OGH 15Os156/11x

OGH15Os156/11x14.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer in der Strafsache gegen Roswitha B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. August 2011, GZ 111 Hv 49/11f-364, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roswitha B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien zu den strafbaren Handlungen der - bereits rechtskräftig verurteilten - Mirko C***** und Santiago Ca***** sowie des abgesondert verfolgten Maurizio Ch*****, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken Angestellten diverser Bankinstitute durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) unter Verwendung einer Waffe Bargeldbeträge, mit dem Vorsatz abgenötigt haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, beigetragen, und zwar

I. im Zeitraum von 23. Jänner 2008 bis 30. Jänner 2008 zum Banküberfall auf Angestellte der Ö***** AG Wien, bei welchem durch Vorhalten einer silbernen Pistole verbunden mit der Äußerung „Überfall, Geld her“ ein Bargeldbetrag von 98.250 Euro erbeutet wurde, indem sie die Gegebenheiten im Tatobjekt auskundschaftete und am 30. Jänner 2008 die unmittelbaren Täter mit einem von ihr gelenkten PKW zum Tatort führte sowie nach der Tat das Fluchtfahrzeug lenkte;

II. am 17. März 2008 zum Überfall auf Angestellte der B***** Wien, bei welchem unter Vorhalt einer Faustfeuerwaffe, verbunden mit der Äußerung, sie sollten keinen Fehler machen, man würde alles über sie wissen, die Bank sei ohnehin versichert, ein Bargeldbetrag von 430.000 Euro erbeutet wurde, indem sie - entsprechend vorheriger Vereinbarung mit den unmittelbaren Tätern (US 4) - nach der Tat das Fluchtfahrzeug lenkte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemeiner menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490).

Indem die Beschwerdeführerin aus einzelnen - im Übrigen nicht durch den Hinweis auf konkrete Aktenstellen bezeichneten (RIS-Justiz RS0124172) - Passagen aus den Zeugenaussagen anhand eigener Bewertung für sie günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, zielt sie jedoch bloß auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der von Z 5a erfassten Sonderfälle ab.

So gelingt es ihr weder mit Spekulationen über das - vom Erstgericht gar wohl in die Beweiswürdigung miteinbezogene (US 7) - wechselnde Aussageverhalten des Zeugen C***** und dessen mögliche Motivation hiefür noch mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zur - dem Einwand zuwider nicht übergangenen (vgl US 8) - Aussage des Zeugen Ca*****o erhebliche Bedenken an der Feststellung entscheidender Tatsachen zu wecken.

Gleiches gilt für die Kritik der Rüge an der Annahme des Erstgerichts, die Zeugen seien unter Druck gesetzt worden, sowie für den von ihr relevierten Umstand, dass die vom Zeugen C***** ebenfalls belastete Schwester der Angeklagten im Verfahren AZ 112 Hv 38/11w des Landesgerichts für Strafsachen Wien freigesprochen wurde.

Ob die Staatsanwaltschaft „im Verfahren immer wieder mit dem Amtsvermerk des Landespolizeikommandos Wien“ argumentiert habe, ist unter dem Gesichtspunkt der Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter irrelevant.

Ebenso wenig erfolgversprechend sind die Ausführungen zur Beweiskraft der Aussagen der Zeugen A***** und S*****, zumal sich das Erstgericht mit den divergierenden Angaben der im Verfahren auftretenden Zeugen ausdrücklich auseinandergesetzt hat (US 9 ff). Die Behauptung, bei dem in der Wohnung der Angeklagten aufgefundenen Geldbetrag handle es sich um Schadenersatzbeträge aus einem Verkehrsunfall, wurde im Urteil ohnehin berücksichtigt (US 12).

Schließlich blieb auch die Annahme des Erstgerichts, die Angeklagte habe die Verwendung einer Waffe bei den Raubüberfällen ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden (US 6), nicht unbegründet (der Sache nach Z 5 vierter Fall), sondern wurde mit dem Wissen der Zeugin aus „Erzählungen des C***** und auch aus Zeitungen“ begründet (US 13). Das Vorbringen, der Zeuge C***** habe nicht erklärt, dass „St***** oder B***** gewusst hätten, wie die Banküberfälle im Detail begangen worden (sind) bzw dass Waffen verwendet wurden“, macht der Sache nach eine Aktenwidrigkeit geltend (Z 5 fünfter Fall). Dabei verkennt die Beschwerde aber, dass das Erstgericht keineswegs auf einen konkreten Inhalt der Zeugenaussage Bezug nahm, sondern auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin davon aufgrund der gemeinsamen Planung der Raubüberfälle wissen musste (ON 219 S 7 f; vgl im Übrigen auch die Depositionen der Angeklagten vor der Polizei, von den Raubüberfällen zu wissen ON 107 S 19).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht seine Verfallsentscheidung irrtümlich auf § 20 StGB idgF statt auf § 20 StGB idF von BGBl I 2010/108 stützte (RIS-Justiz RS0119545; zum anzustellenden Günstigkeitsvergleich s 11 Os 83/11g = EvBl 2011/150). Mangels konkreten Nachteils für die Angeklagte sah sich der Oberste Gerichtshof jedoch nicht zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen, woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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