OGH 15Os131/13y

OGH15Os131/13y13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Denis A***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 2013, GZ 114 Hv 147/12s-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Einziehungserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Favoriten verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Denis A***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A.I.1.b) und der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 StGB (A.I.2.) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (A.I.1.a), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (A.II.) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (B.) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz - in Wien

A./ Nikolaus K*****

I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter namens Selim sowie mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

1./

a.) Ende Juli 2012 ca 800 bis 900 Euro Bargeld weggenommen, indem er dieses aus dessen Laden und Schränken entnahm und einsteckte;

b.) am 31. Juli 2012 85 Euro Bargeld mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) abgenötigt, wobei er die Tat unter Verwendung einer Waffe verübte, „indem er eine Faustfeuerwaffe drohend zog, den Hahn spannte und sagte, er würde Nikolaus K***** erschießen, wenn ihm dieser nicht Geld aushändigte, wodurch ihm dieser das Geld gab“;

2.) am 1. August 2012 nach der zu Punkt I.1.b geschilderten Tathandlung durch gefährliche Drohung, nämlich „durch Mitführen der Faustfeuerwaffe in einer Herrentasche und weiteren Drohungen mit dem Erschießen zu einer Handlung, nämlich zur Behebung von 400 Euro von einem Geldautomaten und anschließender Übergabe an ihn genötigt, wobei er mit dem Tode drohte“;

II./ am 10. August 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem unbekannten Mittäter gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er einen Schraubenzieher nahm und damit vor ihm „herumfuchtelte“, während Selim Nikolaus K*****, Michael H*****, Marc St***** und Laszlo M***** mit den Worten bedrohte: „es werden 20 Leute wieder kommen und euch erschießen“.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich gegen den Schuldspruch A./ richtet sich die auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf neuerliche Ladung und Vernehmung der Zeugin Emina S***** (ON 79 S 22 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn angesichts des Umstands, dass die Zeugin mehrmals trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung (ON 59 S 56; ON 62) den Termin nicht eingehalten hat (ON 59 S 53; ON 63 S 5), sie zunächst im Verfahren AZ 53 Hv 173/12s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, dann auch im gegenständlichen Verfahren zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben (ON 76) und von der von ihr angegebenen Wohnadresse polizeilich abgemeldet worden war, hätte es zusätzlicher Informationen im Antrag bedurft, die die Durchführung dieser Beweisaufnahme ermöglichen (§ 55 Abs 1 StPO). Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Die finanzielle Situation des Zeugen K***** sowie die Frage seines allfälligen Suchtgiftkonsums waren, weil weder auf eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache gerichtet, nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall). Soweit die Mängelrüge die Angaben dieses Zeugen als teilweise widersprüchlich und als der Lebenserfahrung widersprechend qualifiziert oder sie als unverständlich bewertet, kritisiert sie nur die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld, ohne einen Begründungsmangel darstellen zu können. Gleiches gilt für die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen M***** ins Treffen geführten Argumente. Mit Diskrepanzen in deren Aussagen haben sich die Tatrichter im Übrigen auseinandergesetzt (US 13). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) schließlich wird keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Gegenstand der Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Diesen Kriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht, indem sie behauptet, das Vorhandensein eines Bargeldbetrags von 800 bis 900 Euro sei völlig unglaubwürdig, der Aussage des Zeugen K***** zur Barbehebung beim Bankomaten fehle es an Überzeugungskraft und die Feststellungen zum Einsatz einer Faustfeuerwaffe (A.I.1.b) seien nicht durch ein Beweisergebnis gestützt. Welcher weiteren Konstatierungen zur Verwendung der Waffe es über die ohnehin getroffenen (US 8; „... zeigte diese [die Waffe] drohend und demonstrativ, zog sie aus dem Hosenbund heraus und spannte den Abzugshahn, wobei beide Männer K***** aufforderten, ihnen Bargeld auszufolgen“) bedurft hätte, vermag die Beschwerde nicht anzugeben.

Soweit der Beschwerdeführer abschließend behauptet, es lägen aktenkundige Beweisergebnisse vor, die „gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zulassen“ (inhaltlich Z 5a), unterlässt er es, diese Beweise konkret zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0117446).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die vom Angeklagten angemeldete (ON 79 S 28), im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten aber zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis überzeugt (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO).

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298). Davon kann bei einem Schlitzschraubenzieher - ungeklärter Herkunft (US 10; ON 2 S 3, 45) - ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS-Justiz RS0082031). Feststellungen hiezu hat das Erstgericht allerdings nicht getroffen, weshalb insoweit Verfahrenserneuerung in Form eines selbständigen Verfahrens vor dem Bezirksgericht (§ 445 Abs 3 StPO) anzuordnen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Über die Berufung des Angeklagten wird vorerst das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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