OGH 15Os49/21a

OGH15Os49/21a1.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Frisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen R***** M***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Februar 2021, GZ 38 Hv 126/20a‑38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Mag. Holzleithner, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Christopher Fink zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00049.21A.1201.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu II./3./, soweit er (auch) Taten vom 27. Februar 2006 und vom 31. Juli 2008 betrifft, in der rechtlichen Unterstellung der zu I./1./ und I./2./ beschriebenen Taten unter § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

R***** M***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe (auch) am 27. Februar 2006 und am 31. Juli 2008 im Internet über die auf dem PC HP Pavilion A8 installierten Internetbrowser Mozilla Firefox und Internet Explorer wissentlich auf pornographische Darstellungen Minderjähriger zugegriffen.

Er hat durch die ihm zu I./1./ und I./2./ zur Last liegenden Taten in einem Fall das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 und in einem weiteren Fall das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB in der geltenden Fassung begangen.

Er wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach (richtig:) § 207a Abs 3 erster Satz zweiter Fall StGB (ein Lichtbild zu II./1./), § 207a Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall (ein weiteres Lichtbild zu II./1./ und 97 Lichtbilder zu II./2./) sowie die (am 3. Juli 2015 und am 25. Juli 2015 begangenen) Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3a StGB (II./3./) unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 207 Abs 3 StGB idF BGBl I 1998/153 zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Strafteil von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 44 Abs 2 StGB wird die Rechtsfolge des § 20 Abs 2 Z 2 BDG 1979 für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** M***** „der“ (erkennbar: zweier [US 7 f, 15]) Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 (I./1./ und I./2./) sowie der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 „erster und zweiter Fall“ StGB (II./1./ und II./2./) und nach § 207a Abs 3a StGB (II./3./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 10. Jänner 1995 geborenen, sohin zu den Tatzeiten unmündigen ***** C***** vorgenommen, indem er sie

1./ „Ende 2006/Anfang 2007“ im Bereich der Schambehaarung und der Schamlippen streichelte sowie

2./ „ca 2007/2008“ im Bereich der Brüste, der Schambehaarung und der Schamlippen streichelte,

wobei diese Taten eine Anpassungsstörung (ICD‑10: F.43.22) mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung, sohin eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), zur Folge hatten;

II./1./ von Februar 1997 bis 18. September 2019 zwei Lichtbilder in Zeitschriften, enthaltend pornographische Darstellungen (US 9: reißerisch verzerrte Darstellungen der Genitalien oder der Schamgegend) „mündiger und unmündiger Minderjähriger“ (US 9: ein Lichtbild eines mündigen Mädchens und ein weiteres Lichtbild von mündigen und unmündigen Mädchen), besessen;

2./ von 27. Februar 2006 bis 18. September 2019 97 pornographische Darstellungen unmündiger Minderjähriger (US 10: reißerisch verzerrte Darstellungen der Genitalien oder der Schamgegend von unmündigen Minderjährigen sowie geschlechtliche Handlungen an und durch unmündige Minderjährige) besessen;

3./ am 27. Februar 2006, 31. Juli 2008, 3. Juli 2015 und 25. Juli 2015 im Internet über die auf dem PC HP Pavilion A8 installierten Internetbrowser Mozilla Firefox und Internet Explorer wissentlich auf pornographische Darstellungen Minderjähriger zugegriffen.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Allein gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt:

 

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines weiteren „psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass beim Opfer keine psychiatrische Alteration von Krankheitswert und keine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung vorgelegen hat“ (ON 37 S 19 f), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt, weil – wie der Schöffensenat zutreffend erkannte (ON 37 S 21 f; US 13) – die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gemäß § 127 Abs 3 StPO nur dann geboten ist, wenn sich die dort beschriebenen Mängel von Befund und Gutachten durch Befragung der bereits bestellten Sachverständigen nicht beseitigen lassen. Da aber der Angeklagte und sein Verteidiger die vom Gericht bestellte Expertin in der Hauptverhandlung mit sämtlichen aus ihrer Sicht offenen Fragen konfrontieren konnten und die Sachverständige zu allen aufgeworfenen Fragen auch (ausführlich) Stellung nahm (ON 37 S 12 bis 18), hätte es einer fundierten Darlegung im Antrag bedurft, weshalb die behaupteten Bedenken gegen das Gutachten nicht aufgeklärt wurden (vgl RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0102833&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T2]). Demgegenüber erschöpft sich das Antragsvorbringen (ON 37 S 19 f) im Wesentlichen in der bloßen Behauptung eines (weiterhin) vorliegenden Mangels iSd § 127 Abs 3 StPO, ohne dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ergänzungen und Erläuterungen der Sachverständigen erfolgte. Solcherart zielte der Antrag insgesamt bloß auf eine Überprüfung der Beurteilung der vorliegenden Expertise in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses und damit auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117263&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[5] Das vom Beweisantrag abweichende und diesen ergänzende – umfängliche – Vorbringen im Rechtsmittel ist prozessual verspätet und genauso unbeachtlich wie die im gegebenen Zusammenhang angestellten eigenständigen Beweiswerterwägungen und Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099618&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[6] Inwiefern die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte bei beiden Übergriffen in der Absicht handelte, an einer unmündigen Person eine geschlechtliche Handlung vorzunehmen (US 8), undeutlich (Z 5 erster Fall; RIS‑Justiz RS0117995) geblieben sein sollten, lässt die Mängelrüge nicht erkennen. Allein der Umstand, dass fallbezogen sogar – wiewohl der Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB auf der inneren Tatseite schon die Vorsatzform des dolus eventualis genügen ließe (vgl § 7 Abs 1 iVm § 5 Abs 1 StGB) – die Vorsatzform der Absichtlichkeit festgestellt wurde, macht die Urteilsaussagen zur subjektiven Tatseite weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall; zu den Intensitätsstufen beim Vorsatz vgl näher Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4 § 5 Rz 4, 6).

[7] Dem weiteren Vorbringen (Z 5 erster Fall) zuwider ist auch die Konstatierung, wonach der Angeklagte die inkriminierten Tathandlungen mit auf Herbeiführung einer „24 Tage übersteigenden Körperverletzung“ (US 8) gerichtetem Eventualvorsatz setzte, unter gebotener Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und des Erkenntnisses (vgl RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3], RS0099425), welche erkennbar – auch in Bezug auf die subjektive Tatseite – auf eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung (als schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB) Bezug nehmen (US 2, 7, 8, 12 f), keineswegs undeutlich.

[8] Der auf einen Erfolg iSd § 84 Abs 1 StGB bezogene – so konstatierte – Eventualvorsatz des Angeklagten (US 8) wurde von den Tatrichtern aus dem äußeren Geschehensablauf, der allgemeinen Lebenserfahrung und der „Intensität der Übergriffe zum Nachteil eines unmündigen Mädchens“ abgeleitet (US 12 f iVm US 6 f). Der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) zuwider ist ein Schluss vom äußeren Tatgeschehen auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882). Von einer „besonders hohen“ Intensität der Übergriffe wurde im Übrigen – der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung zuwider – gar nicht ausgegangen.

[9] Die weitere Kritik, das Gericht habe insoweit bloß die „verba legalia des [jeweiligen] Tatbestands“ angeführt (dSn Z 10), orientiert sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099810&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) nicht an der Gesamtheit der erwähnten Feststellungen (US 8 und 12 f iVm US 6 f), weshalb es in concreto auch nicht am gebotenen Sachverhaltsbezug mangelt (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0119090&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , RS0099620).

[10] Abgesehen davon betrifft die Frage einer (bedingt) vorsätzlichen Herbeiführung der Erfolgsqualifikation (§ 7 Abs 2 StGB) keine entscheidende Tatsache, weil diesbezüglich Fahrlässigkeit genügt. Die darauf bezogene subjektive Sorgfaltswidrigkeit ist im konkreten Fall – wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt – bereits durch die Begehung des Grunddelikts mitverwirklicht (RIS‑Justiz RS0089151, RS0089253). Das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht wie jedermann dazu in der Lage gewesen wäre, den durch das im Urteil beschriebene Verhalten eingetretenen Erfolg und den zu ihm führenden Kausalverlauf zu erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0088909), wurde auch gar nicht behauptet.

[11] Die anlässlich der Schilderung des Vorfalls vom 14. August 2019 (bei dem ***** C***** [den] Suizid ankündigte und mit dem Abstechen ihres ungeborenen Kindes drohte [vgl US 5 f]) getätigte Aussage des Zeugen Re***** M*****, wonach ***** C***** seinem Schlichtungsversuch mit der (ihm gegenüber geäußerten) Aufforderung, er solle „verschwinden“, begegnet sei und sie diese Direktive mit der Drohung unterstrichen habe, dass sie ansonsten behaupten würde, dass auch er (Re***** M*****) sie missbraucht hätte (Hv‑Protokoll ON 37 S 9), steht den beiden festgestellten (wiewohl maßgeblich auf die Angaben der Zeugin C***** gegründeten [US 11 f]) Tathandlungen nicht entgegen. Zwar wäre auch ein die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin ernsthaft in Frage stellender Umstand zu erörtern (vgl RIS‑Justiz RS0119422). Da die in Rede stehende Aussagepassage aber gerade keinen Anhaltspunkt für eine die Aussagen im Strafverfahren erschütternde (nämlich tatsächlich umgesetzte) Falschbezichtigungstendenz der Zeugin gibt (vgl RIS‑Justiz RS0120109), war sie entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) nicht gesondert erörterungsbedürftig (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0116877&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[12] Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet zunächst, die Konstatierungen des Erstgerichts zur Qualifikation nach § 207 Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 wären unzureichend, weil die „revolvierend gebrauchten“ Fachbegriffe „Anpassungsstörung“ und „psychische Belastungsreaktion“ ohne konkreten Sachverhaltsbezug geblieben seien.

[13] Weshalb aber die – in der Beschwerdeschrift sogar erwähnten – Urteilspassagen, wonach die inkriminierten Tathandlungen bei ***** C***** zu krankheitswertigen psychischen Beschwerden in Form von Angst und Depression führten und die solcherart bewirkte Belastungsreaktion (Anpassungsstörung) mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbunden war (US 6 f und 8), keine ausreichende Basis für die rechtliche Annahme einer schweren Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB sein und demgemäß eine Subsumtion unter die angeführte Qualifikation nicht zulassen sollten, legt die Beschwerde nicht dar (RIS‑Justiz RS0116569). Sie vernachlässigt jedenfalls, dass die von ihr ins Treffen geführte Entscheidung (11 Os 23/07b) das Urteil eines Geschworenengerichts betraf, welches – zufolge des Wegfalls der Verpflichtung der Geschworenen zu einer schriftlichen Begründung ihrer Entscheidung (vgl RIS‑Justiz RS0053697) – die entscheidende Tatsachengrundlage (allein) im Wahrspruch zu enthalten hatte (vgl RIS‑Justiz RS0120637). Welche über die oben dargestellten Feststellungen das Schöffengericht zur richtigen rechtlichen Beurteilung noch hätte treffen müssen, lässt die – insoweit nicht auf der Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe argumentierende (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0099810&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) – Rüge offen. Der Beschwerdehinweis darauf, dass – laut Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS‑Justiz RS0092798 [T2]) – der Begriff „posttraumatische Belastungsstörung“ für sich allein nicht einmal als Feststellung einer Schädigung an der Gesundheit ausreiche und daher umso weniger die (iSd § 207 Abs 3 erster Fall StGB qualifizierende) Tatfolge des Vorliegens einer schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB begründen könne, geht im Übrigen daran vorbei, dass fallaktuell das Verletzungsbild – wie dargelegt – ohnehin nicht mit dem Begriff der sogenannten „posttraumatischen Belastungsstörung“ umschrieben wurde, das Vorliegen einer solchen vielmehr ausdrücklich verneint wurde (US 6).

[14] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

 

[15] Im Recht ist allerdings die weitere Subsumtionsrüge (Z 10) zu  I./1./ und I./2./, welche die bloß einmalige Anlastung der Qualifikation nach § 207 Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 einfordert.

[16] Das Erstgericht erkannte den Angeklagten der (ersichtlich: zwei) Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 schuldig (US 2).

[17] Nach den relevanten Urteilsannahmen war jede der beiden inkriminierten Missbrauchshandlungen mitkausal für die bereits oben genannten, einer schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB zu unterstellenden Tatfolgen des (einzigen) Tatopfers (vgl erneut US 6 f und 8). Eine mehrfache Anlastung der Erfolgsqualifikation darf jedoch im Hinblick auf das Gebot der Vermeidung doppelter Bestrafung wegen desselben Erfolgsunwerts (materielle Subsidiarität) nicht erfolgen (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0120828&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[18] Der Angeklagte hat daher – worauf auch die Generalprokuratur zutreffend hinweist – durch die ihm zu I./1./ und I./2./ zur Last liegenden Taten richtigerweise nur ein nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 qualifiziertes Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und damit realkonkurrierend ein weiteres (nicht qualifiziertes) Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idgF (§ 61 zweiter Satz StGB; vgl 14 Os 108/19t) begangen.

[19] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten überzeugte sich der Oberste Gerichtshof überdies davon, dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) und dahervon Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[20] Der Tatbestand des § 207a Abs 3a StGB trat erst mit 1. Juni 2009 in Kraft (BGBl I 2009/40). Der wissentliche Zugriff auf pornographische Darstellungen Minderjähriger war demnach zu den Tatzeiten am 27. Februar 2006 und am 31. Juli 2008 (noch) straflos, sodass der Angeklagte vom Vorwurf dieser Taten gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen war.

[21] Bleibt weiters anzumerken, dass § 207a Abs 3 StGB zwei unterschiedliche Strafsätze normiert, die (jeweils) als alternatives Mischdelikt mit zwei rechtlich gleichwertigen Begehungsweisen ausgestaltet sind (dazu näher 11 Os 60/19m). Der erste Satz betrifft das Sich-Verschaffen und den Besitz pornographischer Darstellungen von mündigen Minderjährigen ([erster Satz] erster und zweiter Fall), der zweite Satzdas Sich‑Verschaffen und den Besitz von solchen Darstellungen von unmündigen Minderjährigen (dritter und vierter Fall [auch: zweiter Satz erster und zweiter Fall; vgl etwa 15 Os 78/21s]).

[22] Der zu II./1./ und II./2./ getroffene Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO (US 3), der Angeklagte habe dadurch „die Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB“ begangen, bringt im Gesamtkontext (US 2 f, 9 f, 14 f) erkennbar zum Ausdruck (zu Klarstellungen durch den Obersten Gerichtshof siehe Ratz, WK‑StPO, § 281 Rz 622 ff), dass damit Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach (richtig:) § 207a Abs 3 erster Satz zweiter Fall StGB (ein Lichtbild zu II./1./) und § 207a Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall (ein weiteres Lichtbild zu II./1./ und 97 Lichtbilder zu II./2./) gemeint sind.

[23] Zwar sind pornographische Darstellungen von (ausschließlich) mündigen Minderjährigen erst seit 1. Mai 2004 (BGBl I 2004/15) von § 207a StGB erfasst. Da der Angeklagte aber (auch) das eine zu II./1./ inkriminierte Lichtbild, das eine pornographische Darstellung (ausschließlich) einer mündigen Minderjährigen betrifft, bis zum 18. September 2019 besaß, sind im Ergebnis weder der insoweit erfolgte Schuldspruch noch die Subsumtion zu beanstanden. Der strafbare Besitz ist nämlich als Dauerdelikt aufzufassen, sodass bei zusammenhängenden Tatzeiträumen materiell wie prozessual nur eine Tat vorliegt und der bloß teilweise Wegfall des Tatzeitraums insoweit keine entscheidende Tatsache berührt (RIS‑Justiz RS0128941; zu § 207a StGB idF vor BGBl I 2004/15 und zum Günstigkeitsvergleich [§ 61 StGB] siehe instruktiv auch: 11 Os 60/19m und 11 Os 99/16t).

[24] Es war somit das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und wiedort sogleich in der Sache zu erkennen.

[25] Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung waren als erschwerend zu werten das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zahlreichen Vergehen sowie der lange Tatzeitraum zu II./1./ und II./2./ (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), als mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel bis zu den Taten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), das (Teil‑)Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), die Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und die lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB).

[26] In Anbetracht des anzuwendenden Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 207 Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153) und der angeführten Strafzumessungsgründe wäreeine Freiheitsstrafe von 27 Monaten dem Unrecht der Tat und der Schuld des Angeklagten angemessen.

[27] Zum Ausgleich der ab Kenntnis des Angeklagten von den gegen ihn wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen geführten Ermittlungen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens (insgesamt schon unverhältnismäßig) langen Verfahrensdauer (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124901; Grabenwarter/Pabel EMRK7 § 24 Rz 81 ff)waren drei Monate abzuziehen, sodass letztlich eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verhängen war.

[28] Unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit des Angeklagten, des langen Zurückliegens der Taten zu I./, des reumütigen Geständnisses zu II./ und des Umstands, dass sich der Angeklagte bereits seit einiger Zeit therapeutisch ua mit seinem Umgang mit Sexualtität auseinandersetzt, war davon auszugehen, dass der Vollzug eines Teils der Strafe genügen werde (§ 43a Abs 3 StGB), um ihn, aber auch andere von der Begehung strafbarer Handlungen insbesondere gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung von Minderjährigen abzuhalten.

[29] Die für die Gewährung der teilbedingten Strafnachsicht maßgebenden Erwägungen indizieren in gleicher Weise die bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des § 20 Abs 2 Z 2 BDG 1979 (Auflösung des Dienstverhältnisses bei Beamten des Ruhestandes). Schließlich stand die Delinquenz des Angeklagten in keinem Konnex zu dessen früherer Tätigkeit bei einem Finanzamt und war der Genannte in aller Regel auch nicht berufsmäßig in persönlichem Kontakt mit Minderjährigen.

[30] Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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