhaltlich jedoch nicht mit dem vom Erstgericht (zu Recht) als erschwerend gewerteten Zusammentreffen von Missbrauch der Amtsgewalt und Bestechung auseinandersetzt.
Im Übrigen ist Diversion bei Konkurrenz von Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB) und Bestechung (§ 307 StGB) nach dem Wortlaut des § 198 Abs 3 StPO zwar nicht ausgeschlossen. Ein beide Tatbestände verwirklichendes Verhalten weist aber einen signifikant höheren Unrechts- und Schuldgehalt (als die Begehung von Missbrauch der Amtsgewalt allein) auf, weshalb in solchen Fällen diese Form der Verfahrensbeendigung in aller Regel nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0129834).
Diese Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Tuna A***** und der amtswegigen Maßnahme:
Zu Recht wendet die Mängelrüge offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Vorwurf der Bestechung (US 15) ein. Das Erstgericht stützt sich insoweit (ausschließlich) auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, die „voll umfassend reumütig geständig“ gewesen sei (US 16). In diesem Zusammenhang übersehen die Tatrichter (worauf sie an anderer Stelle jedoch hinweisen [vgl US 18]), dass die Anklage nur hinsichtlich anderer Angeklagter in Richtung Bestechung (§§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB) „modifiziert“ wurde (ON 63 S 121 ff). Zwar wurde der ‑ hievon nicht betroffene ‑ Beschwerdeführer auch dazu befragt, gab jedoch wörtlich an: „Ich habe das Geld weitergegeben, keine Ahnung, was mit dem Geld passiert. Ich habe mein Parkpickerl gehabt. Es war mir egal, es war mir aber klar, dass es eine linke Sache war“ (ON 63 S 131 ff). Ein die Feststellungen zum Vorwurf der Bestechung ‑ insbesondere auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite ‑ tragendes Geständnis ist in dieser Aussage nicht zu erblicken.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass das Urteil einen nicht geltend gemachten Rechtsfehler (Z 10) mangels Feststellungen zum Nachteil dieses Angeklagten aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Bei Missbrauch der Amtsgewalt handelt es sich um ein Sonderdelikt, dessen Unrecht im Sinn des § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB davon abhängt, dass der Beamte als Träger der „besonderen persönlichen Eigenschaften“ (Intraneus) in besonderer Weise ‑ nämlich durch (zumindest bedingt) vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis ‑ an der Tat mitwirkt. Gerade darauf muss sich das Wissen eines an der Tat beteiligten Extraneus (hier: des Bestimmungstäters) beziehen (RIS‑Justiz RS0108964). Dies bringen die Feststellungen nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu nämlich lediglich, Tuna A***** sei (bei der Bestimmungshandlung) klar gewesen, dass „er dadurch den regulären Weg zur Erlangung eines Parkpickerls umging und ein auf einer Originalstanzmaschine von einer für die Herstellung von Parkpickerl befugten Person hergestelltes Parkpickerl zu einem vergünstigten Preis unter Außer‑Acht‑lassen der von der Gemeinde Wien vorgeschriebenen Formalitäten und Gebühren erhielt. Es war ihm auch klar, dass es sich bei der ausstellenden Person um einen Beamten handelte“ (US 13 f).
Die aufgezeigten Mängel erfordern eine Aufhebung des Tuna A***** betreffenden Schuldspruchs bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Straf- und des Kostenausspruchs hinsichtlich dieses Angeklagten. Einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte es daher nicht.
Mit seiner Berufung war Tuna A***** auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.
Bleibt mit Blick auf den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass ‑ entgegen den Ansichten des Erstgerichts (vgl US 18) und des Beschwerdeführers ‑ der Vorwurf der Bestechung (nach Maßgabe des prozessualen Tatbegriffs [RIS‑Justiz RS0113142, RS0113754]) von der schriftlichen Anklage umfasst war. Diese legte nämlich (unter anderem) Tuna A***** zur Last, Manuel H***** (über Mittelsmänner) dazu bestimmt zu haben, dass er „gegen Bezahlung eines nicht den standardmäßigen Tarifen entsprechenden geringeren Betrages“ Parkkleber ohne die formellen und materiellen Voraussetzungen „herstellte und die solcherart eingehobenen Beträge nicht an die Gemeindekasse abführte sondern für private Zwecke verwendete“ (ON 20 S 3 ff). Dieses von der Anklagebehörde §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB subsumierte Verhalten kann ‑ bei Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen ‑ (idealkonkurrierend) auch den Tatbestand der Bestechung erfüllen.
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