OGH 15Os2/12a

OGH15Os2/12a28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz P***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 17. November 2011, GZ 603 Hv 3/10g-97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 3./ und 4./, das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen III./1./ und 2./, demzufolge im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie im Ausspruch über die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Franz P***** anklagekonform des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall, zweiter Satz StGB (I./), des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (II./) und der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 14. November 2009

I./ in W***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89) und unter Verwendung einer Waffe Helga L***** eine fremde bewegliche Sache, und zwar deren Fahrzeug der Marke Renault Megane, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abzunötigen versucht, indem er mit seiner Pistole auf sie zielte und ihr einen Bauchdurchschuss versetzte, wodurch diese eine Blutung in der Bauchhöhle, eine Beschädigung von Weichteilen im Bauchbereich sowie einen Durchschuss des queren Schenkels des Dickdarmes erlitt, somit schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1 StGB), wobei es aufgrund der Gegenwehr von Helga L***** und des Umstands, dass er den Fahrzeugschlüssel nicht finden konnte, beim Versuch geblieben ist;

II./ in W***** Helga L***** durch einen Kopfschuss mit einer Pistole getötet;

III./ an fremden Sachen ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht, indem er die nachstehend angeführten Häuser in Brand setzte, wodurch es jeweils zu einem ausgedehnten Brand kam, der sich mit gewöhnlichen Mitteln nur schwer beherrschen ließ, und zwar

1./ in W***** das im Eigentum der Wohnungsgenossenschaft G***** stehende Reihenhaus am *****;

2./ in R***** das im Eigentum von Inge S***** stehende Einfamilienhaus.

Die Geschworenen haben die jeweils anklagekonform gestellten Hauptfragen nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (1./), dem Verbrechen des (versuchten) schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall und zweiter Satz StGB (2./) sowie den Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (3./ und 4./) bejaht; die dazu jeweils gestellten Zusatzfragen I./ (zu den Hauptfragen 1./ und 2./), II./ (zur Hauptfrage 3./) und III./ (zur Hauptfrage 4./) nach Zurechnungsunfähigkeit wurden verneint. Eventualfragen nach dem Verbrechen des im Versuchsstadium verbliebenen schweren Raubes mit Todesfolge nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 letzter Fall StGB (C./), den Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (D./ und G./) sowie der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (A./, B./, C./, E./, F./, H./ und J./) blieben demgemäß unbeantwortet.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 8, 10a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5) wendet sich gegen das Unterbleiben einer Beschlussfassung über den Antrag auf Vornahme einer Magnetresonanztomographie, durch die beim Angeklagten das Vorliegen eines paraneoplastischen Syndroms oder von Elektrolytstörungen im Blut und damit dessen Zurechnungsunfähigkeit zu den Tatzeitpunkten hätte nachgewiesen werden sollen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen konnte diese Beweisaufnahme ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Der in der Hauptverhandlung vom 24. August 2011 gestellte Antrag (ON 84 S 27) legt mit der bloßen Bezugnahme auf vorangegangene - per se unbeachtliche (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310) - schriftliche Anträge (ON 67, 68 und 75), wonach es „möglich“ bzw „nicht auszuschließen“ sei, dass der Angeklagte neben dem bei ihm festgestellten Thymuskarzinom mit Metastasierung noch andere Tumore speziell im Schädelbereich (ON 67) bzw Krebszellen oder Metastasen im Gehirn (ON 68) aufweise, durch welche eine Persönlichkeitsveränderung mit Aggressionsdurchbrüchen entstehen könne und sohin mangelnde Diskretions- und Dispositionsfähigkeit vorliege, nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse und erweist sich daher als Versuch einer unzulässigen Erkundungsbeweisführung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Überdies wurde die Magnetresonanztomographie nicht - wie in der Verfahrensrüge behauptet - zum Nachweis eines paraneoplastischen Syndroms bzw von Elektrolytstörungen im Blut begehrt.

Soweit der Antrag auch auf den Nachweis eines paraneoplastischen Syndroms durch Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. R***** zielt, wurde dem inhaltlich durch das, in der (fortgesetzten) Hauptverhandlung am 17. November 2011 nach Verzicht auf die Vernehmung des genannten Sachverständigen (ON 96 S 21) mit Zustimmung der Parteien gemäß § 252 Abs 2a StPO zusammengefasst vorgetragene (ON 96 S 27) Gutachten ON 91 entsprochen, in dem der Experte ausführte, dass das Vorliegen von neurologischen paraneoplastischen Syndromen zum Zeitpunkt der angelasteten Tathandlungen ebenso auszuschließen sei wie eine Entgleisung des Elektrolytstoffwechsels, die zu einer Bewusstseinsveränderung Anlass gegeben hätte (ON 91 S 11).

In der Instruktionsrüge (Z 8) verweist der Beschwerdeführer zutreffend auf das Fehlen von Ausführungen zur subjektiven Tatseite der Brandstiftung in der Rechtsbelehrung. Dieser sind zwar Erläuterungen zu vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln im Allgemeinen zu entnehmen (Rechtsbelehrung S 2 f), in Ansehung des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB findet sich jedoch bloß der unzureichende Hinweis, dass eine Feuersbrunst „auch durch das Anzünden eines einzeln stehenden Hauses, das der Täter vernichten möchte“, herbeigeführt werden kann (Rechtsbelehrung S 19). Ausführungen, wonach es sich beim angelasteten Verbrechen um ein Vorsatzdelikt handelt und sich der (zumindest bedingte) Vorsatz auf die Verursachung einer Feuersbrunst, sohin auf einen in räumlicher Hinsicht ausgedehnten, dh nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkten, sondern sich weiter ausbreitenden, ausgedehnten und fremdes Eigentum im großen Ausmaß erfassenden Brand, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, beziehen muss (RIS-Justiz RS0094944 [T8]), fehlen hingegen zur Gänze.

Da die aufgezeigte Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zu Missverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf die die Hauptfragen 3./ und 4./ gerichtet sind, Anlass geben und damit ein Einfluss dieser irreführenden Instruktion (vgl 14 Os 24/08y) auf die Entscheidung der Geschworenen nicht ausgeschlossen werden kann (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 62), ist eine Aufhebung der Wahrsprüche zu den Hauptfragen 3./ und 4./ und der darauf beruhenden Schuldsprüche unumgänglich. Es erübrigt sich demgemäß ein Eingehen auf das weitere, sich ausschließlich gegen die genannten Schuldspruchpunkte bzw gegen den Einweisungsausspruch richtende Beschwerdevorbringen.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in dem im Spruch genannten Umfang aufzuheben und die Sache diesbezüglich zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§§ 285e, 344 StPO).

Im Übrigen war die die Schuldsprüche I./ und II./ betreffende Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.

Mit seiner gegen die Aussprüche über die Strafe und die Einweisung gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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