European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00037.23I.0629.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Straf- und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin K* N* gegen den Angeklagten und Antragsgegner * B*, (nunmehr) AZ 10 Hv 29/22w des Landesgerichts Steyr, verletzen
1./ das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 8. März 2022, GZ 17 Hv 1/22d-7, § 37 Abs 1 MedienG,
2./ das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Rechtsmittelgericht vom 9. August 2022, AZ 10 Bs 103/22a, § 37 Abs 1 MedienG und § 37 Abs 2 iVm § 36 Abs 1 MedienG sowie § 41 Abs 1 MedienG iVm § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 und § 199 StPO.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Linz wird im Umfang der Entscheidung über die Berufung der Privatanklägerin und Antragstellerin K* N* gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 8. März 2022, GZ 17 Hv 1/22d-7, aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zur neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht Linz verwiesen.
Gründe:
[1] In der Straf- und Medienrechtssache der Privatanklägerin und Antragstellerin K* N* gegen den Angeklagten und Antragsgegner * B*, (nunmehr) AZ 10 Hv 29/22w des Landesgerichts Steyr, wurde Letztgenannter mit Urteil dieses Gerichts vom 8. März 2022, GZ 17 Hv 1/22d-7, vom Vorwurf, „er hätte zum Nachteil von Frau K* N* am 10. 02. 2021 das Vergehen der üblen Nachrede dadurch begangen, dass er auf Facebook ein Posting mit dem Inhalt 'N*s Gattin arbeitet im H* FFP2 Unternehmen vom Gatten der Sekretärin des K* Uiii da wird Kohle geschefflt und das brave Volk glaubt es war für d´GSUNDHEIT' [teilte; US 2], wobei dieses Posting auch mit Emojis, und zwar durch ein Emoji mit erstaunten Augen, eines mit Dollar-Zeichen sowie ein Geldsack sowie mit Tränen lachenden Smileys versehen war“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Zugleich wurden auf diese Veröffentlichung bezogene Anträge auf Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG, auf Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 1 MedienG und auf Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG abgewiesen.
[2] Nach den erstrichterlichen Feststellungen teilte B* am 10. Februar 2021 auf seinem Facebook‑Account, den er nur für private Zwecke verwendete, einen von einer ihm unbekannten Person verfassten, auf Facebook veröffentlichten Beitrag, ohne dessen Inhalt genauer zu prüfen (US 2). Dieser Beitrag bestand aus folgendem Text: „N*s Gattin arbeitet im H* FFP2 Unternehmen vom Gatten der Sekretärin des K* Uiii da wird Kohle geschefflt und das brave Volk glaubt es war für d´GSUNDHEIT“, der mit mehreren Emojis versehen war, nämlich einem Smiley mit erstaunten Augen, einem Smiley mit Dollar-Zeichen in den Augen und einem Geldsack sowie drei Tränen lachenden Smileys (US 2).
[3] K* N* ist die Gattin des zum Zeitpunkt der inkriminierten Veröffentlichung amtierenden Bundesministers für Inneres * N*, MSc. Sie arbeitete nie bei der H* GmbH; sie hatte für die S* GmbH, eine PR-Agentur, gearbeitet, die auch für die H* GmbH tätig war (US 2).
[4] Das inkriminierte Posting war vom 10. Februar bis zum 15. Juli 2021 auf dem Facebook-Account des B* veröffentlicht; aufgrund eines Schreibens des Privatanklagevertreters vom 13. Juli 2021 löschte er spätestens am 16. Juli 2021 seinen gesamten Facebook‑Account (US 2 f).
[5] Das Erstgericht gelangte zu der Überzeugung, dass nicht festgestellt werden könne, ob der Inhalt des Facebook-Accounts des B* und somit die von ihm geteilten Beiträge nur für seine „Freunde“ auf Facebook oder für jeden Inhaber eines Facebook-Accounts ersichtlich waren (US 2, US 4).
[6] Hinsichtlich des Bedeutungsinhalts des inkriminierten Postings hielt das Erstgericht fest (US 3, US 5), dass weder durch die einzelnen Behauptungen noch durch den Inhalt des Beitrags in seiner Gesamtheit K* N* ein unehrenhaftes Verhalten, eine verächtliche Eigenschaft oder Gesinnung oder ein gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten vorgeworfen werde: Die Behauptung, sie arbeite im H* FFP2 Unternehmen, sei zwar falsch, jedoch nicht unehrenhaft. Der Inhalt „Uiii da wird Kohle geschefflt“ und „das brave Volk glaubt es war für d´GESUNDHEIT“ beziehe sich auf die H* FFP2; ein konkreter Bezug zur Privatanklägerin bestehe nicht. Ein Mitwirken der K* N* an einer Täuschung zwecks Bereicherung sei aus dem Beitrag nicht zu erschließen.
[7] In subjektiver Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der Angeklagte beim Teilen des Postings es „nicht ernstlich für möglich [hielt] und er […] sich auch nicht damit ab[fand], dass er die Privatanklägerin durch den von ihm am 10. 02. 2021 bis 15. 07. 2021 auf seinem Facebook-Account geteilten Beitrag in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, sie in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen“ (US 3).
[8] In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht im Wesentlichen darauf, dass der Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht erfüllt sei, weshalb ein Freispruch zu fällen und die Anträge auf Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG, auf Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 1 MedienG und auf Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG abzuweisen gewesen seien (US 5 ff).
[9] Dieses Urteil bekämpfte die Privatanklägerin und Antragstellerin mit Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 8), im Rahmen derer sie auch die Entscheidung über ihren Antrag nach § 37 Abs 1 MedienG kritisierte (ON 8 S 2, S 8).
[10] Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 9. August 2022, AZ 10 Bs 103/22a (ON 12), wurde I./ in nichtöffentlicher Sitzung der Berufung wegen Schuld Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landesgericht Steyr zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, und II./ beschlossen, dass der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG nicht Folge gegeben werde.
[11] Das Oberlandesgericht erachtete die gegen die Urteilsannahmen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Veröffentlichung und zu deren Verbreitung sowie gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite vorgebrachten Argumente der Schuldberufung als überzeugend (US 3 f).
[12] Hinsichtlich des Bedeutungsinhalts des Postings hielt das Berufungsgericht fest, dass entgegen der Ansicht des Erstgerichts ein Rezipient, der sich aus dem Kreis der an „Verschwörungstheorien“ im Zusammenhang mit der Covid‑19‑Pandemie sowie an der privaten Meinung des öffentlich weithin unbekannten Angeklagten interessierten Personen zusammensetzt, das Posting so verstehe, dass die Privatanklägerin bei der H* GmbH arbeite und daran mitwirke, dass rund um den Vertrieb von FFP2‑Masken „Geld gescheffelt“ und die Bevölkerung darüber getäuscht werde, dass es beim Vertrieb dieser Masken um die Gesundheit gehe. Dieser bereits durch den Text vermittelte Sinngehalt werde interpretativ durch die Abbildung entsprechender Emojis verstärkt. Unzweifelhaft werde durch die Aufmachung ein Bezug zur Privatanklägerin im Zusammenhang mit einer vermeintlich ungerechtfertigten Bereicherung zu Lasten der Allgemeinheit hergestellt, andernfalls sich die Namensnennung schlicht erübrigt hätte (US 4). Weiters hegte das Berufungsgericht in Hinblick darauf, dass es der Privatanklagevertretung zumindest im Juli 2021 möglich gewesen sei, den inkriminierten Beitrag einzusehen, Bedenken gegen die Urteilsannahme, wonach nicht festgestellt werden könne, ob der Facebook-Account des Angeklagten öffentlich einsehbar gewesen sei (US 3 f). Auch die Ausführungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite stufte das Berufungsgericht als nicht überzeugend ein (US 3).
[13] Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Linz habe das Erstgericht somit seine zum Freispruch und zur Abweisung des Antrags auf Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG führenden Überlegungen nicht überzeugend dargelegt. Vor dem Hintergrund, dass bei abweichender, sämtliche Tatbestandselemente des § 111 Abs 1 oder 2 StGB bejahender Würdigung ob der Unbescholtenheit des Angeklagten, seiner Verantwortungsübernahme und der bereits erfolgten Entschädigungszahlung an die Privatanklägerin in der Höhe von 1.000 Euro eine diversionelle Erledigung anzudenken sei, sei die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Davon werde auch die für § 6 Abs 1 MedienG relevante Frage erfasst, ob der objektive Tatbestand der üblen Nachrede in einem Medium begangen worden sei. Da sich die Entscheidung über die Urteilsveröffentlichung nach dem endgültigen Verfahrensergebnis richte, sei eine gänzliche Aufhebung des Ersturteils unumgänglich. Insofern sei der Berufung der Privatanklägerin gemäß „§§ 489 Abs 1, 469 StPO“ in nichtöffentlicher Sitzung stattzugeben, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
[14] Hinsichtlich der erstinstanzlichen Abweisung des Antrags nach § 37 Abs 1 MedienG hielt das Oberlandesgericht Linz fest, dass diese Entscheidung ungeachtet des Umstands, dass sie im Urteil ergangen sei, einen mit Beschwerde zu bekämpfenden Beschluss darstelle, versagte dem Rechtsmittel jedoch mit folgender Begründung den Erfolg (US 5):
[15] Ein Beschluss auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren sei unzulässig, wenn die Beschlagnahme angeordnet werde (§ 37 Abs 2 MedienG). Nach § 36 Abs 1 MedienG erfolge die Beschlagnahme (hier relevant) durch Anordnung der Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website. Fallkonkret sei der in Rede stehende Facebook‑Account vom Angeklagten noch vor Einbringung der Privatanklage bzw der medienrechtlichen Anträge gelöscht worden und damit de facto ein der Beschlagnahme (mehr als) entsprechender Zustand hergestellt worden. Eine vorläufige Sicherungsmaßnahme sei daher nicht erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
[16] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt, stehen die Urteile des Landesgerichts Steyr und des Oberlandesgerichts Linz als Rechtsmittelgericht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[17] 1./a./ Gemäß § 37 Abs 1 MedienG hat das Gericht (§ 41 Abs 2, Abs 3 erster Satz MedienG) auf Antrag des (hier:) Privatanklägers mit Beschluss die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen, wenn anzunehmen ist, dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist. Gegen diese Entscheidung steht die Beschwerde an das Oberlandesgericht zu (§ 37 Abs 3 iVm § 36 Abs 4 MedienG).
[18] Die Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG hat demnach stets mit gesondert anfechtbarem Beschluss zu ergehen (vgl auch § 41 Abs 1 MedienG iVm § 35 Abs 2 StPO; Rami in WK² MedienG § 37 Rz 7; Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 37 Rz 14).
[19] Indem das Landesgericht Steyr über den Antrag nach § 37 Abs 1 MedienG nicht mit gesondertem Beschluss entschieden, sondern seine abweisende Entscheidung in den Urteilsspruch aufgenommen hat, verletzte es § 37 Abs 1 MedienG.
[20] 1./b./ Voraussetzung für die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG ist (allein) die begründete Annahme (im Sinn einer einfachen Wahrscheinlichkeit), dass der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist (Rami in WK² MedienG § 37 Rz 13 ff). Ist diese Voraussetzung erfüllt, so darf der Antrag nur aus dem Grund des § 37 Abs 2 MedienG abgewiesen werden, wonach die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren unzulässig ist, wenn die Beschlagnahme (§ 36 MedienG) angeordnet wird.
[21] Eine Beschlagnahme in Form der Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website (§ 36 Abs 1 zweiter Fall MedienG) kann auf Antrag des Anklägers (§ 36 Abs 2 MedienG) angeordnet werden, wenn anzunehmen ist, dass auf Einziehung nach § 33 (oder § 33a) MedienG erkannt werden wird, und wenn die nachteiligen Folgen der Beschlagnahme nicht unverhältnismäßig schwerer wiegen als das Rechtsschutzinteresse, dem die Beschlagnahme dienen soll (§ 36 Abs 1 erster Satz MedienG). Der Umstand, dass die die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website bereits gelöscht wurden, hindert die Anordnung der Beschlagnahme (und den Ausspruch einer Einziehung im Urteil) nicht (vgl Rami in WK² MedienG § 36 Rz 9/2 iVm § 33 Rz 6; Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 36 Rz 14, § 33 Rz 10; RIS‑Justiz RS0132865). Insbesondere löst allein eine Beschlagnahme nach § 36 MedienG das – strafrechtlich sanktionierte – Veröffentlichungsverbot des § 38 MedienG aus (vgl Rami in WK² MedienG § 38 Rz 1/2, Rz 1/4 ff).
[22] Eine freiwillige Löschung der inkriminierten Stellen einer Website kann demnach einer gerichtlich angeordneten Beschlagnahme iSd § 36 MedienG nicht gleichgesetzt werden.
[23] Das Oberlandesgericht Linz ging davon aus, dass hinreichende Gründe für die Annahme der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der üblen Nachrede nach § 111 StGB als Medieninhaltsdelikt (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) durch B* vorliegen (Berufungsurteil S 3 f), und bejahte somit der Sache nach das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 MedienG.
[24] Ein Antrag auf Beschlagnahme iSd § 36 MedienG wurde von der Privatanklägerin nicht gestellt und eine Beschlagnahme folglich auch nicht angeordnet (vgl Ersturteil S 2, 7; Berufungsurteil S 5). Vielmehr hat B* (bloß) seinen Facebook-Account und somit das inkriminierte Posting über Aufforderung des Privatanklagevertreters vor Einbringung der Privatanklage und der medienrechtlichen Anträge gelöscht (Ersturteil S 2, 7; Berufungsurteil S 5).
[25] Die vom Oberlandesgericht Linz zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach diese (freiwillige) Löschung des Facebook-Accounts und damit des inkriminierten Postings einer Beschlagnahme iSd § 36 (Abs 1 zweiter Fall) MedienG gleichstehe und insofern mit Blick auf § 37 Abs 2 MedienG eine Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren nach § 37 Abs 1 MedienG nicht „erforderlich“ sei, ist – im Sinne obiger Ausführungen – verfehlt.
[26] Indem das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags nach § 37 Abs 1 MedienG – trotz inhaltlicher Bejahung der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 MedienG – mit der dargestellten Begründung nicht Folge gab, verletzte es § 37 Abs 1 MedienG und § 37 Abs 2 iVm § 36 Abs 1 MedienG.
[27] Dem Umstand, dass ein periodisches Medium (§ 1 Abs 1 Z 2 MedienG), somit etwa eine Website (§ 1 Abs 1 Z 5a lit b MedienG), in dem das Medieninhaltsdelikt begangen wurde, im Zeitpunkt der Anordnung einer Veröffentlichung nach § 37 Abs 1 MedienG nicht mehr besteht, trägt das Mediengesetz im Übrigen durch die Möglichkeit der Veröffentlichung der Mitteilung in einem anderen periodischen Medium Rechnung (vgl § 37 Abs 3 iVm § 34 Abs 5 erster Fall MedienG; Rami in WK² MedienG § 37 Rz 30).
[28] 2./a./ Diversion nach dem 11. Hauptstück der StPO (§§ 198 ff StPO) ist nur bei von Amts wegen zu verfolgenden Straftaten zulässig (Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.934; Schroll/Kert,WK-StPO § 198 Rz 5): Gemäß § 199 StPO hat das Gericht nach Einbringen der Anklage wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der §§ 198, 200 bis 209b sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
[29] In Privatanklageverfahren (vgl § 71 StPO) – fallbezogen – wegen eines in Form eines Medieninhaltsdelikts (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) begangenen Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB (§ 117 Abs 1 erster Satz StGB) kommt demnach eine diversionelle Verfahrensbeendigung durch das Gericht nicht in Betracht.
[30] 2./b./ Gemäß § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) kann das Oberlandesgericht der Berufung bei nichtöffentlicher Beratung stattgeben, das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Sache an das Erstgericht zurückweisen, wenn schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung feststeht, dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen oder nach dem 11. Hauptstück vorzugehen ist. Liegt keiner der Fälle des § 470 StPO vor, so hat das Oberlandesgericht gemäß § 489 Abs 1 iVm § 471 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anzuberaumen und bei diesem gemäß § 489 Abs 1 iVm § 474 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) in der Sache selbst – im Fall von Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen nach Beweiswiederholung (vgl § 473 StPO) – zu erkennen (vgl Ratz, WK-StPO § 476 Rz 7/1, § 473 Rz 8/1; 15 Os 156/17f EvBl 2018/55).
[31] 2./c./ Da – im Sinne obiger Ausführungen zu 2./a./ – in Privatanklageverfahren ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO ausgeschlossen ist, kommt in diesen Verfahren eine kassatorische Entscheidung des Berufungsgerichts aus dem Grund des § 470 Z 3 zweiter Fall StPO nicht in Betracht.
[32] Eine kassatorische Entscheidung gemäß § 470 Z 3 erster Fall StPO darf das Berufungsgericht, das schließlich selbst Tatsacheninstanz ist, nur dann treffen, wenn sich die Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen schon in nichtöffentlicher Sitzung ergibt (RIS-Justiz RS0101741; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 10.184; Ratz, WK‑StPO § 470 Rz 3). Dass in diesem Sinne weitere Beweisaufnahmen erforderlich wären, hat das Oberlandesgericht Linz jedoch nicht angenommen.
[33] Folglich wäre das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht gemäß § 489 Abs 1 iVm § 471 und § 474 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) verhalten gewesen, einen Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anzuberaumen und bei diesem in der Sache selbst zu erkennen.
[34] Indem das Oberlandesgericht Linz der Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld (allein) mit Blick auf die (vermeintliche) Möglichkeit eines diversionellen Vorgehens bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge gab, das Urteil aufhob und die Sache an das Erstgericht verwies, verletzte es § 41 Abs 1 MedienG iVm § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 und § 199 StPO.
[35] Die zu 1./ aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichen dem Angeklagten und Antragsgegner nicht zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG), sodass es mit deren Feststellung sein Bewenden zu haben hatte.
[36] Da eine nachteilige Wirkung der zu 2./ genannten Gesetzesverletzungen für den Angeklagten und Antragsgegner nicht ausgeschlossen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG).
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