Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.105,78 EUR (darin 350,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Inhaberin folgender Marken:
a) österreichische Formmarke Nr 236.313 (Roter Koffer RAL 3020), in den Klassen 6 und 20 (Koffer für den Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche);
b) Gemeinschaftsformmarke Nr 3.424.661 (Roter Koffer RAL 3020), in den Klassen 7 (Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, insbesondere aus Metall oder Kunststoff); Abbildung zu a) und b):
c) österreichische Farbmarke Nr 236.314 (Farbmarke ROT RAL 3020), in den Klassen 6 und 20 (Koffer für den Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche) sowie 7 (Bohrhämmer für Profis in der Baubranche), mit folgendem Farbton:
Sämtliche Marken wurden auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert.
Die Zweit- bis Fünftbeklagten sind Fachhändler und vertreiben Produkte der Erstbeklagten, darunter auch Bohrhämmer, in roten Koffern. Es handelt sich um Systemkoffer, die sich in ihrer Innenausstattung entsprechend den darin befindlichen Werkzeugen unterscheiden; sie sind im Farbton etwas dunkler als die Farbe RAL 3020 und haben folgendes Aussehen:
(Abbildungen nur in Originalentscheidung ersichtlich.)
Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, den zweit- bis fünftbeklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, Koffer zusammen mit Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, dabei insbesondere zusammen mit der Typenbezeichnung PFH 22 QE Set, PFH 25 QEX Set, PPH 24 2E, PPH 26 XE, PLH 26 QE, PLH 26 QEX, PPH 30 X2E, PLH 30 QEX Set, PLH 32 QEX, PHE 40 SQ, PCE 3 Q, 950 K, 900 K, PD2E 20 R, T-TEC 201, PD2E 22 RS, PD2E 24 RS, PD2E 24 RST, SB2-35 D, LokTor P 12 TXC NiMH, LokTor P 14.4 TXC, LokTor P 18 TXC, V18 HX, V18 HX/0, V18 H, V18 H/0, V 18 PD, V 18 PD/0, V28 HX, V28 HX/0, V28 H, V28 H/0, V 28 PD, V 28 PD/0, insbesondere aus Metall oder Kunststoff, in dem Farbton Rot RAL 3020 gemäß der Gemeinschaftsmarke Nr 3.424.661 (Roter Koffer RAL 3020) und gemäß den beiden österreichischen Marken Nr 236.313 (Roter Koffer RAL 3020) und Nr 236.314 (Farbmarke Rot RAL 3020) oder in einer damit verwechselbar ähnlichen Ausgestaltung, insbesondere Koffer gemäß den zuvor wiedergegebenen Abbildungen, im gesamten Gebiet der Europäischen Union anzukündigen, zu verkaufen und/oder zu vertreiben.
Die Klägerin verwende ihre abstrakte Farbmarke ROT RAL 3020 seit rund 50 Jahren auf Firmengebäuden und in der Werbung, insbesondere auch auf den Koffern für ihre Profi-Bohrhämmer. Im Zusammenhang mit letzteren Produkten sei der Farbton außerordentlich stark bekannt. Die Zweit- bis Fünftbeklagten verwendeten im Inland die Marken der Klägerin oder zumindest verwechselbar ähnliche Zeichen ohne deren Zustimmung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Koffern für Bohrhämmer für Profis aus der Baubranche. Sie verletzten damit Markenrechte und griffen in eine gemäß § 9 Abs 3 UWG geschützte Ausstattung ein.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Marken der Klägerin seien auf Grund fehlerhafter Verkehrsgeltungsnachweise eingetragen worden. Der von der Klägerin „erfundene" Markt der „Profis in der Baubranche" reiche zum Nachweis einer allgemeinen Verkehrsgeltung nicht aus. Löschungsverfahren seien bereits anhängig, hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke sei eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit anhängig. Bei den im Sicherungsbegehren genannten Geräten handle es sich nicht nur um Bohrhämmer, sondern auch um (Schlag-)Bohrmaschinen bzw Bohrschrauber. Der Systemkoffer der Erstbeklagten weise charakteristische Gestaltungsmerkmale auf, die ihn in Farbe und Form deutlich von den Marken der Klägerin unterschieden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Farbton des Koffers der Erstbeklagten sei der Farbe RAL 3020 ähnlich, der Nachweis der Verkehrsgeltung für die Farbmarke beschränke sich jedoch auf eine Studie „Rot für Bohrhämmer", während zum Thema „Rot für Koffer für den Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche" kein Nachweis vorliege. Die Farbmarke sei deshalb wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht schutzfähig. In seiner Form weiche der deutlich strukturierte Koffer der Erstbeklagten von der Formmarke ab: Er weise einen schwarzen einklappbaren Griff an der Längsseite, zwei weitere an den Breitseiten auf und trage eine weiße Firmenaufschrift. Die Formmarke erwecke den Eindruck eines eleganten Aktenkoffers, der Koffer der Erstbeklagten wirke wie ein klobiger Baustein mit Griffen. Damit unterscheide sich der behauptete Eingriffsgegenstand nach seinem Gesamteindruck von der Formmarke.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Sicherungsantrag - in leicht modifizierter Form - stattgab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Marken der Klägerin seien auf Grund von Verkehrsgeltungsnachweisen eingetragen worden; eine ihnen obliegende Gegenbescheinigung fehlender Verkehrsgeltung hätten die im Sicherungsverfahren in Anspruch genommenen Beklagten nicht erbracht. Hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke bestehe im Sicherungsverfahren keine Möglichkeit, sich auf eine Nichtigkeitsklage zu berufen, sodass derzeit ein mangelhafter Verkehrsgeltungsnachweis gar nicht geltend gemacht werden könne. Die im Kern ähnliche Funktion von Bohrhämmern und Schlagbohrmaschinen bewirke die Gleichartigkeit der in den Koffern vertriebenen - auch optisch ähnlichen - Werkzeuge, sodass auch bei Schlagbohrmaschinen und Akkuschraubern Warenähnlichkeit vorliege. Mit dem Ausdruck „Bohrhämmer für Profis aus der Baubranche" werde die hohe Qualität der Geräte unterstrichen, nicht aber der Ausschluss eines weiteren Abnehmerkreises bei Verwendung oder Verkauf zum Ausdruck gebracht. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sei die Ähnlichkeit der vertriebenen Eingriffsgegenstände mit den Marken der Klägerin zu beurteilen; die Beschriftung sei nicht maßgebend. Vergleiche man bei flüchtiger getrennter Wahrnehmung allein die Marken der Klägerin mit den Koffern der Erstbeklagten ohne Rücksicht auf den Schriftzug, überwiege das gesamte Wahrnehmungsbild des rechteckigen Kastens, insbesondere durch das Hervortreten der Farbe, in der Wahrnehmung so sehr, dass trotz einzelner Unterschiede „Verwechslungsfähigkeit" bestehe. Die rechteckige Form der Marke sei durch die Abschrägung an der Längsseite beim Griff den Eingriffsgegenständen soweit angenähert, dass nicht bloß ein einfacher kantiger Koffer vorliege. Die eingetragene Marke sei auch nicht unstrukturiert, weil zusätzlich zu dieser Abschrägung links und rechts neben dem Griff Vertiefungen für die Verschlüsse als Struktur aufschienen. Wenn auch der Koffer der Erstbeklagten „höher strukturiert" sei und an der Breitseite einen weiteren schwarzen Verschluss aufweise, überwiege die Ähnlichkeit des Gesamteindrucks durch die Verschluss- und Grifffarbe Schwarz und der ähnlichen roten Farbe des Behältnisses, sodass ein flüchtiger Betrachter durchaus den Eindruck gewinnen könne, zwischen den Streitteilen bestehe ein Zusammenhang. Dem wäre durch abweichende Farbwahl leicht zu begegnen gewesen. Ein Markenrechtseingriff sei daher zu bejahen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Schutzfähigkeit der abstrakten Farbmarke unzutreffend beurteilt sowie seiner Prüfung der Verwechslungsgefahr eine von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abweichende Maßfigur zu Grunde gelegt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. Zum behaupteten Eingriff in die Farbmarke
1.1. Die Rechtsmittelwerberinnen machen geltend, die auf Grund eines Verkehrsgeltungsnachweises registrierte österreichische Farbmarke der Klägerin sei nicht schutzfähig; die zum Nachweis der Verkehrsgeltung vorgelegten Bescheinigungsmittel seien nämlich bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht ausreichend.
1.2. Die Schutzfähigkeit der in Frage stehenden österreichischen Marke ist vom Gericht als Vorfrage im Verletzungsstreit selbständig zu prüfen. Die Eintragung einer Marke im Markenregister begründet für die Zivilgerichte keine rechtliche Bindung (RIS-Justiz RS0066845 [T3]). Im Sicherungsverfahren ist eine Entkräftung der durch die Markenregistrierung begründeten Bescheinigung der Verkehrsgeltung durch Gegenbescheinigungsmittel des Antragsgegners grundsätzlich möglich (vgl RIS-Justiz RS0066660). Es ist als Vorfrage aber auch von Bedeutung, ob eine Marke, deren originäre Kennzeichnungskraft zu gering ist, infolge eines aus rechtlichen Gründen nicht ausreichenden Verkehrsgeltungsnachweises nicht eingetragen hätte werden dürfen.
1.3. Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung einen Hinweis auf einen bestimmten Rechtsträger, ein bestimmtes Unternehmen erblickt (RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k = SZ 2004/22 - Autobelehnung; 4 Ob 12/05a = ÖBl 2005, 269 - Vital Ressort; 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007/5 S 22 - Shopping City). Dass in der Rechtsprechung zwischen Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad differenziert wird (RIS-Justiz RS0078788), ändert nichts an diesem Grundsatz. Auch der Kennzeichnungsgrad gibt an, wie weit das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen und eine bestimmte Ware oder Leistung angesehen wird. Das Unternehmen selbst muss dabei nicht bekannt sein; es genügt, wenn an die Waren oder Leistungen des Zeichenträgers, nicht aber an diesen selbst gedacht wird (RIS-Justiz RS0079181, RS0078788). Dabei geht es aber immer um die Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen (4 Ob 26/92 = ÖBl 1992, 221 - Profi; 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007/5 - Shopping City).
1.4. Da Farben und Farbverbindungen zu den wichtigsten und gebräuchlichsten Werbemitteln gehören, nimmt die Rechtsprechung dafür ein bedeutendes Freihaltebedürfnis des Geschäftsverkehrs an. Dies gilt für den selbständigen Ausstattungsschutz (RIS-Justiz RS0078781) ebenso wie für den Markenschutz. Freihaltebedürfnis, Kennzeichnungskraft und Verkehrsgeltung stehen bei der Beurteilung in einer Wechselbeziehung: Je größer das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen (4 Ob 126/01k = ÖBl 2002, 20 - Das blaue Rohr, RIS-Justiz RS0078229 [T6]).
1.5. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, niedrig, da sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet. Die geringe Zahl der für das Publikum unterscheidbaren Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen als Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte. Ein derartiges Monopol wäre mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar. Daher ist nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, dass eine Farbe als solche unabhängig von ihrer Benutzung unterscheidungskräftig ist, etwa bei einem sehr spezifischen maßgeblichen Markt und einer sehr beschränkten Zahl der Waren oder Dienstleistungen. Die Verfügbarkeit der Farbe soll für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden (EuGH 6. 5. 2003, Rs C-104/01 - Libertel = ÖBl 2004, 228 [Gamerith] Rn 47 ff; weitere Nachweise bei Lange, Marken- und Kennzeichenrecht Rz 549; vgl auch Ströbele/Hacker/Kirschneck, Markengesetz8 § 8 Rz 163).
1.6. In seiner bisherigen Rechtsprechung zum Ausstattungsschutz hat der Oberste Gerichtshof eine Verkehrsdurchsetzung der Farben Blau-Weiß für Tankstellen einer bestimmten Benzinmarke bei einem Zuordnungsgrad von 85 % aller PKW-Besitzer in Österreich angenommen (4 Ob 335/73 = ÖBl 1974, 35 - Aral II) und die Verkehrsgeltung eines roten Sonderfarbtons für juristische Fachwerke bei einem Zuordnungsgrad von mehr als 90 % bejaht (4 Ob 28/97i = ÖBl 1997, 176 MANZ - Rot). Für die Farbe Blau mit einem den Farben Blau-Weiß und Rot vergleichbar großem Freihaltebedürfnis bei gleichfalls geringer Kennzeichnungskraft war ein Zuordnungsgrad von 65 % der angesprochenen Verkehrskreise zu einem bestimmten Unternehmen und dessen Produkten im Zusammenhang mit Wasserrohren nicht ausreichend, um eine Verkehrsgeltung zu Gunsten der dortigen Klägerin zu begründen (4 Ob 126/01k = ÖBl 2002, 20 - Das blaue Rohr).
1.7.1. Die konturlose Farbmarke der Klägerin ist (auch) registriert für „Koffer für den Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche". Sie wurde auf Grund des vorgelegten Verkehrsgeltungsnachweises Beil ./FF eingetragen. Diese Urkunde betrifft eine stichprobenartige Befragung von 347 Fachleuten in Bauunternehmen Österreichs, die mit der Anschaffung von Maschinen und Werkzeug befasst sind (S 1). Die Befragung ergab folgendes - unstrittiges - Ergebnis:
Die Frage lautete: „Kommt Ihnen diese Farbe hier in Zusammenhang mit Bohrhämmern bekannt vor, oder ist sie Ihnen ganz unbekannt?" (S 8). Die Frage nahm demnach auf Koffer keinen direkten Bezug. 82 % der befragten Verkehrsteilnehmer kam die gezeigte Farbe für Bohrhämmer bekannt vor (S 8); 51 % verbanden die Farbe mit einem ganz bestimmten Hersteller (S 12), davon 46 % mit der Klägerin (S 14). 58 % kannten die Farbe und machten von sich aus dazu spontane Bemerkungen zu einem einzigen Unternehmen, nämlich jenem der Klägerin (S 10).
1.7.2. Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung ist die konturlose Farbmarke der Klägerin für Werkzeugkoffer, wenn überhaupt, dann nur äußerst gering originär kennzeichnungskräftig, wird doch die Signalfarbe Rot im geschäftlichen Verkehr nahezu inflationär als dekoratives Element auch für Waren und deren Verpackung verwendet und damit (anders etwa als das „Post-Gelb", vgl 4 Ob 136/04k = ÖBl 2004/69 - Swiss Post) nicht in erster Linie als Herkunftshinweis verstanden.
Der nach dem bescheinigten Sachverhalt erzielte Zuordnungsgrad der Farbe zu einem einzigen Unternehmen von nur wenig mehr als der Hälfte der Befragten reicht nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung auch nicht aus, Kennzeichnungskraft infolge Verkehrsgeltung für die beanspruchte Farbe zu Gunsten der Klägerin annehmen zu können. Zu berücksichtigen ist dabei die häufige Verwendung der Farbe im Geschäftsverkehr und das damit verbundene allgemeine Interesse an der Verfügbarkeit dieser beliebten Farbe, das nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Erstbeklagte sämtliche von ihr verkauften Werkzeuge bestimmter Größe in einem einzigen roten Systemkoffer verpackt. Mangels Schutzfähigkeit der Farbmarke liegt somit kein Markeneingriff vor.
2. Zum behaupteten Eingriff in die Formmarke
2.1. Der von den Beklagten vertriebene Werkzeugkoffer verletzt die Rechte der Klägerin an der Formmarke, wenn zwischen der Warenausstattung der Beklagten und der Formmarke Verwechslungsgefahr besteht.
2.2. Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (RIS-Justiz RS0121500). Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr gelten bei Formmarken die gleichen Grundsätze wie bei anderen Marken (4 Ob 239/04g = SZ 2004/173 = ÖBl 2005, 125 - Goldhase, RIS-Justiz RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart (EuGH 22. 6. 1999, Rs C-342/97 Slg 1999, I-3819 = ÖBl 1999, 305 - Lloyd/Lloint's, Rn 26 mwN; 17 Ob 15/07s; vgl RIS-Justiz RS0117324).
2.3. Das Rekursgericht ist bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu Unrecht von der Maßfigur eines flüchtigen Betrachters ausgegangen und deshalb zum korrekturbedürftigen Ergebnis gelangt, Verwechslungsgefahr sei gegeben. Stellt man hingegen auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ab, so ist den Beklagten und dem Erstgericht zuzustimmen, dass die Warenausstattung der Beklagten - abgesehen von der sehr ähnlichen Farbe - ihrem Gesamteindruck nach nicht in den Ähnlichkeitsbereich der Formmarke der Klägerin fällt. So besitzt die Marke das Aussehen eines völlig unstrukturierten, eleganten Aktenkoffers, während der Werkzeugkoffer der Beklagten infolge seiner bausteinartig ausgeprägten Oberflächenstruktur, klobig wirkt. Zu berücksichtigen ist beim Ähnlichkeitsvergleich weiters der aus der Firma der Erstbeklagten bestehende markante weiße Schriftzug auf dem behaupteten Eingriffsgegenstand sowie dessen zwei auffällige schwarzen Griffe auf den beiden Schmalseiten; beide Elemente fehlen bei der Marke gänzlich. Diese Abweichungen fallen beim Ähnlichkeitsvergleich in der Wahrnehmung des Publikums deutlich ins Gewicht. Die Farbähnlichkeit muss infolge der - wie zuvor (Punkt 1.7.2.) dargestellt - originär höchstens äußerst geringen Kennzeichnungskraft der Farbe Rot für Werkzeugkoffer unberücksichtigt bleiben, wäre doch andernfalls schon jede Farbe auch ohne Verkehrsgeltung geschützt. Die Verwechslungsgefahr zwischen Warenaustattung und Formmarke ist deshalb zu verneinen. Damit ist weder der Tatbestand eines Markenrechtseingriffs noch jener des Missbrauchs einer gemäß § 9 Abs 3 UWG geschützten Ausstattung erfüllt, weil auch der Schutz nach diesem Tatbestand Verwechslungsgefahr voraussetzt.
3. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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