OGH 15Ns56/24i

OGH15Ns56/24i4.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in der Strafsache gegen * B* wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB, AZ 36 Hv 73/24w des Landesgerichts Wiener Neustadt in dem zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht Wels (zu AZ 37 Hv 71/24g) geführten Zuständigkeitskonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150NS00056.24I.0904.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Das Verfahren ist vom Landesgericht Wiener Neustadt zu führen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit beim Landesgericht Wels als Schöffengericht eingebrachter – rechtswirksamer (vgl ON 1.73) – Anklage vom 5. Juni 2024 (ON 89 in AZ 37 Hv 71/24g dieses Gerichts) legte die Staatsanwaltschaft * C* und * Ca* ein als jeweils „die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG“, „die Verbrechen der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG“ und die Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB sowie C* darüber hinaus ein als Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB beurteiltes Verhalten zur Last.

[2] Soweit hier von Belang sind die Genannten (ua) zusammengefasst verdächtig, in einer Vielzahl von Fällen Führerscheine und Personalausweise aus dem In- und EU‑Ausland ge- bzw verfälscht oder dies in Auftrag gegeben zu haben.

[3] Mit beim Landesgericht Wiener Neustadt eingebrachtem Strafantrag vom 3. Juni 2024 (ON 3 in AZ 36 Hv 73/24w des genannten Gerichts) legte die Staatsanwaltschaft * B* als Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB beurteilte Taten zur Last. Danach ist dieser (zusammengefasst) verdächtig, einen gefälschten ungarischen Führerschein in E* und andern Orten gebraucht zu haben.

[4] Am 7. Juni 2024 verfügte die Einzelrichterin des Landesgerichts Wiener Neustadt die Zustellung des Strafantrags an den Angeklagten (§ 484 zweiter Satz StPO) samt einer Note, wonach „ein Verhandlungstermin gesondert bekanntgegeben“ werde (ON 1.3).

[5] Mit Verfügung vom 9. Juli 2024 trat die Einzelrichterin des Landesgerichts Wiener Neustadt das „Verfahren zur gemeinsamen Führung gem § 37 StPO“ unter Verweis auf die Höherrangigkeit des Gerichts sowie das Vorliegen einer „prozessualen Konnexität iS eines engen sachlichen Zusammenhangs“ dem Landesgericht Wels ab (ON 1.4). Nach dem Abschlussbericht der Polizei habe B* C* und Ca* mit der Herstellung seines Führerscheins beauftragt (ON 2.2 S 2).

[6] Das Landesgericht Wels verfügte die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt unter Hinweis darauf, dass die von § 37 Abs 3 StPO geforderte objektive oder subjektive Konnexität nicht vorliege und es im Übrigen – mangels einer dokumentierten Prüfung gemäß § 485 StPO durch die Einzelrichterin des Landesgerichts Wiener Neustadt – an der Rechtswirksamkeit des Strafantrags gegen B* mangle (ON 1.82).

[7] Eine Verbindung von auf verschiedenen Anklagen basierenden Hauptverfahren setzt Rechtswirksamkeit der den betroffenen Verfahren zugrundeliegenden Anklagen voraus.

[8] Dass im vorliegenden Fall das Landesgericht Wiener Neustadt die Prüfung des Strafantrags nach den Kriterien des § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO durchgeführt und die Hauptverhandlung (zumindest dem Grunde nach) angeordnet hat (vgl RIS‑Justiz RS0132157, RS0123445 [T6], RS0123444; Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7/1), ist durch die Verfügung der Zustellung einer Note an den Beschuldigten, wonach „ein Verhandlungstermin gesondert bekanntgegeben“ werde, zwar nicht ausdrücklich, aber doch unmissverständlich dokumentiert (ON 1.3; die unter einem – gemäß § 484 zweiter Satz StPO „unverzüglich“ – verfügte Zustellung des Strafantrags für sich allein würde hingegen eine solche Prüfung nicht unmissverständlich zum Ausdruck bringen [vgl RIS‑Justiz RS0132157 {T5, T6}]).

[9] Eine Verbindung der gegenständlichen – von auf verschiedenen (rechtswirksamen) Anklagen basierenden – Hauptverfahren nach § 37 Abs 3 StPO kommt aber dennoch nicht in Frage, weil eine solche eine – hier allerdings nicht vorliegende – subjektive, objektive oder subjektiv‑objektive Konnexität der Verfahren zur Voraussetzung hat, was auf eine bloß prozessuale Konnexität (enger sachlicher Zusammenhang im Hinblick auf ein einheitliches Tatgeschehen; vgl RIS‑Justiz RS0127579) nicht zutrifft (15 Ns 58/21d [Rz 5, 6]; Kirchbacher, StPO15 § 37 Rz 4; Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 8).

[10] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ist daher das Landesgericht Wiener Neustadt zur Führung des Verfahrens zuständig.

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