OGH 15Os116/17y

OGH15Os116/17y22.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Roland S***** wegen des Verbrechens nach § 3d VerbotsG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 16. März 2017, GZ 37 Hv 15/16g‑734, sowie weiters über dessen Beschwerde gegen den Beschluss der Vorsitzenden dieses Gerichts vom 11. August 2017, GZ 37 Hv 15/16g‑737, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00116.17Y.1122.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland S***** des Verbrechens nach § 3d VerbotsG 1947 (I) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 (Abs 3 erster Fall) StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und andernorts im Zeitraum von 6. August 2009 bis 14. Mai 2012

I./ im Rahmen des Betriebs des „Thiazi‑Forums“ mit im Urteil näher bezeichneten Internetadressen, der größten bislang bekannten rechtsextremistischen Internetplattform des deutschsprachigen Raums mit mehr als 30.000 registrierten Nutzern und mehr als 1,4 Millionen Beiträgen in insgesamt 112.981 Themenbereichen, in einer Vielzahl von Angriffen als Moderator unter dem Nutzer‑Namen „Wolke“ und „Betreuer 6“ durch Löschen und Kommentieren von Beiträgen anderer Nutzer insbesondere im Themenbereich „Geschichte“ und durch eigene unter dem Nutzer‑Namen „Wolke“ veröffentlichte Beiträge und Kommentare, in denen er den Holocaust geleugnet, die Ziele und Führungspersönlichkeiten der NSDAP verherrlicht und Juden und andere Personengruppen, welche im Sinne der nationalsozialistischen Rassenlehre als minderwertig angesehen wurden, beschimpft und gegen sie gehetzt [hat], und demnach öffentlich „in verbreiteten Schriften“ durch Verherrlichen und Anpreisen der Ziele der NSDAP, ihrer Einrichtungen und ihrer Maßnahmen, Nutzer des Forums zu verleiten gesucht, sich für die Ziele der NSDAP irgendwie zu betätigen (§ 3 VerbotsG 1947), und zwar durch im Urteil näher dargestellte 49 Textpassagen;

II./ durch die zu I./ beschriebene Tat gemeinsam mit in Deutschland bereits rechtskräftig wegen Rädelsführerschaft bzw Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Verbrechen der Volksverhetzung rechtskräftig verurteilten und weiteren abgesondert verfolgten Mittätern an einer kriminellen Vereinigung und demnach an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen beteiligt, der darauf ausgerichtet war, dass von mehreren Mitgliedern die nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft verherrlicht, Repräsentanten des Naziregimes und ehemalige nationalsozialistische Organisationen glorifiziert, der Holocaust geleugnet oder zumindest verharmlost, das Parteiprogramm der NSDAP propagiert und als zeitgemäß dargestellt werden und dabei gegen die linke Szene, Kommunisten, Ausländer, Juden und Menschen mit anderer Hautfarbe gehetzt werde und demnach Verbrechen, welche in Österreich nach § 3g und § 3h Verbotsgesetz 1947 und in Deutschland als Verbrechen der Volksverhetzung nach § 130 Abs 3 des deutschen Strafgesetzbuchs strafbar sind, begangen (werden).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus § 345 Abs 1 Z 4 und Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Mit Beschluss der Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 11. August 2017 (ON 737) wurde ferner ein Antrag des Angeklagten auf Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung abgewiesen, wogegen der Genannte Beschwerde erhob.

 

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Mit Verfahrensrüge (Z 4) macht der Angeklagte einen Verstoß gegen § 44 Abs 3 und § 45 StPO geltend, weil die seiner Ansicht nach ausgeschlossene Ersatzgeschworene N*****, die allerdings zu Beginn des zweiten Verhandlungstages – noch vor der Beratung des Schwurgerichtshofs über die an die Geschworenen zu richtenden Fragen – entlassen wurde (ON 733 S 2), am ersten Verhandlungstag an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte. Ihre Ausgeschlossenheit sieht er in dem Umstand begründet, dass ein ua im Internet gegen Rechtsextremismus auftretender „Aktivist“ und „Antifaschist“ namens Uwe S***** in einer Verhandlungspause am ersten Tag ein Gespräch mit der betreffenden Ersatzgeschworenen gesucht haben soll, welches nach Auffassung des Angeklagten als Versuch einer Beeinflussung der Genannten zu werten sei.

Da die ins Treffen geführten Bestimmungen der Strafprozessordnung in der (insoweit taxativen) Aufzählung des § 345 Abs 1 Z 4 StPO nicht enthalten sind, geht der Einwand unter dem Blickwinkel dieses Nichtigkeitsgrundes ins Leere.

Unter dem Aspekt des der Sache nach angesprochenen § 345 Abs 1 Z 1 StPO wiederum ist ein Urteil nur dann nichtig, wenn – rechtzeitige Rüge vorausgesetzt – ein ausgeschlossener Richter zunächst (aktiv) an der Schaffung der sachlichen und rechtlichen Grundlagen hiefür und in weiterer Folge an der Beratung und Abstimmung darüber beteiligt war (RIS-Justiz RS0102834). Solches kann den – insoweit ungerügt gebliebenen – Protokollen über die Verhandlung jedoch nicht entnommen werden (ON 732, 733). Ebensowenig liefert der Beschwerdeführer eine Begründung für seine rein spekulative Behauptung, die genannte, an der Beratung der Geschworenen und der Urteilsfällung gar nicht beteiligte Ersatzgeschworene habe die Entscheidung der übrigen Geschworenen dennoch beeinflusst.

Ob der Angeklagte – wie in seinem Antrag auf Protokollberichtigung behauptet – bereits in der Hauptverhandlung auf eine mögliche Ausgeschlossenheit der erwähnten Ersatzgeschworenen hingewiesen hat (§ 345 Abs 2 StPO), ist im konkreten Fall unerheblich, weil der Nichtigkeitsbeschwerde aus dem oben dargelegten Grund selbst bei rechtzeitiger Rüge kein Erfolg beschieden wäre. Außer mittels Besetzungsrüge (Z 1) könnte die Beteiligung eines ausgeschlossenen Richters im Rechtsmittelverfahren im Übrigen auch gar nicht geltend gemacht werden (vgl neuerlich Ratz , WK-StPO § 281 Rz 132).

Mit Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) kritisiert der Nichtigkeitswerber weiters, das Gericht sei auf seine Mitteilung über den ihm von zwei Prozessbeobachtern überbrachten Gesprächsinhalt „nicht weiter eingegangen“, nachdem die Ersatzgeschworene über Nachfrage der Vorsitzenden zwar ein Gespräch mit S***** bestätigt, dessen Inhalt aber als „rein private“ Unterhaltung „über allgemeine Dinge“ dargestellt hatte. Dieses Vorgehen widerspreche dem Wesen eines fairen Verfahrens, weil die Ersatzgeschworene aus Sicht des Angeklagten die Unwahrheit über den tatsächlichen Gesprächsinhalt gesagt habe.

Unabdingbare Voraussetzung einer erfolg‑ versprechenden Rüge aus Z 5 ist allerdings – soweit hier wesentlich – ein (den Kriterien des § 55 StPO entsprechender) Antrag sowie ein gegen diesen gefasster Beschluss oder die Nichterledigung eines Antrags, mit anderen Worten eine Befassung des Schwurgerichtshofs durch den Beschwerdeführer (§ 302 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 238 StPO; RIS-Justiz RS0117391; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302 ff, 314). Einen solchen Antrag gestellt oder eine Entscheidung des Schwurgerichtshofs über prozessordnungs‑ konform beantragte konkrete Beweisaufnahmen (etwa die Vernehmung von Zeugen) zum Nachweis von Ausgeschlossenheit der Ersatzgeschworenen begehrt zu haben, behauptet nicht einmal der Angeklagte, sodass die Geltendmachung unterbliebener Sachverhaltsermittlung mit Verfahrensrüge von vornherein ausscheidet ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 132).

Soweit die Beschwerde nach Art einer Aufklärungsrüge moniert, die Vorsitzende hätte nach der Verhandlungspause amtswegige Erhebungen zur versuchten Beeinflussung von Geschworenen durch S***** veranlassen und weiters durch allfällige sitzungspolizeiliche Maßnahmen Abhilfe verschaffen müssen, gibt sie nicht zu erkennen, wodurch der Beschwerdeführer an zweckentsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823). Der im Rechtsmittel angedeutete Umstand, aufgrund der Abhängigkeit des Angeklagten von einer wohlwollenden Einstellung der Geschworenen in dieser Frage nicht weiter insistiert zu haben, kann nicht zur Entbindung von einer sachgerechten Antragstellung führen, könnte mit einem solchen Vorbringen ansonsten die aus Z 5 ableitbare Pflicht zur aktiven Mitwirkung eines jeden Angeklagten am Prozessgeschehen völlig unterlaufen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

 

Zur Beschwerde:

Der mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbundene Protokollberichtigungsantrag des Angeklagten (ON 375 S 9) war darauf gerichtet, die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung mündlich erhobene (und in der Nichtigkeitsbeschwerde dargestellte) „Beschwerde“ betreffend das ihm zugetragene Gespräch (erkennbar gemeint: zwischen S***** und der Ersatzgeschworenen) in das Protokoll aufzunehmen. Weiters solle festgehalten werden, dass „das Gericht“ über diese „Beschwerde“ und die damit erklärte Ablehnung der konkreten Geschworenen im Sinn einer Befangenheit nicht entschieden habe.

Da es allein dem Rechtsmittelwerber zusteht, darüber zu befinden, was als erheblicher Umstand oder Vorgang bei der Urteilsanfechtung geltend gemacht wird, hat bei Verbindung des Protokollberichtigungsantrags mit einem Rechtsmittel die inhaltliche Erledigung der Beschwerde (ON 738) gegen den darüber ergangenen Beschluss nicht vor der Entscheidung über die Urteilsanfechtung selbst zu ergehen. Verfehlt die angestrebte Protokolländerung (ON 735 S 9) ihren Zweck, weil das Rechtsmittel gegen das Urteil (ON 735) auch im Fall der beantragten Berichtigung erfolglos bleiben würde, erübrigt sich die Erledigung der Beschwerde (RIS-Justiz RS0126057, RS0120683).

Ob der begehrte Inhalt in das Protokoll über die Hauptverhandlung aufzunehmen war, kann im konkreten Fall dahinstehen, weil der Nichtigkeitsbeschwerde aus den bereits dargelegten Gründen selbst bei antragsgemäßer Protokollierung kein Erfolg beschieden wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2], RS0120683).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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