OGH 14Os58/12d

OGH14Os58/12d12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alican S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs Unmündiger nach § 207 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Jänner 2012, GZ 021 Hv 24/11t-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alican S***** „der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs Unmündiger nach § 207 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB“ (A./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er „von zumindest August 2008 bis Juli 2010 in Wien in einer nicht mehr exakt feststellbaren Mehrzahl von zumindest zehn Angriffen

A./ dadurch, dass er die am 15. November 1996 geborene Ralitsa D***** dazu veranlasste, sich zumindest am Unterkörper auszuziehen, sich anschließend selbst auszog und sich mit seinem erigierten Penis auf das Mädchen legte, diesen an der Scheide rieb und es an der Scheide ausgriff, bis er zum Samenerguss kam, geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen, wobei Ralitsa D***** hiedurch eine emotionale Störung des Kindes- und Jugendalters einhergehend mit einer erheblichen psychischen Traumatisierung mit einer krankheitswertigen Gesundheitsschädigung in einem 24 Tage übersteigenden Ausmaß erlitt;

B./ mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, nämlich der am 15. November 1996 geborenen Ralitsa D*****, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen, nämlich die unter A./ genannten strafbaren Handlungen“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehlt.

Soweit sich die Verfahrensrüge (Z 4) eine „Abweisung“ des Antrags auf „Einräumung einer Frist zur Stellung von Fragen an die Sachverständige“ bzw auf „Vertagung der Hauptverhandlung zur neuerlichen Befragung der Sachverständigen“ behauptet, scheitert sie daran, dass der Verteidiger diesen Antrag noch vor Schluss der Hauptverhandlung zurückgezogen hat (ON 36 S 27, 43).

Der weitere Antrag auf Vernehmung einer informierten Vertreterin des Jugendamts für den 12. Bezirk als Zeugin zum Beweis dafür, „dass die Ausführungen in den ON 19 und 21 zutreffen oder nicht zutreffen und dahingehend zu überprüfen sind, dass die Gewaltausübung nicht durch den Angeklagten, sondern durch eine dritte Person vorgenommen wurde und dass das Kind aus welchem Grund immer dies auf den Angeklagten projiziert und damit einhergehend auch die Misshandlungsvorwürfe zu Unrecht gegen den Angeklagten erhebt“ (S 27 f in ON 36), verfiel zu Recht der Abweisung, weil er § 55 Abs 1 letzter Satz StPO zuwider keine Begründung dafür enthält, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären, zumal dies nicht offensichtlich ist und daher auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinausläuft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 ff). Ergänzendes Vorbringen im Rechtsmittel unterfällt dem Neuerungsverbot.

Entgegen der eine Unvollständigkeit der Begründung behauptenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat das Erstgericht die in ON 19 und 21 enthaltene Dokumentation der Tätigkeit des Jugendamts im Bezug auf das Tatopfer keineswegs unberücksichtigt gelassen, ihr fallbezogen aber keine - für die Aufklärung des Sachverhalts - maßgebliche Bedeutung zugemessen (US 7).

Die - als Aufklärungsrüge (Z 5a) aufzufassende - Kritik an der - trotz „festgestellter mangelnder Mutter-Kind-Beziehung“ - unterbliebenen „Begutachtung der Kindesmutter“ durch die Sachverständige scheitert schon an der fehlenden Behauptung, der Beschwerdeführer sei an einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen (RIS-Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass keine Veranlassung zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der in der rechtlich verfehlten Annahme mehrerer nach Abs 3 erster Fall qualifizierter Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (vgl dazu Philipp in WK2 § 206 Rz 31 iVm § 201 Rz 30 und RIS-Justiz RS0120828) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) besteht, weil unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres iSd § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff), das Erstgericht nur das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen als erschwerend wertete (US 8) und das Oberlandesgericht diesen Umstand - aufgrund der Klarstellung - ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Entscheidung über die vom Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobene Berufung zu berücksichtigen hat (RIS-Justiz RS0118870; 14 Os 134/11d).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte