OGH 14Os124/17t

OGH14Os124/17t13.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zach, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Fofana M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Fofana M***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Abdoul D***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Juni 2017, GZ 6 Hv 45/17t‑160, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00124.17T.0213.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Fofana M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Fofana M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach (gemeint [US 20]:) § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./1./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (I./2./) und des Vergehens (richtig [s auch US 20]: der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (I./3./), Abdoul D***** (unter anderem) des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (II./2./), und Tahir D***** (unter anderem) der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (III./1./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (III./2./) schuldig erkannt.

Danach haben in G*****, W***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

I./ Fofana M*****

1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Anfang Juni und 28. November 2016 zumindest 32.500 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 14 %, somit 4.550 Gramm Delta‑9‑THC, an unbekannte Abnehmer und Sidia D***** gewinnbringend verkaufte und überließ;

2./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 28. November 2016 2.004 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 14 %, somit 280 Gramm Delta‑9‑THC, das er zuvor in W***** angekauft hatte, in einem Rucksack bei sich trug;

3./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er zwischen Ende Mai und 28. November 2016 unbekannte Mengen Cannabiskraut mit dem Wirkstoff Delta‑9‑THC bis zum Konsum innehatte;

II./ Abdoul D*****

2./  in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 16. Februar 2017 383 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 19,5 %, somit 74 Gramm Delta‑9‑THC, in seiner Wohnung und dem dazugehörigen Kellerabteil in W***** aufbewahrte;

III./ Tahir D*****

1./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Dezember 2016 und 16. Februar 2017 zumindest 625 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 19 %, somit „100  Gramm“ Delta‑9‑THC, im Auftrag seines Bruders Abdoul D***** an dessen Kunden weitergab;

2./ mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 16. Februar 2017 „5,68 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 16 %“ bei sich trug.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fofana M*****, der keine Berechtigung zukommt.

Als offenbar unzureichend begründet erachtet die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu I./1./ die Feststellungen zum gewinnbringenden Überlassen von Cannabiskraut in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge an diverse Abnehmer (US 9), weil das Erstgericht diese auf Gesprächsüberwachungen und Standortbestimmungen gestützt habe, obwohl – wie auch im Urteil angeführt wurde (US 16) – in den überwachten Gesprächen keine konkreten Mengen genannt worden seien. Sie übersieht, dass die Tatrichter die Konstatierungen nicht nur aus diesen, sondern aus einer vernetzten Betrachtung einer Reihe von Verfahrensergebnissen, nämlich insbesondere aus den (auch durch Standortbestimmungen belegten) regelmäßigen Aufenthalten des Angeklagten in W*****, dem (auch auf die Gesprächsüberwachung gestützten und) im Erwerb von Cannabiskraut liegenden Zweck dieser Fahrten, den Aussagen des Zeugen Sidia D***** sowie des Angeklagten Abdoul D*****, der Verwendung weiterer „nicht vorgefundener Kommunikationsmittel“ und aus dem Umstand abgeleitet haben, dass Fofana M***** anlässlich seiner letzten Fahrt mit zwei Kilogramm Cannabiskraut betreten wurde (US 16), womit bei Gesamtbetrachtung die Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (RIS-Justiz RS0108609, RS0119370). Indem die Beschwerde vermeint, es lasse sich aus den Beweisergebnissen nicht ableiten, wie viele Mobiltelefone der Angeklagte zu welchem Zweck benützt hat, übt sie lediglich in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik (RIS-Justiz RS0099455).

Die ebenfalls zu I./1./ ausgeführte und gegen die Feststellungen zur Menge des überlassenen Suchtgifts gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) nimmt überwiegend nicht auf aktenkundiges Beweismaterial Bezug, sondern versucht, aus den Erwägungen der Tatrichter Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen abzuleiten (RIS‑Justiz RS0119424). Letztere weckt die Beschwerde auch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Ergebnisse der Gesprächsüberwachung und der Standortbestimmung.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde ohne inhaltliche Argumentation auch gegen die Schuldsprüche I./2./ und I./3./ richtet, war auf sie keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO), weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass dem Erstgericht zu II./2./ ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist, weil den Entscheidungsgründen zwar (hinreichend erkennbar [US 3 iVm US 13 und 23]) der Vorsatz des Angeklagten Abdoul D***** zu entnehmen ist, das von ihm in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aufbewahrte Suchtgift vorschriftswidrig zu besitzen, nicht aber jener auf Inverkehrsetzung einer ebensolchen Menge. Die ausschließlich im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) enthaltene Erwähnung des Besitzes von 383 Gramm Cannabiskraut „mit dem Vorsatz (...), dass es in Verkehr gesetzt werde“ (US 3), ersetzt diese fehlenden Feststellungen nicht (RIS-Justiz RS0114639). Die Konstatierungen tragen daher zu II./2./ nur einen Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG, nicht aber einen solchen nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG.

Zu III./1./ wurde der Angeklagte Tahir D***** zu Unrecht mehrerer statt bloß eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt (Z 10; s aber auch US 21 [„das Verbrechen“]), weil der zur ständigen Rechtsprechung gewordene Ansatz, welcher auf exakter Abgrenzbarkeit einzelner Grenzmengen zueinander beruht und durch den § 28a Abs 1 SMG auf diese Weise mehrfach begründet werden konnte (vgl RIS-Justiz RS0112225 [T11, T14], RS0124018), vom Obersten Gerichtshof aufgegeben wurde, vielmehr Bezugspunkt des Suchtgifthandels eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge ist, somit eine gesetzliche (auf exakt eine Grenzmenge bezogene) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG im geltenden Recht nicht aufzufinden ist (12 Os 21/17f [verstärkter Senat], EvBl 2018/13, 83). Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass eine Zusammenfassung für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigender Suchtgiftquanten zur Begründung von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 SMG aufgrund von Additionsvorsatz (neuerlich RIS-Justiz RS0124018) weiterhin möglich ist.

Zu Unrecht mehrerer statt bloß eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (III./2./) wurde der Angeklagte Tahir D***** schließlich wegen des Besitzes von 5,68 Gramm Cannabiskraut schuldig erkannt (Z 10; s aber auch US 21 [„das Vergehen“]).

Da sich sämtliche Subsumtionsfehler weder auf die Strafrahmenbildung noch bei der Strafzumessung auswirkten, sah sich der Oberste Gerichtshof mangels konkreten Nachteils der Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen veranlasst (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung über die Berufungen angesichts dieser Klarstellungen nicht an die fehlerhaften Subsumtionen gebunden (RIS-Justiz RS0118870; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 27/1).

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