OGH 15Os148/18f

OGH15Os148/18f27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Walter F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 27. August 2018, GZ 13 Hv 56/18f‑93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00148.18F.0227.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (implizite) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter F***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen,

weil er in B***** und G***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer anhaltend wahnhaften Störung,

I./ Personen gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ am 31. Oktober 2017 die Landesbediensteten der Bezirkshauptmannschaft B***** Claudia J***** und Atifa S*****, indem er bezogen auf den sogenannten „Doppelmord in S*****“ darlegte, wie er „es“ (eine derartige Tat) machen würde, dass der „Beschuldigte“ (die wegen Doppelmordes gesuchte Person) sicher nicht psychisch krank sei, sondern die Behörden schuld daran seien, dass die Behörden diesen Mann zum Mord getrieben hätten und er selbst einen Mord zumindest so planen würde, und sodann äußerte: „Ihr braucht's euch net wundern, wenn euch so etwas (gemeint: ermordet zu werden) auch einmal passiert“, wobei er dies abschließend noch durch die Ankündigung: „Wir werden uns bald wiedersehen“ unterstrich, sowie

2./ am 8. Februar 2018 im Rahmen seiner Anhaltung im Landeskrankenhaus G*****, den Assistenzarzt Dr. Gerald M*****, den Oberarzt Dr. Karl Heinz R***** und weitere unbekannte Mitarbeiter der Station ***** des Landeskrankenhauses, indem er ein Tafelmesser drohend in Richtung der Ärzte erhob und sie sinngemäß mit dem Umbringen sowie damit bedrohte, dass sie „die Nächsten“ sein würden;

II./ am 16. November 2017 die Beamtin Monika S***** während der Vollziehung ihrer Aufgaben, nämlich der von der Staatsanwaltschaft L***** angeordneten Durchsuchung von dessen Wohnräumlichkeiten, vorsätzlich am Körper misshandelte und dadurch fahrlässig verletzte, indem er mit beiden Händen nach ihrer linken Hand, in welcher sie einen Schreibblock hielt, griff und, als sie versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, mit ihr „rangelte“, wodurch S***** am Handrücken der linken Hand zwei kleine Kratzer erlitt und ihr Zeigefinger eingezwickt wurde und in weiterer Folge leicht anschwoll,

mithin Taten begangen hat, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Mit der Kritik (Z 4) an der Abweisung der jeweils zum Beweis der Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen („dass er an keiner wahnhaften Störung leide“) gestellten Beweisanträge auf Vernehmung des (Psychiaters) Dr. So***** (ON 89 S 18), Verlesung dessen (von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen; vgl ON 13) Gutachtens und Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens (ON 89 S 19 und ON 92 S 10) wird die Nichtigkeitsbeschwerde – unzulässig – zum Nachteil des Betroffenen ausgeführt (RIS‑Justiz RS0124358, RS0126727).

Soweit dieser Antrag auch zum Beweis dafür gestellt wurde, dass der Betroffene „keine Gefahr für sich selbst und andere darstelle“ (ON 89 S 19) bzw dass „keine Tathandlungen im Sinne des § 21 StGB zu erwarten seien“ (ON 92 S 10), spricht er weder für die (Schuld- oder) Subsumtionsfrage relevante Umstände noch die Sanktionsbefugnisgrenze (Z 11 erster Fall iVm Z 4) an, sondern zielt vielmehr auf den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 1 StGB, der jedoch ausschließlich mit Berufung bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0114964).

Der Antrag auf „Ausforschung und Einvernahme der bei dem Anklagefaktum I./3./ angelasteten Tat anwesenden Pfleger des Landeskrankenhauses G***** zum Beweis dafür, dass der Betroffene keine drohende Körperhaltung oder verbale Äußerung getätigt habe“, wobei sich aus der Vernehmung dieser Zeugen vielmehr ergeben werde, dass „der Betroffene das Messer lediglich präsentierte und [sich damit] rechtfertigte, dass er es zum Speck schneiden benötige“ (ON 92 S 10 f), enthielt keine Angabe von Gründen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme – insbesondere im Hinblick auf die Aussagen der Zeugen Dr. M***** und Dr. R***** (ON 92 S 2 ff und 4 ff) – das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten ließe, und war somit auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS‑Justiz RS0118444), zielte er doch bloß auf Abklärung, ob von den genannten Zeugen eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu erwarten sei.

Soweit der Beschwerdeführer den abgewiesenen Beweisantrag auch zum Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 5a) macht, übersieht er, dass nach dieser Bestimmung relevante Mängel in der Sachverhaltsermittlung nicht solche Beweisanträge betreffen, die bereits in der Hauptverhandlung – zutreffend – abgewiesen wurden (RIS‑Justiz RS0108847 [T1]). In der Hauptverhandlung gestellte Anträge sind allein Gegenstand der Verfahrensrüge (Z 4; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 482).

Auch der weitere Beweisantrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass „aufgrund der geschilderten Handlungen der Insp. S***** sowie der Zeugen eine Verletzung [...] auf diese Art und Weise jedenfalls nicht durch den Betroffenen verursacht worden sei“ (ON 89 S 19), verfiel zu Recht der Abweisung, weil er gleichfalls nicht erkennen ließ, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das in den Blick genommene Ergebnis erwarten lasse (RIS‑Justiz RS0107040). Im Übrigen ist der genaue Ablauf des Kampfgeschehens, der zur– objektivierten (US 11 iVm ON 10 S 57 und 61) – Verletzung führte, für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht von Relevanz.

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite aus den objektiven Geschehensabläufen (US 11) vorliegend nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671). Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerde auf die in der Tat irrige Bezeichnung der Anlasstaten als „Schuldsprüche“ (im Rahmen der Beweiswürdigung; US 11) nichts zu ändern, stellen doch das Referat der entscheidenden Tatsachen und die Feststellungen (US 2 f, 9) klar, dass der Betroffene bei der Tatbegehung nicht schuldhaft gehandelt hat. Der genannte Fehler des Erstgerichts erweist sich mit Blick auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe erkennbar bloß als Redaktionsversehen (vgl Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 57).

Der eine Unvollständigkeit des Urteils behauptenden weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Schöffengericht mit der leugnenden Verantwortung des Betroffenen auseinandergesetzt (US 11). Dabei waren die Tatrichter – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen des Betroffenen im Einzelnen zu erörtern (RIS‑Justiz RS0098377). Ob der Betroffene – wie er ausführt – knapp 80 Jahre alt sei, bisher tadellos gelebt und niemals mit dem Gedanken gespielt habe, jemanden umzubringen, betrifft zudem keine erheblichen Umstände.

Ein Nichtigkeit begründender Widerspruch iSd Z 5 dritter Fall liegt nur dann vor, wenn zwei Aussagen nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungswerten als unvereinbar zu werten sind (RIS-Justiz RS0117402).

Zwischen dem Ausspruch, der Beschwerdeführer habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, eine Beamtin während der Vollziehung ihrer Aufgaben am Körper zu misshandeln und es sei für ihn nach seinen persönlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen, „dass BI S***** durch seine Gewaltanwendung eine Verletzung erleiden kann und wäre es ihm möglich gewesen, entsprechend dieser Einsicht zu handeln“ (US 7), und der weiteren Feststellung, der Betroffene habe zum Tatzeitpunkt unter einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand gelitten(US 12), besteht ein solcher Widerspruch– der Beschwerdebehauptung zuwider – nicht. Die Konstatierung eines entsprechenden Täterwillens ist vielmehr Voraussetzung (auch) der Anordnung einer Unterbringung im Sinn des § 21 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0090295; Ratz in WK2 StGB § 21Rz 14), weil der Vorsatz nach der Systematik des StGB auf der Tatbestandsebene angesiedelt ist (Reindl‑Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 1, 4).

Mit der Behauptung, die oben zitierte Feststellung (US 7) stehe in Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. W*****, wonach bei einer derart anhaltend wahnhaften Störung „keine Steuerungsfähigkeit mehr“ existiere (ON 92 S 8), wird keine Aktenwidrigkeit aufgezeigt. Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig (im Sinn eines „falschen Zitats“) wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).

Der Einwand (Z 9 lit a) fehlender Feststellung des Misshandlungsvorsatzes (zu II./) übergehtdie diesbezüglich explizit getroffene Urteilskonstatierung (US 7).

Mit der Kritik (Z 11), die vorbeugende Maßnahme sei zu Unrecht nicht bedingt nachgesehen worden, wird bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0100032 [T2]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (implizite; § 290 Abs 1 letzter Satz StPO) Berufung ergibt (§ 285i StPO).

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