OGH 14Os17/19k

OGH14Os17/19k3.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Leitner in der Strafsache gegen Mag. Herbert U*****, einen anderen Angeklagten und einen belangten Verband wegen des Verbrechens der Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten nach § 309 Abs 2 und 3 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Juli 2018, GZ 122 Hv 47/17a‑236 und GZ 122 Hv 47/17a‑237, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00017.19K.0903.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil vom 25. Juli 2018, GZ 122 Hv 47/17a‑236, sprach das Erstgericht Mag. Herbert U***** und DI Anton S***** von der wider sie erhobenen Anklage frei, es hätten

„A. Mag. Herbert U***** in W***** als kollektiv vertretungsbefugter Geschäftsführer der O***** GES.M.B.H.

1./ ab Sommer 2009 bis Anfang Juni 2010 dem abgesondert verfolgten Wassim T***** als Beauftragten der Weltbank einen 50.000 Euro übersteigenden Vorteil, und zwar einen Geldbetrag in der Höhe von 3 % des Auftragswertes für L***** – sohin 66.694,15 Euro – und 5 % des Auftragswertes für L***** – sohin 263.332,40 Euro – im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme einer Rechtshandlung, nämlich die parteiliche Abgabe von Expertisen gegenüber der Weltbank zugunsten der O***** GES.M.B.H., um damit die Auftragsvergaben dieser zwei Teilbereiche eines über die Weltbank finanzierten rumänischen Krankenhausprojektes (I*****) zu sichern bzw. zu beeinflussen, versprochen und in Höhe von 30.000 Euro gewährt;

2./ von November 2009 bis Mai 2010 seine ihm eingeräumte Befugnis über das Vermögen der O***** GES.M.B.H. zu verfügen oder diese zu verpflichten, unter Verstoß von Regelungen, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen, wissentlich missbraucht und dadurch der O***** GES.M.B.H. einen 300.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden teils zugefügt und teils versuchte zuzufügen, indem er zu der unter Punkt A.1./ beschriebene Straftat entgegen den Vermögensinteressen des Machtgebers dem Wassim T***** über den Weg eines Scheinvertrages mit der A***** einen Geldbetrag in Höhe von ca. 330.000 Euro zusagte und am 21. Mai 2010 durch Anweisung einer Überweisung von 33.347 Euro einen Schaden in dieser Höhe beim Machtgeber herbeiführte;

B. DI Anton S***** und (die rechtskräftig freigesprochene) Almuth E***** „als Entscheidungsträger der A***** zu der Tathandlung des Mag. Herbert U***** (Tenor A.2./) beigetragen, indem sie den Vertrag eingingen und Rechnung legten.“

Mit Urteil vom gleichen Tag, GZ 122 Hv 47/17a‑237, wies das Erstgericht den Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße über die O***** GES.M.B.H., weil die zu A/1 angeführte Straftat vom Entscheidungsträger Mag. U***** rechtswidrig und schuldhaft zu Gunsten dieses Verbandes begangen worden sei, ab.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen beide Urteile aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO (gemeinsam) ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der WKStA sind nicht im Recht.

Das Erstgericht ging in beiden Urteilen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die O***** GES.M.B.H., deren Geschäftsführer Mag. U***** war, nahm an mehreren Teilausschreibungen (L***** bis L*****) für den Bau eines Krankenhauses in Rumänien teil. Angebote wurden durch ein vom rumänischen Gesundheitsministerium eingesetztes Komitee geprüft und gereiht. Dieses erteilte auch den Zuschlag. Die internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung („Weltbank“) hat den Status einer UN‑Sonderorganisation mit Sitz in den USA. Sie finanzierte dieses Krankenhausprojekt durch Darlehensgewährung. Die Reihung durch das rumänische Komitee wurde von einer Organisationseinheit dieser Bank geprüft. Nur wenn diese keine schriftlichen Einwendungen erhob, wurde das Darlehen gewährt. Bei der Überprüfung der Reihung bediente sich die Bank des selbständigen Vergaberechtsexperten Wassim T*****, der seine Stellungnahmen – organisatorisch nicht in die Bank eingebunden – in Form von Expertisen auf Werksvertragsbasis abgab. „Er konnte weder im Namen der Weltbank handeln noch übernahm er Aufgaben der Weltbank nach innen oder außen.“ Seine Expertisen (insbesondere zur technischen Übereinstimmung der gereihten Angebote mit den Ausschreibungsbedingungen) wurden „faktisch“ von der zuständigen Organisationseinheit der Bank, die allein die Entscheidung über die Darlehensfinanzierung traf, „nicht in Frage gestellt“.

Die Tatrichter sahen es nicht als erwiesen an, dass es Mag. U***** bei Veranlassung der inkriminierten Überweisung von 33.347 Euro billigend in Kauf genommen habe, dieser Betrag werde T***** mit Bezug auf dessen Beurteilung der Angebote der O***** GES.M.B.H. in den bezeichneten Ausschreibungsverfahren zukommen. Auch zum angelasteten Versprechen eines Vorteils im Sinn des § 309 Abs 2 StGB traf das Erstgericht eine Negativfeststellung. Mag. U***** habe diese Überweisung überdies nicht als nachteilig für diese Gesellschaft, sondern als „zumindest notwendig, wenn nicht sogar vorteilhaft“ eingeschätzt.

Hinsichtlich DI S***** verneinten die Tatrichter Wissentlichkeit in Bezug auf einen Befugnisfehlgebrauch von Mag. U***** im Zusammenhang mit der inkriminierten Überweisung. Zu einem Schädigungsvorsatz des DI S***** enthält das Urteil keine Aussage.

Mit ihrer gegen die Abweisung des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des T***** gerichteten Verfahrensrüge (Z 4) zu A/1 des Freispruchs dringt die Beschwerdeführerin nicht durch. Denn das im Antrag genannte Beweisthema, die beiden Angeklagten hätten T***** einen Geldbetrag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des jeweiligen Auftragswerts für die „parteiliche Abgabe von Expertisen gegenüber der Weltbank zugunsten der O***** GES.M.B.H.“ versprochen und teilweise gewährt (ON 234 S 30 f), war (für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage) nicht erheblich (RIS‑Justiz RS0118319). § 309 StGB pönalisiert die spezifische Verknüpfung eines Vorteils (im geschäftlichen Verkehr) mit einer Rechtshandlung, die ein Bediensteter oder Beauftragter eines Unternehmens pflichtwidrig vornimmt oder unterlässt. Unter Rechtshandlungen sind nur solche rechtsgeschäftliche oder prozessuale Handlungen zu verstehen, die (unmittelbar) rechtliche Wirkungen für das Unternehmen (auf welches sich die Bediensteten- oder Beauftragteneigenschaft bezieht) entfalten. Nicht erfasst sind rein faktische oder solche Tätigkeiten, die Rechtshandlungen für das Unternehmen bloß vorbereiten. Eine Befugnis des T*****, Handlungen mit Rechtswirkung für die Weltbank vorzunehmen, behauptete die Beschwerdeführerin selbst nicht. Dass er über die Abgabe gutachterlicher Stellungnahmen hinaus auf Entscheidungen der Weltbank über die Darlehensgewährung (faktisch) habe Einfluss nehmen können oder diese Entscheidungen (als der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zuzurechnende Rechtshandlungen) in tatbestandsspezifischer Weise mit (versprochenen oder gewährten) Vorteilen verknüpft gewesen seien, war vom Beweisthema nicht umfasst und im Übrigen auch nicht Gegenstand der Anklage (ON 179 S 2, 5, 16 f und 21 f; vgl auch die – von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften – Feststellungen auf US 5 [wonach die zuständige Organisationseinheit der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die Richtigkeit der Expertisen „faktisch“ zwar „nicht in Frage gestellt“, jedoch die „eigentliche Beurteilung“ der Angebote ohne T***** durchgeführt habe]; zum Ganzen Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 309 Rz 20 und 26 ff; Thiele, SbgK § 309 Rz 29 und 48; Hinterhofer/Rosbaud BT II6 § 309 Rz 7 und 12; vgl auch [zu § 302 StGB] Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch11 § 302 Rz 2 und 67). Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass Rechtshandlungen, die T***** als selbständiger Unternehmer im (Vertrags‑)Verhältnis zur Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vornahm, als Gegenleistung von Vorteilen nicht in Betracht kommen, weil Zuwendungen an den Geschäftsherrn nicht von § 309 StGB erfasst sind (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 309 Rz 45).

Soweit die zu Punkt A/2 des Freispruchs ausgeführte Verfahrensrüge (Z 4) Relevanz dieses Beweisantrags auch für den Vorwurf der Untreue behauptet, genügt der Hinweis, dass – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – aktive Korruption durch einen Machthaber, auch wenn sie (was hier nach dem Urteilssachverhalt im Übrigen nicht der Fall ist) strafrechtlich relevant ist, für sich allein noch keinen Befugnismissbrauch im Sinn des Untreuetatbestands darstellt (RIS‑Justiz RS0132513 [eingehend begründet zu 17 Os 8/18g]).

Indem sich die Mängelrüge (Z 5) zu A/1 des Freispruchs ausgehend von der irrigen Prämisse, es handle sich bei den gutachterlichen Stellungnahmen des T***** um der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zuzurechnende Rechtshandlungen, bloß gegen einzelne Negativfeststellungen (insbesondere zum Vorwurf pflichtwidriger Abgabe dieser Expertisen und zu einer darauf bezogenen – vom Vorsatz des Mag. U***** umfassten – Vorteilsgewährung) richtet, ohne das Fehlen von Konstatierungen zu einem von den Angeklagten mit der (versprochenen) Vorteilsgewährung verknüpften, (im Sinn der obigen Ausführungen) tatbildlichen Verhalten des T***** zu thematisieren, spricht sie keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117499, RS0127315 [T3]).

Gleiches gilt für die Mängelrüge zum Freispruch vom Vorwurf der Untreue (A/2 und B), die ausschließlich zum Tatbestandselement des Befugnismissbrauchs argumentiert, ohne die Negativfeststellungen zu einem Schädigungsvorsatz des Angeklagten Mag. U***** (vgl US 7 iVm US 21) oder das Fehlen von dahingehenden Konstatierungen zu DI S***** zu bekämpfen.

Die gegen das Urteil betreffend die natürlichen Personen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Ebenso war mit der ohne inhaltliche Argumentation gegen die Abweisung des Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde zu verfahren.

Bleibt anzumerken, dass die Prüfung einer Strafbarkeit nach § 309 Abs 2 und 3 zweiter Fall StGB auf Basis einer anderen Sachverhaltsgrundlage (einer Verknüpfung des Vorteils mit einer der internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zuzurechnenden Rechtshandlung) oder unter dem Gesichtspunkt eines anderen Tatbestands (vgl zu den Voraussetzungen verbotener Intervention Nordmeyer/Stricker in WK2 § 308 Rz 16 bis 18 und 30) mangels entsprechenden Vorbringens der Beschwerdeführerin hier nicht in Betracht kam (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584 f).

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