European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0170OB00023.23S.0222.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Spruch:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 31 Abs 1 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren („EuInsVO 2015“) dahin auszulegen, dass unter Leistungen an den Schuldner, die an den Verwalter des Insolvenzverfahrens geleistet hätten werden müssen, im Sinn dieser Bestimmung auch solche Leistungen fallen, die aus einem Rechtsgeschäft, das der Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Übergang der Befugnisse auf den Verwalter abgeschlossen hat, resultieren?
Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird:
2. Ist Art 31 Abs 1 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren („EuInsVO 2015“) dahin auszulegen, dass als Ort der Leistung im Sinn dieser Bestimmung jener Ort anzusehen ist, von dem aus die Zahlung des Dritten durch Überweisung von einem dortigen Bankkonto erfolgt, auch wenn der Dritte nicht in diesem, sondern einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Leistung des Schuldners wiederum nicht dort, sondern über eine Zweigniederlassung des Dritten in einem weiteren Mitgliedstaat erfolgte, nämlich in jenem, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde?
II. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Begründung:
zu I.
A: Sachverhalt:
[1] Mit Beschluss vom 25. Mai 2022 zu AZ 17 S 56/22t eröffnete das Landesgericht Linz das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners A* A*. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung und des Insolvenzverwalters erfolgte noch am 25. Mai 2022.
[2] Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft niederländischen Rechts. Sie ist eine der führenden Gebrauchtwagenhändlerinnen in Europa und Mitglied einer europaweit agierenden Konzerngruppe, die in Österreich eine Zweigniederlassung betreibt. Mit dem im eigenen Namen am 2. Juni 2022 – also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – in dieser Zweigniederlassung der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag veräußerte der Schuldner der Beklagten einen Pkw um 48.870 EUR. Nach Übergabe des Fahrzeugs in Österreich überwies die Beklagte den Kaufpreis von einem Konto in Deutschland auf das vom Schuldner angegebene Konto in Österreich.
B: Prozessstand standpunkte der Parteien und bisheriges Verfahren:
[3] Der Kläger begehrte die Zahlung von 48.870 EUR an die Insolvenzmasse, weil der Kaufvertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner abgeschlossen worden sei. Das Fahrzeug sei im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Eigentum des Schuldners gestanden. Die Beklagte habe den Kaufpreis von 48.870 EUR auf das Konto einer dritten Person (Ex‑Lebensgefährtin des Schuldners) überwiesen. Die Beklagte habe das Fahrzeug in der Zwischenzeit an einen Dritten weiterveräußert, weshalb der Kläger Wertersatz an die Insolvenzmasse fordere.
[4] In der Tagsatzung vom 16. März 2023 dehnte der Kläger die Klage auf den Verkehrswert des Fahrzeugs von 62.261 EUR aus.
[5] Die Beklagte bestritt und brachte im Wesentlichen vor, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht im Eigentum des Schuldners gestanden und daher nicht Bestandteil der Insolvenzmasse gewesen sei. In Österreich betreibe sie lediglich eine Zweigniederlassung, sie sei in den Niederlanden registriert. Die Überweisung sei von der Beklagten – und nicht der österreichischen Zweigniederlassung – in Deutschland von einem deutschen Bankinstitut getätigt worden. Der einzige Inlandsbezug des streitgegenständlichen Kaufvertrags sei, dass dieser in Österreich unterschrieben und das Fahrzeug auch dort übergeben worden sei. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestehe nicht, weil aufgrund des Auslandsbezugs Art 31 EuInsVO anzuwenden sei. Die Beklagte könne nur in Anspruch genommen werden, wenn sie von der Insolvenzeröffnung gewusst hätte, was nicht der Fall gewesen sei.
[6] Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage im ursprünglichen Umfang statt. Das (ausgedehnte) Mehrbegehren von 13.391 EUR sA wies es (mittlerweile rechtskräftig) ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Konstellation nicht von Art 31 EuInsVO erfasst sei. Die Beklagte könne daher den Gutglaubensschutz nach dieser Bestimmung nicht in Anspruch nehmen.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, dass Art 31 EuInsVO aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht nur § 3 Abs 2 IO, sondern auch § 3 Abs 1 IO verdränge. Die Zahlung an den Insolvenzschuldner sei in Deutschland geprüft und von einem deutschen Konto veranlasst worden. Aus diesem Grund sei Art 31 EuInsVO anzuwenden. Es fehlten Feststellungen zum Wissen der Beklagten über die Insolvenzeröffnung, sodass eine abschließende Beurteilung noch nicht möglich sei.
[8] Der Rekurs des Klägers an den Obersten Gerichtshof strebt die Wiederherstellung des Ersturteils an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zum einen sei Art 31 EuInsVO nicht anzuwenden, weil die Bestimmung nur die schuldbefreiende Wirkung der Leistung regle und einen gültigen Vertrag voraussetze, der hier gemäß § 3 Abs 1 IO nicht vorliege. Zum anderen schütze die Norm nur das Vertrauen des Vertragspartners in den unveränderten Fortbestand der Rechtszuständigkeit, erfasse aber nicht Fälle, in denen (wie hier) der Vertragspartner erst nach Insolvenzeröffnung mit dem Schuldner kontrahiere. Auch habe die Beklagte die maßgebliche Leistung in Österreich erbracht, sodass kein Auslandsbezug im Sinn von Art 31 EuInsVO vorliege.
[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung die Zurückweisung des Rekurses; hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
C: Relevante Rechtsvorschriften:
Art 7 EuInsVO lautet:
(1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Verfahren eröffnet wird (im Folgenden „Staat der Verfahrenseröffnung“).
(2) Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere:
[...]
c) die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters;
[...]
m) welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. [...]
Art 31 EuInsVO lautet:
(1) Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, wird befreit, wenn i hm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war.
(2) Erfolgt die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung nach Art 28, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung nicht bekannt war. Erfolgt die Leistung nach der Bekanntmachung gemäß Art 28, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung bekannt war.
Im Erwägungsgrund 81 heißt es:
Es kann der Fall eintreten, dass einige der betroffenen Personen keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und gutgläubig im Widerspruch zu der neuen Sachlage handeln. Zum Schutz solcher Personen, die in Unkenntnis der ausländischen Verfahrenseröffnung eine Zahlung an den Schuldner statt an den ausländischen Verwalter leisten, sollte eine schuldbefreiende Wirkung der Leistung bzw. Zahlung vorgesehen werden.
§ 2 der österreichischen Insolvenzordnung (IO) lautet:
(1) Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt.
(2) Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen.
§ 3 der österreichischen Insolvenzordnung (IO) lautet:
(1) Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. Dem anderen Teil ist die Gegenleistung zurückzustellen, soweit sich die Masse durch sie bereichern würde.
(2) Durch Zahlung einer Schuld an den Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Verpflichtete nicht befreit, es sei denn, dass das Geleistete der Insolvenzmasse zugewendet worden ist oder dass dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bekannt war und dass die Unkenntnis nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (bekannt sein müsste).
D: Begründung der Vorlage:
Rechtliche Beurteilung
[10] 1.1. Nach den Verweisungsnormen des Art 7 Abs 2 lit c) und m) EuInsVO sind die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters sowie die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relative Unwirksamkeit von Rechtshandlungen, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zu beurteilen. Folglich bestimmen sich die Wirkungen der Rechtshandlungen und des Umfangs der Verfügungsbeschränkungen des Schuldners sowie die Zulässigkeit eines Gutglaubenserwerbs vom Schuldner nach der lex fori concursus, wobei aber insbesondere auch Art 31 EuInsVO zu beachten ist (Trenker in Koller/Lovrek/Spitzer IO2 [2022] Art 7 EuInsVO Rz 16; Maderbacher in Konecny, Insolvenzgesetze Art 7 EuInsVO 2015 [Stand 1. 9. 2018 rdb.at] Rz 38; Knof in Uhlenbruck, InsO16 [2023] Art 7 EuInsVO Rn 49, 102; Duursma‑Kepplinger in Duursma‑Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO [2002] Art 4 Rn 15).
[11] 2.1. Nach österreichischem Recht wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), der freien Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Nach § 3 Abs 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam.
[12] 2.2. Die Insolvenzeröffnung bringt eine doppelte Verfügungsbeschränkung für den Schuldner mit sich, nämlich eine tatsächliche mit der Übernahme der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter und eine rechtliche, unmittelbar mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretende, die sich in der relativen Unwirksamkeit der Rechtshandlungen des Schuldners äußert. Sie führt zu keiner allgemeinen Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Schuldners. Dieser bleibt vielmehr verpflichtungsfähig. Allerdings sind die Masse betreffende Rechtshandlungen des Schuldners den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (RS0063784, 17 Ob 6/21p). Das heißt, der Schuldner kann demnach auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechts- geschäftliche Verpflichtungen eingehen, es können aber daraus abgeleitete Forderungen bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht zu Lasten der Insolvenzmasse geltend gemacht werden (Kodek in Koller/Lovrek/Spitzer IO2 § 3 IO Rz 6).
[13] 2.3. Geht der Masse durch eine im Sinn des § 3 Abs 1 IO unwirksame Rechtshandlung des Schuldners eine Sache verloren, so kann diese zurückgefordert werden (17 Ob 12/21w). Kann der Erwerber die vom Schuldner erworbene Sache nicht mehr zurückstellen, weil er sie zB zufolge Weiterverkaufs nicht mehr besitzt, ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen, inwieweit der Erwerber einem Schadenersatz- oder Bereicherungsanspruch ausgesetzt ist (Schubert in Konecny, Insolvenzgesetze § 3 KO Rz 21).
[14] 2.4. § 3 Abs 1 IO, der die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners, die die Insolvenzmasse betreffen, normiert, sieht im Unterschied zu § 3 Abs 2 IO keine Einschränkung dieses Grundsatzes zugunsten des gutgläubigen Dritten vor, der vom Schuldner erwirbt, dem aber die Insolvenzeröffnung – ohne sein Verschulden – unbekannt geblieben ist.
[15] 2.5. § 3 Abs 2 IO regelt, dass der Drittschuldner durch Zahlung seiner Schuld an den Schuldner nicht befreit wird. Dies ist eine Ausprägung des Grundsatzes des § 3 Abs 1 IO, weil auch die Annahme einer Zahlung eine Rechtshandlung im Sinn des § 3 Abs 1 IO darstellt. Da dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse entzogen wird, fehlt auch die Empfangszuständigkeit für Leistungen aus Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören. Eine Ausnahme besteht dann, wenn das Geleistete der Insolvenzmasse zugewendet wurde oder aber dem Drittschuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne sein Verschulden unbekannt war.
[16] 3.1. Dagegen bezweckt Art 31 Abs 1 EuInsVO den Schutz des guten Glaubens eines Dritten, der in einem anderen Mitgliedstaat als jenem der Verfahrenseröffnung nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in Unkenntnis dieses Tatbestands eine Leistung an den Schuldner erbringt, obwohl er an den Verwalter hätte leisten müssen. Derartige Leistungen werden für schuldbefreiend erklärt (Klauser/Weber in Konecny, Insolvenzgesetze Art 31 EuInsVO 2015 [Stand 1. 9. 2018 rdb.at] Rz 1; Scholz‑Berger in Koller/Lovrek/Spitzer 2Art 31 EuInsVO Rz 1, Müller in Mankowski/Müller/J.Schmidt EuInsVO 2015 Art 31 EuInsVO Rn 2).
[17] 3.2. So wird vertreten, dass Art 31 EuInsVO voraussetzt, dass der Drittschuldner an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, was das Bestehen einer Forderung des Schuldners verlangt. Erfasst würden demnach nur Forderungen der Insolvenzmasse (vgl Klauser/Weber aaO Rz 7, Scholz‑Berger aaO Rz 4, Müller aaO Rn 10). Dies würde bedeuten, dass auf Leistungen des Dritten an den Schuldner, die aus einem relativ unwirksamen Rechtsgeschäft des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultieren, Art 31 Abs 1 EuInsVO nicht zur Anwendung gelänge, weil es sich nicht um Forderungen der Insolvenzmasse handelt und sie als solche auch nicht an den Verwalter geleistet werden müssten.
[18] Es könnte aber auch vertreten werden, dass sich aus dem Wortlaut des Art 31 Abs 1 EuInsVO allein, der allgemein nur von Leistung an den Schuldner spricht, nicht ableiten lässt, dass sich die Bestimmung nicht auch auf Leistungen beziehen will, die vom Drittschuldner in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit aufgrund eines unwirksamen Rechtsgeschäfts erfolgten.
[19] Die zur Vorgängerbestimmung des Art 24 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ergangene Entscheidung des EuGH, C‑251/12 , ist nicht einschlägig und bietet daher keinen weiteren Aufschluss. Ihr lag nämlich keine Leistung des Dritten an den Schuldner, sondern eine Zahlung im Auftrag des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen seiner Gläubiger zugrunde.
[20] 3.3. Sollte Art 31 Abs 1 EuInsVO somit dahin ausgelegt werden, dass auch derartige Leistungen in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen würden, würde sich die Frage nach dem Leistungsort stellen. Als Leistungsort wird jener Ort angesehen, an dem der Drittschuldner die Leistung tatsächlich erbracht hat. Die Aufgabe einer Geldüberweisung in einem anderen Mitgliedstaat wird dabei als ausreichend angesehen (Klauser/Weber aaO Rz 12; Scholz‑Berger aaO Rz 7; Müller aaO Rn 8).
[21] Die Beklagte betreibt in Österreich eine Zweigniederlassung. Darunter ist ein vom Sitz räumlich getrennter, mit eigener Organisationsfunkion ausgestatteter, wirtschaftlich selbständiger Geschäftsbetrieb zu verstehen. Die Zweigniederlassung verfügt über keine Rechtsfähigkeit; Träger der Rechte und Pflichten ist die ausländische Gesellschaft (6 Ob 40/19d).
[22] Fraglich ist, ob der Ort der Geldüberweisung auch dann als der Ort der Leistung gilt, wenn die in einem Mitgliedstaat ansässige Drittschuldnerin in dem Mitgliedstaat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ohnedies eine Zweigniederlassung im Sinn der obigen Ausführung betreibt, sie über diese das Rechtsgeschäft auch abwickelt und lediglich die Überweisung des Geldbetrags über ein Konto in einem weiteren Mitgliedstaat veranlasst, zu dem keine besondere Nahebeziehung besteht.
[23] III. Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens beim Obersten Gerichtshof bis zum Ergehen der Vorabentscheidung gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)