Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungsausführung des gewählten Verteidigers werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Gerhard S***** sei auch wegen der zu Pkt II.1. des Urteilsatzes festgestellten Tatsachen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21 Abs 1 StGB) einzuweisen, aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 2. Mai 2001, Gerhard S***** auch deshalb in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes (§ 11 StGB) am 10. März 2000 in Stadl an der Mur die Gendarmeriebeamten BI Werner A*****, GJ Manfred M***** und VB/S Christian M***** dadurch, dass er diesen mit gespreizten Armen und Füssen die Ausgangstüre verstellte und sodann sein Fahrzeug blockierend auf dem Zufahrtsweg zu seinem Anwesen abstellte und erklärte, den Weg erst nach Rückgabe seines Führerscheines freizugeben, durch Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der auftragsgemäßen Hinterlegung seines Führerscheines bei der Bezirkshauptmannschaft Murau zu hindern versucht und auch hiedurch eine mit ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen habe, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre, abgewiesen.
Der (vom gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegeben Verteidiger als gesetzlichem Vertreter angemeldeten) Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Gerhard S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes (§ 11 StGB)
I. am 29. Dezember 1999 in Flattnitz, Gemeinde Glödnitz, Matthias K***** durch wiederholte Schläge mit der Faust gegen den Körper und in das Gesicht, wodurch dieser zu Boden stürzte, vorsätzlich am Körper verletzt hat, wobei die Tat neben leichten Verletzungen (Schädelprellung, Gesichtsschädelprellung, Hautabschürfungen, Hämatom im Bereich des linken Ohres) eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine schwere Schädigung des Gehörs infolge einer Trommelfellperforation links, verbunden mit Dauerfolgen, nämlich Schwerhörigkeit und Tinnitus, zur Folge hatte;
II. am 10. März 2000 in Stadl an der Mur nachgenannte Gendarmeriebeamte teils mit Gewalt, teils durch gefährliche Drohung an der auftragsgemäßen Hinterlegung seines Führerscheines bei der Bezirkshauptmannschaft Murau zu hindern versucht hat, und zwar:
1. die Gendarmeriebeamten BI Werner A*****, GI Manfred M***** und VB/S Christian M***** dadurch, dass er diesen mit gespreizten Armen und Füßen die Ausgangstüre verstellte und sodann sein Fahrzeug blockierend auf dem Zufahrtsweg zu seinem Anwesen abstellte und erklärte, den Weg erst nach Rückgabe seines Führerscheins frei zu geben;
2. durch die telefonische Äußerung gegenüber BI Werner A*****, er werde ohne Führerschein mit dem Auto fahren, aber jeden Gendarmen, welcher ihn zu kontrollieren bzw anzuhalten versuche, mit dem Auto überfahren.
III. nachstehende Personen mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:
1. am 29. Dezember 1999 in Flattnitz, Gemeinde Glödnitz, Matthias K***** durch die Äußerung, dass er ihn erschlagen werde;
2. am 11. Jänner 2001 in Murau sowie Stadl an der Mur a die Gendarmeriebeamten BI Werner A*****, GI Herbert B*****, GI Helmut B***** und RI Bruno D***** mit den Worten: "Ihr hattet Glück, dass ihr nicht in mein Haus eingedrungen seid, denn das hätte keiner von euch überlebt. Beim Öffnen der Eingangstüre wäre alles in die Luft geflogen. Ich habe Mittel, um euch auszuschalten. Ihr braucht nicht zu glauben, dass ich dazu nicht in der Lage bin. A***** mache ich sowieso unschädlich. Er hat heute sicherlich das letzte Mal Dienst gemacht;
b die Gendarmeriebeamten BI Werner A***** und GI Herbert B***** mit den Worten: "Den heutigen Tag werdet ihr nicht überleben. Ich weiß, wo du (A*****) wohnst, du Drecksau, ich hole dich und mach dich fertig. Euch beide werde ich nicht mehr oft sehen, weil ich euch beide abstechen werde".
Danach hat er hiedurch mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, zu I. als das Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs 1, 85 Z 1 StGB, zu II. als die Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und zu III. als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zuzurechnen gewesen wären.
Nachdem der Vorsitzende am 16. Oktober 2001 in öffentlicher Sitzung das Urteil samt dessen wesentlichen Gründen verkündet und den Betroffenen zugleich über die ihm zustehenden Rechtsmittel "ausführlich" belehrt hatte, meldete zunächst der dem Betroffenen gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebene Verteidiger Dr. Wolfgang Gewolf "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung" an, ohne einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO). Daraufhin erklärte der Betroffene, "dass er keine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung will" (S 275/II). Dessen ungeachtet führte er durch den inzwischen von ihm gewählten Verteidiger Dr. Rudolf Mayer "seine gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 16. 10. 2001, 19 Vr 989/00, ...... angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung aus" (ON 123).
Rechtliche Beurteilung
Diese waren jedoch als unzulässig zurückzuweisen. Denn mit seiner bestimmten und eindeutigen Erklärung, keine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erheben zu wollen, hat der Betroffene ausdrücklich, rechtswirksam und unwiderruflich auf die ihm persönlich zustehenden Rechtsmittel verzichtet (vgl Mayerhofer StPO4 § 285a E 29 ff, 35 f). Er war daher nicht mehr berechtigt, seine gegen das Urteil angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung durch den Wahlverteidiger Dr. Rudolf Mayer auszuführen. Anders läge der Fall, wenn der Wahlverteidiger als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen die vom beigegebenen Verteidiger seinerzeit angemeldeten Rechtsmittel - diesfalls auch gegen den Willen des Betroffenen - ausgeführt hätte (§ 431 Abs 2 und 3 StPO). Dies ist aber nach der eindeutigen Aktenlage vorliegend nicht geschehen, weshalb - weil dies der Vorsitzende entgegen den Vorschriften der §§ 285a, 285b Abs 1 StPO nicht getan hat - vom Obersten Gerichtshof sowohl die Nichtigkeitsbeschwerde als auch die Berufung des Betroffenen zufolge eines nach Rechtsmittelbelehrung zweifelsfrei erklärten Verzichts gemäß §§ 285a Z 1 dritter Fall, 294 Abs 4 dritter Fall StPO als unzulässig zurückzuweisen waren.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass das Strafgesetz zum Nachteil des Betroffenen insofern unrichtig angewendet wurde, als auch die zu Pkt II.1. festgestellten Tatsachen zur Begründung seiner Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher herangezogen wurden. Der dort umschriebene Sachverhalt ist nämlich mangels Anwendung von Gewalt durch den Betroffenen - somit schon aus objektiver Sicht - nicht tatbestandsmäßig im Sinne der §§ 15, 269 Abs 1 StGB. Hat doch Gerhard S***** gemäß dem Urteilsspruch (II.1.) und den korrespondierenden Feststellungen (US 10 f) lediglich passiven, aber keinen aktiven Widerstand (vgl dazu Leukauf/Steininger Komm3 RN 12b, Mayerhofer StGB5 Rz 5, Foregger/Fabrizy StGB7 Rz 4 und Danek in WK2 Rz 60 jeweils zu § 269 mwN) geleistet, indem er den einschreitenden Beamten zunächst mit gespreizten Armen und Füßen die Ausgangstüre verstellte und sodann sein Fahrzeug auf dem Zufahrtsweg zu seinem Anwesen derart hindernd abstellte, dass es nicht möglich war, dieses zu verlassen. Der hier aktuelle Fall ist mit dem in EvBl 1997/15 entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar, weil dort das Anhalten eines Verkehrsteilnehmers mittels eines auf der Straße quergestellten Pkw erzwungen worden ist (kritisch dazu Sautner, Die Gewalt bei der Nötigung [§ 105 StGB] in JBl 2001, S 361 ff).
Da somit das unter Pkt II.1. des Urteilsatzes festgestellte Verhalten des Betroffenen keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand erfüllt, hätte es nicht zur Begründung der Anstaltsunterbringung des Betroffenen herangezogen werden dürfen. Insoweit haben die Erkenntnisrichter daher - unbeschadet der Tatsache, dass ihm weitere einweisungsrelevante Taten zur Last liegen - ihre Einweisungsbefugnis überschritten (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO). Denn der im Urteilsspruch dekretierte Tatvorwurf kann von der auch darauf gestützten Sanktion nicht getrennt werden. Diese basiert aber - wie dargelegt - auch auf einer einweisungsuntauglichen Tat. Die dadurch bewirkte Urteilsnichtigkeit gereicht dem Betroffenen zum Nachteil (EvBl 1989/185; JBl 1991, 326; 15 Os 144/89, 13 Os 85/91, 15 Os 54/95).
Demzufolge war gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil im Ausspruch zu Pkt II.1. aufzuheben und der diesem zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen.
Wie bereits eingangs dargelegt wurde, meldete der dem Betroffenen gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebene Verteidiger, dem unter den gegebenen Umständen die Rechte des gesetzlichen Vertreters des Betroffenen zustanden (vgl § 431 Abs 3 iVm Abs 2), sogleich nach Urteilsverkündung Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Er unterließ es dabei jedoch, die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen (§ 285 Abs 1 StPO), insbesondere jene Tatumstände, welche einen der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe bilden sollen, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweisung anzuführen (§ 285a Z 2 StPO). Die Nichtigkeitsbeschwerde wäre daher gemäß § 285a iVm § 285b Abs 1 StPO schon vom Vorsitzenden zurückzuweisen gewesen. Zufolge unterbliebener Beschlussfassung in erster Instanz hat dies durch den Obersten Gerichtshof zu geschehen (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO).
Die vom gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger rechtzeitig angemeldete Berufung ist (im Zweifel) als in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen erhoben anzusehen. Sie bedurfte keiner Ausführung der Beschwerdegründe, weil unzweifelhaft erkennbar ist, dass sie sich nur gegen die Gefährlichkeitsprognose richtet (§ 294 Abs 2 StPO; Mayerhofer StPO4 E 3, Foregger/Fabrizy StPO8 Rz 1 beide zu § 433).
Sie ist jedoch unbegründet.
Das Tatgericht hat in einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau der erhobenen Beweise, insbesonders der für tauglich erachteten (§ 258 Abs 2 StPO) schriftlich erstatteten und mündlich erörterten Gutachten der beiden psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Erik Rumpl und Dr. Max Neumann einschließlich der in der Justizanstalt Josefstadt erstellten psychiatrischen Befunde vom 17. August und 15. Oktober 2001 sowie der Verantwortung des Betroffenen unter Verwertung des persönlichen Eindrucks für die negative Prognose tragfähige Prämissen festgestellt und auch sachgerecht begründet. Die in der Berufung nur selektiv - demnach ihrem Sinn entstellend - hervorgehobenen, teilweise auf spekulative Überlegungen gestützten, teilweise von eigenen Beweiswerterwägungen getragenen Umstände vernachlässigen nicht nur die Gesamtheit der Entscheidungsgründe, sondern vermögen diesen im Ergebnis auch nichts Entscheidungswesentliches entgegenzuhalten.
Somit musste der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Wenngleich der unter Pkt II.2. des Urteilsatzes festgestellte Sachverhalt auch für die Verwirklichung des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB sprechen könnte, wofür aber vom Erstgericht nach teilweiser Urteilsaufhebung entsprechende Konstatierungen zur subjektiven Tatseite nachgeholt werden müssten, tragen die dazu getroffenen erstgerichtlichen Feststellungen (US 11 zweiter Absatz) im Ergebnis die rechtliche Subsumtion nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB, weil die vom Betroffenen gegenüber Werner A***** telefonisch geäußerte Drohung, jeden Gendarmen, welcher ihn zu kontrollieren bzw anzuhalten versuche, mit dem Auto zu überfahren, mit dem Vorsatz erfolgte, A***** an der zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendeten Amtshandlung (Hinterlegung des abgenommenen Führerscheins bei der BH Murau) zu hindern. Aber selbst bei gegenteiliger Ansicht bestünde kein Anlass für eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO, weil die aktuelle Strafdrohung des § 269 Abs 1 StGB ebenso drei Jahre Freiheitsstrafe vorsieht wie jene des § 107 Abs 2 StGB.
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