OGH 14Os138/06k

OGH14Os138/06k18.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 22. September 2006, GZ 21 Hv 113/06k-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kutner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 22. September 2006, GZ 21 Hv 113/06k-25, verletzt im Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung das Gesetz in §§ 28 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB.

Das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Schuldspruchteil und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Johann B***** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegende Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Johann B***** wurde mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 22. September 2006, GZ 21 Hv 113/06k-25, (anklagekonform) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. Juli 2006 in Linz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Küchenmessers mit einer 15 Zentimeter langen Klinge, der Verkäuferin Susanne H***** dadurch, dass er das Messer in einem Abstand von zirka zwei Zentimeter gegen ihren Brustbereich richtete und dabei die Worte „Geld her" äußerte, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag in Höhe von 725 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt und im Anschluss daran Susanne H***** dadurch, dass er das Messer weiterhin gegen sie richtete, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zum Aufsuchen des hinteren Teiles des Geschäftslokales der Firma S*****, genötigt.

Diese Schuldsprüche sind in Rechtskraft erwachsen; über eine Berufung des Angeklagten wurde seitens des Gerichtshofes zweiter Instanz noch nicht entschieden.

Das angeführte Urteil steht - wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - im Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Beim Verbrechen des Raubes sind alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung bis zur materiellen Vollendung der Tat (wenn die Beute dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist; RIS-Justiz RS0094231; Fabrizy StGB9 § 142 Rz 8), demnach auch eine gegen das Raubopfer gerichtete und mit der Sachwegnahme noch im Zusammenhang stehende Nötigung (gleichgültig ob als Mittel der Durchsetzung des Gewahrsamsübergangs, zur Sicherung der Beute oder zur Einleitung der Flucht), grundsätzlich als deliktsspezifische Einheit anzusehen, welche unter der Voraussetzung eines solchen unmittelbaren sachlichen Konnexes als straflose Nachtat einer gesonderten strafrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich ist (vgl Ratz in WK2 Vor §§ 28 bis 31 Rz 67; Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 91 f; Eder/Rieder in WK2 § 142 Rz 69; Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 96; RIS-Justiz RS0093085 und RS0093485).

Diese Voraussetzungen treffen auch im vorliegenden Fall zu, weil sich die der Sachwegnahme unmittelbar nachfolgende Nötigungshandlung nach dem Wahrspruch der Geschworenen nur gegen das Raubopfer (und nicht etwa gegen Dritte) richtete und - nach dem Wortlaut und Sinngehalt der Aufforderung - dazu bestimmt war, dem Täter eine ungehinderte Flucht zu ermöglichen (US 2 und 3). Der auf die Erschwerung der Verfolgung durch das Opfer beschränkte Unwertgehalt der schweren Nötigung wird daher vom Gesamtunwert des vollendeten schweren Raubes zur Gänze erfasst und ist damit unter dem Gesichtspunkt der Konsumtion als straflosen Nachtat (vgl Ratz in WK2 Vor §§ 28 bis 31 Rz 67; 15 Os 87/06t; 13 Os 171/99) durch die Verurteilung nach §§ 142 f StGB abgegolten.

Der Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung wirkt sich daher zum Nachteil des Angeklagten aus; überdies wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen ausdrücklich als erschwerend gewertet (vgl US 5).

Das Urteil war aus diesem Grund im Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung aufzuheben und die Strafe auf der Basis des verbleibenden Schuldspruchs wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB neu zu bemessen. Dabei waren fünf einschlägige Vorstrafen als erschwerend; mildernd hingegen waren das umfassende und reumütige Geständnis sowie die objektive Schadensgutmachung zu werten.

Der vom Angeklagten in der Berufung geltend gemachte Milderungsumstand des § 34 Abs 1 Z 10 StGB liegt nicht vor, weil schon angesichts der bestehenden Unterstützung durch seine Lebensgefährtin (S 135 ff; Beilage ./1 zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 24) keine drückende Notlage bestand.

Unter Berücksichtigung der Umstände, dass die letzte einschlägige Verurteilung bereits dreizehn Jahre zurückliegt, sich der Angeklagte seit der letzten Verurteilung im Jahr 1998 wohl verhielt und sich schriftlich und mündlich gegenüber dem Opfer entschuldigte (S 146), andererseits aber die erste Verurteilung des Johann B***** aus dem Jahr 1988 u.a. wegen des Verbrechens des (versuchten) Raubes erfolgte (ON 14), erscheint dem Obersten Gerichtshof eine knapp über der Mindestsanktion liegende Freiheitsstrafe von sechs Jahren dem Unrecht der Tat und der Schuld des Angeklagten angemessen.

Die Vorhaftanrechnung gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB war aus dem Ersturteil zu übernehmen. Die darüber hinausgehend notwendige Anrechnung wird das Erstgericht gemäß § 400 StPO vorzunehmen haben. Mit seiner Berufung war der Rechtsmittelwerber auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte angesichts der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu entfallen (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 13); der Angeklagte hat daher lediglich die schon vom Geschworenengericht zum Ersatz aufgetragenen Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zu tragen.

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