OGH 14Os92/20s

OGH14Os92/20s29.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2020 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Mai 2020, GZ 110 Hv 2/20p‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129353

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 4. November 2019 in G** Ba* durch das Versetzen mehrerer Faustschläge gegen den Kopf und eines Faustschlags mit einem Kugelschreiber zwischen den Fingern gegen das rechte Auge eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Ruptur der Hornhaut mit Prolaps des Glaskörpers und der Regenbogenhaut und eine Abhebung mit Faltenbildung der Netzhaut am rechten Auge, sohin eine an sich schwere Verletzung und eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 [Abs 1 Z 1] StGB), nämlich eine schwere Schädigung des Sehvermögens am rechten Auge, nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Nach den wesentlichen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen (US 3) schlug der Angeklagte * Ba* mehrmals mit der Faust gegen den Kopf. Dagegen wehrte sich der Genannte ebenfalls mit Faustschlägen gegen das Gesicht des Angeklagten, der darauf zurückwich. Über Aufforderung des Angeklagten (US 8 zweiter Absatz) und in der Annahme, die „Sache sei erledigt“ beendete * Ba* seine Tätlichkeiten. Er nahm keine drohende Körperhaltung ein und deutete keine weiteren Übergriffe an. Der Angeklagte attackierte ihn jedoch neuerlich und verpasste ihm einen schwungvollen Schlag gegen das Gesicht mit seiner zur Faust geballten Hand, zwischen deren Fingern er einen Kugelschreiber hielt. Dadurch fügte er * Ba* die im Urteilstenor angeführte Verletzung des rechten Auges zu.

Das Wesen von Rechts- (Z 9 lit a bis c) und Subsumtionsrüge (Z 10) besteht darin, anhand methodischer Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565) darzulegen, dass der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810) eine von der bekämpften Entscheidung abweichende rechtliche Beurteilung verlange, wobei im Fall der Z 10 die angestrebte Subsumtion ausdrücklich zu bezeichnen ist (RIS-Justiz RS0118415 [T3]).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) – ohne einen Feststellungsmangel geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0118580) eine für den Angeklagten bestehende Notwehrsituation (§ 3 Abs 1 StGB) reklamiert, entfernt sie sich prozessordnungswidrig von den eingangs dargestellten Feststellungen des Erstgerichts. Im Übrigen erklärt sie nicht, warum die Verteidigung des Tatopfers gegen die Faustschläge des Angeklagten einen rechtswidrigen Angriff darstellen sollte, in Ansehung dessen dem Angeklagten ein Notwehrrecht zustehen würde (vgl 11 Os 166/94; Lewisch in WK² StGB § 3 Rz 29).

Mit der Behauptung, auf Basis der Urteilsannahmen zum Tathergang und des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. K* könne hinsichtlich der Zufügung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) lediglich ein bedingter Vorsatz abgeleitet werden, orientiert sich die – auf eine Verwirklichung (bloß) des Vergehens nach § 84 Abs 1 StGB (inhaltlich des Verbrechens nach § 84 Abs 4 StGB) abzielende – Subsumtionsrüge (Z 10) ebenfalls nicht an den Konstatierungen der Tatrichter (US 4). Der Sache nach greift der Beschwerdeführer – nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung – die tatrichterliche Beweiswürdigung an.

Entgegen der (auch hier nicht am festgestellten Sachverhalt Maß nehmenden) weiteren – hilfsweise einen Schuldspruch nach § 87 Abs 1 StGB anstrebenden –Subsumtionsrüge finden sich die Feststellungen zur Dauer der schweren Schädigung des Sehvermögens auf US 4, wonach mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehkraft am rechten Auge „in der Zukunft“ (vgl RIS‑Justiz RS0092616) zu rechnen sei, diese daher einen Dauerschaden darstellt (vgl auch RIS‑Justiz RS0092535).

Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider bedeutet die erschwerende Wertung von Verletzungsfolgen, die über das für die Subsumtion notwendige Ausmaß hinausgehen, keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 32 Abs 2 erster Satz StGB (RIS-Justiz RS0132896; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 711; vgl RIS-Justiz RS0130193). Da eine schwere Körperverletzung schon bei einer der in § 84 Abs 1 StGB genannten Varianten erfüllt ist, begründet die kritisierte Annahme des Erschwerungsgrundes des Vorliegens einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zusätzlich zur Zufügung einer an sich schweren Verletzung (US 15) den reklamierten Nichtigkeitsgrund nicht (vgl zu § 143 Abs 2 erster Satz StGB, RIS-Justiz RS0119312).

Der Forderung nach dem Entfall des Erschwerungsgrundes der Tatbegehung „auf heimtückische Weise“ (vgl § 33 Abs 1 Z 6 erster Fall StGB) wird vorausgeschickt, dass die verfehlte Einordnung eines Umstands unter einen (besonderen) Erschwerungs- oder Milderungsgrund nur dann Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begründet, wenn es offenbar unrichtig ist, ihn nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) als erschwerend oder mildernd zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0100061 [T3]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 700, 704).Die aggravierende Wertung der Aufforderung des Angeklagten an das Tatopfer, die im Rahmen der Verteidigung gesetzten Tätlichkeiten zu beenden, und die Ausnützung des damit vermittelten Eindrucks einer bereinigten Situation (US 3 [„die Sache sei erledigt“]) zu einem neuerlichen, die Verletzungsfolgen iSd §§ 84 Abs 1, 85 Abs 1 Z 1 StGB herbeiführenden Angriff (US 8 und 14) stellt sich als nicht offenbar unrichtig dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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