OGH 14Os144/06t

OGH14Os144/06t13.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut E***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 242 Ur 287/06s des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Helmut E***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 6. November 2006, GZ 19 Us 341/06w (= ON 435) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Helmut E***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Helmut E*****, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der B***** AG, nachfolgend B***** AG (kurz: B***** bzw B***** AG), ist laut dem auf Antrag der Staatsanwaltschaft (S 3h6) erlassenen Haftbefehl des Journalrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. September 2006 (ON 317) und dem am gleichen Tag ergangenen Europäischen Haftbefehl (ON 318) der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens nach § 255 Abs 1 (Z 1) AktG „dringend" verdächtig. Danach soll er in Wien „als Vorstand" der B***** bzw B***** AG 1./ seine Befugnis, über das Vermögen der B***** AG zu verfügen, wissentlich missbraucht und diese im Ausmaß von zumindest 1.700,000.000 Euro am Vermögen geschädigt haben, indem er ab 1995 trotz zuvor aus gleichartigen Geschäften eingetretenen Verlusten wiederholt hochriskante Geschäfte mit Dr. Wolfgang F***** sowie Kreditgewährungen an diesen unter Umgehung organisatorischer Sicherheitsbestimmungen und Täuschung von Organen und Mitarbeitern tätigte;

2./ im Herbst 2000 mit Betrugsvorsatz andere Vorstandsmitglieder und den Aufsichtsrat in gewerbsmäßiger Absicht über die in diesem Jahr eingetretenen Verluste von rund 430,000.000 Euro, für die er mitverantwortlich war, getäuscht und sie auf diese Weise dazu verleitet haben, einer Abfindung seiner Pensionsansprüche und jener seiner Ehegattin zuzustimmen und aus diesem Titel am 24. November 2000 93,958.797 S auszuzahlen und die Genannten - gleichfalls durch Täuschung - zur Zustimmung und Auszahlung einer Prämie von 8,000.000 S verleitet sowie in den Jahren 1994, 1997 und 2003 Kaufoptionen und -vertragsabschlüsse hinsichtlich der der B***** AG gehörenden Wohnungen in *****, sowie ***** zu einem unter dem Verkehrswert gelegenen Preis veranlasst haben, wodurch die B***** AG einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden erlitten habe, wobei „in diesem Zusammenhang" der Verdacht auf Kick-Back-Zahlungen bestehe, durch die Helmut E***** oder ihm nahestehende Stiftungen, wie die G***** und die B*****, unrechtmäßig bereichert worden seien;

3./ in den Einzel- und Konzernbilanzen der B***** AG und der B*****-Gruppe für die Jahre 2001 und 2002 deren Verhältnisse und erhebliche Umstände unrichtig wiedergegeben, verschleiert und verschwiegen haben, indem er die durch die oben angeführten hochriskanten Geschäfte eingetretenen erheblichen Verluste nicht auswies, sondern mittels komplexer und verschachtelter Konstruktionen eine wirtschaftlich wahrheitsgemäße Darstellung verhinderte und den Abschreibungsbedarf von 350,000.000 Euro nicht umsetzte, sondern das verlorene Kapital weiterhin als werthaltige Forderungen an Kunden ausweisen ließ.

Mit Beschluss vom 18. September 2006 leitete der Untersuchungsrichter gegen Helmut E***** die Voruntersuchung wegen §§ 153 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall); 146, 147 Abs 3, 148 (zweiter Fall) StGB und 255 (Abs 1 Z 1) AktG ein (S 3 l6).

Wie schon zu hg AZ 14 Os 133/06z näher dargestellt wurde Helmut E***** aufgrund des Europäischen Haftbefehls und des daraufhin ergangenen vorläufigen Haftbefehls des Generalstaatsanwalts beim Cour d`Appel d`Aix-en-Provence vom 15. September 2006 am 14. September 2006 in Frankreich in Auslieferungshaft genommen. Das Appellationsgericht Aix-en-Provence gab mit Entscheidung vom 29. September 2006 dem vom Beschuldigten gestellten „Antrag auf Freilassung" Folge und ordnete unter Anwendung gelinderer Mittel seine Enthaftung an, die am 4. Oktober 2006 nach Erlag einer Haftkaution vollzogen wurde.

Mit hg Erkenntnis vom 21. Dezember 2006, AZ 14 Os 133/06z, wurde eine Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Helmut E***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Oktober 2006, AZ 19 Bs 321/06d, 322/06a, womit einer Beschwerde des Genannten gegen den inländischen und Europäischen Haftbefehl nicht Folge gegeben worden war, abgewiesen.

Die noch nicht rechtskräftige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 23. Oktober 2006 (ON 403) legt Helmut E***** neben den bereits zitierten Betrugsfakten und (teils modifizierten) Vorwürfen von Verstößen gegen das AktG näher detaillierte Untreuehandlungen mit einer Gesamtschadenssumme von ca 1.442,214.945 Euro zur Last. Mit der nun angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Beschuldigten Helmut E***** gegen den Beschluss der Untersuchungsrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. September 2006 (ON 342), womit dessen Antrag auf Aufhebung des nationalen und Europäischen Haftbefehls vom 21. September 2006 (ON 332) abgewiesen worden war, nicht Folge.

Dagegen richtet sich eine neuerliche Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Helmut E*****, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich aus dem Umstand, dass sich Helmut E***** zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung über die Abweisung seines Antrags auf Aufhebung der Haftbefehle noch in (Auslieferungs-)Haft befand, mithin allfälligen Verfahrensfehlern (noch) funktionelle Grundrechtsrelevanz zukommt.

Insoweit sich die Beschwerde gegen die Annahmen zum Tatverdacht wendet, ist sie (neuerlich) mangels Substrat einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich.

Mit ihrem der Sache nach ausschließlich gegen die Annahme des Haftgrunds der Fluchtgefahr gerichteten Vorbringen, wiederholt sie großteils die Argumentation der der hg Entscheidung zu 14 Os 133/06z zugrunde liegenden Grundrechtsbeschwerde vom 6. Dezember 2006 und ist somit eingangs auf die diesbezüglichen Ausführungen des Obersten Gerichtshofes zu verweisen.

Das mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2006 vorgelegte Schreiben Dris. M***** vom 11. Oktober 2006, demzufolge „jeder Transport über weite Strecken sowie jede Erhöhung der Stressbelastung im Rahmen der instabilen Koronarerkrankung den Patienten dem Risiko eines akuten Koronarzwischenfalls aussetzen würde" (ON 434), wurde vom Beschwerdegericht ebenso in seine Erwägungen einbezogen wie die gutachterlichen Äußerungen Dris. J***** im französischen Auslieferungsverfahren (BS 19) und allfällige Wahrnehmungen von Journalisten in Bezug auf die Agilität des Beschwerdeführers (BS 20). Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu diesen Ergebnissen vermag der Beschwerdeführer keinen Verstoß des Rechtsmittelgerichts gegen das Willkürverbot aufzuzeigen.

Insoweit er weiters auf Schreiben Dris. B***** vom 30. November 2006 und 4. Dezember 2006 sowie des Generalstaatsanwalts C***** vom 30. November 2006 verweist, genügt es neuerlich, auf das im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot zu verweisen (RIS-Justiz RS0106584).

Helmut E***** wurde somit durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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