OGH 13Os9/12s

OGH13Os9/12s30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Prof. Michael R***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 und 11 dritter Fall FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Prof. Michael R***** sowie der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 20. Oktober 2011, GZ 35 Hv 14/11p-48, und die Beschwerde des Angeklagten Prof. Michael R***** gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG und demzufolge auch im Strafausspruch sowie der bekämpfte Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ebenso wie jene der Finanzstrafbehörde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Finanzstrafbehörde auf die Kassation des Strafausspruchs, Ersterer mit seiner Beschwerde auf die Aufhebung des Beschlusses auf Erteilung einer Weisung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Prof. Michael R***** (richtig) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes S***** gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer um rund 111.000 Euro sowie an Umsatzsteuer um 100.000 Euro bewirkt, indem er für das Jahr 2005 keine Abgabenerklärungen erstattete.

Gleichzeitig erging ein Freispruch von den Anklagevorwürfen (ON 16), es hätten

I) Prof. Michael R***** im Bereich des Finanzamtes S***** gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten durch das Unterlassen der Erstattung von Abgabenerklärungen für die Jahre 1996 bis 2005 Verkürzungen an Einkommen- und Umsatzsteuer um (weitere) etwa 832.000 Euro bewirkt und

II) Gabriele R***** zu den Finanzvergehen des Prof. Michael R***** dadurch vorsätzlich beigetragen, dass sie Vertragsverhältnisse zwischen ihr und der G***** sowie zwischen ihr und ihrem Gatten Prof. Michael R***** vorschob und diesem dadurch ermöglichte, seine in den Jahren 1996 bis 2005 erzielten Einkünfte zu verschleiern.

Prof. Michael R***** bekämpft seinen Schuldspruch mit auf Z 2, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gegründeter Nichtigkeitsbeschwerde, die Finanzstrafbehörde ficht die Freisprüche mit auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Nur jener des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Prof. Michael R*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) ist die Auskunft des Kreditschutzverbands 1870 (KSV) vom 27. Juli 2009 (ON 14 S 657 f) kein dem Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO unterliegendes Protokoll, weil sie kein amtliches Schriftstück ist, in dem Aussagen von Zeugen oder Mitbeschuldigten festgehalten sind (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 30). Die angesprochene Auskunft ist vielmehr eine Urkunde im Sinn des § 252 Abs 2 StPO, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung zu Recht verlesen wurde (ON 45 S 31).

Schon weil die KSV-Auskunft kein Protokoll oder anderes amtliches Schriftstück über eine Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren darstellt, geht auch die Erklärung, deren Verlesung „hilfsweise“ aus Z 2 des § 281 Abs 1 StPO zu rügen, ins Leere.

Im Übrigen sei festgehalten, dass die Behauptung, das Erstgericht stütze die Feststellungen, wonach die G***** (im Folgenden G*****) ein (in Liechtenstein ansässiges) nicht operativ tätiges Unternehmen gewesen sei, das der Verschleierung der Einkünfte des Beschwerdeführers gedient habe, (gemeint: ohne dies offenzulegen) auf die genannte Auskunft, nicht nachvollziehbar ist, zumal die angesprochene Urkunde zu diesem Themenkomplex keine Aussage trifft (ON 14 S 659).

Indem die weitere Verfahrensrüge (Z 4) die amtswegige Verlesung der KSV-Auskunft vom 27. Juli 2009 releviert, geht sie schon im Ansatz fehl, weil ihr insoweit kein Antrag an das Schöffengericht zu Grunde liegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 314). Der bloße Protest gegen die Vornahme dieser Prozesshandlung durch den Vorsitzenden (ON 45 S 31) stellt keine hinreichende Basis für eine Rüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO dar (14 Os 30/00, SSt 63/96).

Der Vollständigkeit wegen sei festgehalten, dass auch dieser Protest nicht erkennen ließ, aus welchem Grund die kritisierte Verlesung (ohne Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 2 oder Z 3 StPO zu begründen [Ratz, WK-StPO § 281 Rz 57]) unzulässig gewesen sein soll.

Dem Antrag auf Vernehmung des N. B***** und auf Beischaffung (sowie Verlesung) des Aktes StV 1/2-ZLNR 918/01 des Finanzamtes München I zum Beweis dafür, dass „die angeblichen und vorliegenden Schreiben der C***** an Herrn R***** nur Textbausteine sind, die aus einer CD mit gestohlenem Datenmaterial stammen“ (ON 45 S 25 f), folgte das Schöffengericht zu Recht nicht, weil es das Beweisthema als durchaus „möglich“ zugrunde legte (ON 45 S 29; § 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl RIS-Justiz RS0099135 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).

Soweit die Beschwerde (auch aus Z 5) vorbringt, das Erstgericht hätte bei Richtigkeit der unter Beweis zu stellenden Umstände nicht davon ausgehen dürfen, dass das Schreiben der C***** AG vom Mai oder Juni 1993 (ON 14 S 199) dem Beschwerdeführer zugegangen sei (US 5, 15), wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die von der Mängelrüge (Z 5) vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Urteilskonstatierungen, wonach die G***** (mit Sitz in Liechtenstein) eine „Domizil- bzw Briefkastenfirma“, also ein operativ nicht tätiges Unternehmen, das der Verschleierung der Einkünfte des Beschwerdeführers diente, gewesen sei, findet sich auf den US 15 bis 20.

Zur Kritik an der Heranziehung der abgabenbehördlichen Erhebungsergebnisse zur Urteilsbegründung genügt der Hinweis, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Judikatur die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS-Justiz RS0087030). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit folgt daraus, dass das erkennende Gericht die abgabenrechtlichen Erhebungsergebnisse - sofern sie (wie hier: ON 45 S 31) in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 StPO) - seinen Feststellungen prinzipiell (nach Maßgabe des § 258 Abs 2 StPO) zu Grunde legen kann. Die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe sich dabei eines - insoweit unzulässigen (Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 5) - Pauschalverweises bedient, trifft nicht zu (US 15, 16, 18, 19).

Die Tatrichter gehen unmissverständlich davon aus, dass der Beschwerdeführer sich leugnend verantwortete und dabei insbesonders behauptete, die G***** sei ein operativ tätiges Unternehmen gewesen (US 14). Die Urteilspassage, wonach der Beschwerdeführer betont habe, die G***** sei „keine“ operativ tätige Gesellschaft gewesen (US 15 erster Absatz), geht auf einen offensichtlichen Schreibfehler zurück, wie auch der Blick auf den Folgesatz (US 15 zweiter Absatz), nach dem der Verantwortung des Beschwerdeführers die Ergebnisse des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehen, zeigt. Die eingewendete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt daher nicht vor.

Die Aussagen der Zeugen E***** und K***** hat das Erstgericht keineswegs mit Stillschweigen (Z 5 zweiter Fall) übergangen (US 16).

Mit der eigenständigen Interpretation des Schreibens Dris. Ba***** vom 3. Februar 1993 (ON 14 S 205) orientiert sich die Beschwerde nicht an den Kriterien der Nichtigkeitsgründe.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das Erstgericht ua dieses Schreiben als Begründung für die Annahme heranzieht, dass die gegenständlichen Einkünfte (nicht der G*****, sondern) dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind. Das wesentliche Urteilsargument besteht in diesem Zusammenhang allein darin, dass das Schriftstück (nicht an die G*****, sondern) an den Beschwerdeführer gerichtet gewesen ist, aus welchem Grund inhaltliche Details des Schreibens insoweit unerheblich sind.

Zur Begründung der (zentralen) Urteilsannahme, dass die in Rede stehenden Einkünfte (nicht der G*****, sondern) dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind, verweist das Erstgericht unter anderem auf Tz 22 des Betriebsprüfungsberichts des Finanzamtes S*****, wonach die dem Betriebsprüfer bekannt gewesenen Konten der G***** in S***** geführt worden seien und der Beschwerdeführer auf zwei dieser Konten (zeitlich nacheinander) zeichnungsberechtigt gewesen sei (US 16 iVm ON 14 S 91). Entgegen der Beschwerde steht die Fax-Nachricht der G***** vom 19. Oktober 2001 (Beilage ./XIII zu ON 45) der diesbezüglichen Argumentationskette keineswegs erörterungsbedürftig entgegen. Wenngleich darin ersucht wird, den jeweiligen Habensaldo der in S***** geführten Konten zu einem Stichtag auf ein in Liechtenstein geführtes Konto zu überweisen, ist nämlich auch in dieser Fax-Nachricht festgehalten, dass der gesamte Zahlungsverkehr (mit Kunden etc) weiterhin über die S***** Konten abzuwickeln ist.

Indem die Beschwerde aus Vollmachten und anderen Schriftstücken anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich einmal mehr unzulässig gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Der Rüge zuwider ist - nach der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den zur Anfechtung berechtigten Beschwerdeführer, als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar, dass das Erstgericht die vom Schuldspruch umfassten Einkünfte (nicht der G*****, sondern) dem Beschwerdeführer zurechnete. Die behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt daher nicht vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419).

Soweit die Beschwerde die Frage nach dem Inhalt des den gegenständlichen Einkünften zu Grunde liegenden Vermittlungsvertrags releviert, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nämlich allein die Feststellung, dass das vertraglich vereinbarte Entgelt von 600.000 Euro (nicht der G*****, sondern) dem Beschwerdeführer zugeflossen ist.

Es sei daher nur der Vollständigkeit halber festgehalten, dass das Erstgericht den von der Beschwerde reklamierten Vertragsinhalt ohnedies feststellt (US 11).

Entgegen der Rüge ist die Konstatierung, die 600.000 Euro seien an den Beschwerdeführer zurückgeflossen (US 11), keineswegs undeutlich.

Die vermisste Begründung der Annahme dieses Zahlungsflusses findet sich auf den US 15 bis 20.

Unrichtig ist die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht stütze die Annahme des dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Zuflusses von 600.000 Euro an den Beschwerdeführer im Jahr 2005 (unmittelbar) auf eine die Veranlagungsjahre 1996 bis 2000 betreffende Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats (ON 14 S 121 ff). In der angesprochenen Urteilspassage (US 18) schließen sich die Tatrichter vielmehr der - gerade nicht auf ein bestimmtes Veranlagungsjahr bezogenen - Argumentation des Unabhängigen Finanzsenats an, wonach die zwischen der G***** und dem Beschwerdeführer gewählte „Vertragskonstruktion“ nur unter der Voraussetzung sinnvoll ist, dass die offiziell der Domizilgesellschaft (G*****) zugerechneten Erträgnisse letztendlich wieder dem operativ Tätigen (Beschwerdeführer) zufließen (ON 14 S 165).

Ausgehend von der Urteilsfeststellung, wonach das Vertragsentgelt von 600.000 Euro (nicht der G*****, sondern) dem Beschwerdeführer zugeflossen ist, bedurften die Beteiligungsverhältnisse an der G***** mangels Entscheidungswesentlichkeit unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit keiner Erörterung.

Die Konstatierungen, wonach einerseits nicht festgestellt werden könne, dass sämtliche in den Jahren 1996 bis 2005 im Zusammenhang mit dem „Ga*****“ erbrachten Leistungen dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind (US 14), andererseits aber der Zufluss von 600.000 Euro an diesen im Jahr 2005 sehr wohl als gegeben angesehen werde (US 11), widersprechen (Z 5 dritter Fall) einander nicht.

Die Beschwerdeerklärung, das diesbezügliche Vorbringen „auch als Nichtigkeit in Verbindung mit Zif. 11 sowie Zif. 9 ausdrücklich geltend“ zu machen, ist unverständlich.

Die weitwendigen Ausführungen zu einem allfälligen Lizenzvertrag lassen keinen Bezug zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen.

Voraussetzung für die prozessordnungskonforme Darstellung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5a StPO ist, dass der Beschwerdeführer seine Argumentation „aus den Akten“, also (sofern nicht die Verletzung der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsfindung behauptet wird) aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) entwickelt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481). Soweit sich die Tatsachenrüge darin erschöpft, ohne Aktenbezug eigene Überlegungen zur Schuldfrage vorzutragen, entzieht sie sich daher einer inhaltlichen Erwiderung.

Als Aufklärungsrüge verlangt der Nichtigkeitsgrund - hier nicht vorgenommene - Darlegungen darüber, aus welchem Grund der Beschwerdeführer an einer auf Durchführung der angesprochenen Beweisaufnahme gerichteten Antragstellung gehindert war (RIS-Justiz RS0117516, RS0117749, RS0119310).

Aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass das auf die amtswegige Beischaffung des Belegs über die Überweisung der gegenständlichen 600.000 Euro an die G***** gerichtete Vorbringen auch inhaltlich fehlgeht, weil das Erstgericht einen solchen Zahlungsfluss gar nicht ausschließt, vielmehr konstatiert, dass der genannte Betrag an den Beschwerdeführer zurückgeflossen ist (US 11).

Der mit einem Eingangsstempel vom 5. Oktober 2011 versehene Internet-Ausdruck (ON 42 S 83) und die Fax-Nachricht vom 19. Oktober 2001 (Beilage ./XIII zu ON 45) sind nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Mit Beweiswerterwägungen zum Schreiben Dris. Ba***** vom 3. Februar 1993 (ON 14 S 205) und zur Aussage des Zeugen Hans Georg O***** (ON 45 S 9 ff) argumentiert die Beschwerde einmal mehr auf dem Niveau einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 11) die inländische Steuerpflicht des Beschwerdeführers bestreitet, ohne von den Urteilsfeststellungen, wonach im Tatzeitraum dessen Wohnsitz in Österreich gelegen und er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes S***** abgabepflichtig gewesen ist (US 11, 21), auszugehen, verfehlt sie den (auf der Sachverhaltsebene) im von den Tatrichtern festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Weshalb in Bezug auf einen Vertrag über die Vermittlung von Lizenzrechten eine Umsatzsteuerverkürzung „denkunmöglich“ sein soll, wenn der Erwerber der Lizenz zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (nominell Z 11, der Sache nach Z 9 lit a), wird nicht klar.

Soweit die Beschwerde rechtsirrtümliches (§ 9 FinStrG) Handeln einwendet (nominell Z 11, der Sache nach Z 9 lit b), ohne Verfahrensergebnisse aufzuzeigen, die in Richtung des angesprochenen Schuldausschließungsgrundes weisende Feststellungen indizieren würden, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 602).

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen verweist die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend darauf, dass die Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer in der Absicht handelte, sich „durch das mangelnde Offenlegen und Erklären der Einnahme von 600.000 Euro eine in Höhe der Abgabenhinterziehung für längere Zeit wirksame Einnahmequelle zu erschließen“ (US 12), den Schuldspruch nach der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 FinStrG nicht tragen, weil darin keine Feststellungen zur Intention, sich durch die „wiederkehrende“ Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, enthalten sind.

Hinzu kommt, dass die Konstatierung (zum Tatbestandselement der Absicht, sich eine „fortlaufende“ Einnahme zu verschaffen), die Absicht des Beschwerdeführers sei auf das Erschließen einer „für längere Zeit“ wirksamen Einnahmequelle gerichtet gewesen, den erforderlichen Sachverhaltsbezug vermissen lässt (Lässig in WK² FinStrG § 38 Rz 9; zu den diesbezüglichen Kriterien siehe Jerabek in WK² § 70 Rz 7).

Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war der Schuldspruch in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO), was die Kassation des Strafausspruchs und des - verfehlt in Urteilsform ergangenen (Lässig in WK² FinStrG § 26 Rz 9) - Beschlusses auf Erteilung einer Weisung nach sich zog.

Auf die Sanktionsrüge (Z 11) war daher - abgesehen von den bereits behandelten, der Sache nach auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO zielenden Argumenten - nicht einzugehen.

Da es - entgegen der Beschwerde - selbst auf Basis der (im Übrigen unsubstantiierten) Behauptung, der Beschwerdeführer sei mittlerweile altersbedingt nicht mehr geschäftlich tätig, sehr wohl „vorstellbar“ ist, dass er im Jahr 2006 in der Absicht delinquierte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, hatte eine sofortige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache nicht zu ergehen. Die Frage, ob gewerbsmäßiges Handeln vorlag, wird vielmehr nach Durchführung einer neuerlichen Hauptverhandlung mittels entsprechender Feststellungen zu klären sein (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Sollten die Tatrichter dabei erneut Gewerbsmäßigkeit annehmen, werden sie zu beachten haben, dass (ua) § 38 FinStrG in der vor dem Inkrafttreten der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 geltenden Fassung gemäß § 265 Abs 1p FinStrG auf vor dem 1. Jänner 2011 begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden ist.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde:

Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht gründe den Freispruch allein darauf, dass die Abgabenfestsetzung „nur aufgrund einer Schätzung erfolgte und deshalb ein strafbestimmender Wertbetrag nicht mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit ermittelt werden kann“ (Z 5 vierter Fall), trifft nicht zu. Die vermisste Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens findet sich auf den US 18 bis 21.

Soweit die Beschwerde einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette isoliert angreift, ohne sich an deren Gesamtheit zu orientieren, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0116504, RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Der Einwand der Verletzung der Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung (§ 2 Abs 2 StPO) ist Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 5a) als Aufklärungsrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 477 bis 480) und kann demgemäß nicht zum Nachteil des Angeklagten vorgebracht werden.

Mit der Prognoserechnung für die Jahre 2005 bis 2007 (ON 14 S 619) haben sich die Tatrichter ohnedies auseinandergesetzt (US 19 [Z 5 zweiter Fall]). Indem die Beschwerde aus dieser Prognoserechnung dem Anklagevorwurf entsprechende Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Soweit sich die Rüge hinsichtlich der Einkünfte des Angeklagten Prof. Michael R***** auf angebliche Aussagen des Genannten hiezu beruft, ohne eine entsprechende Fundstelle in den - umfangreichen - Akten zu nennen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0124172).

Die Schreiben der C***** AG vom 12. Mai 1993 (ON 14 S 199) und des Prof. DDr. Herbert Ba***** vom 3. Februar 1993 (ON 14 S 205 = ON 14 S 629) sowie die von der Betriebsprüfung festgestellte Zeichnungsberechtigung des Angeklagten Prof. Michael R***** auf zwei in S***** geführten Konten der G***** (ON 14 S 91) haben die Tatrichter sehr wohl kritisch gewürdigt (US 15 f).

Inwieweit diesbezüglich der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO verwirklicht sein soll, wird nicht klar.

Die Feststellungen, wonach einerseits die G***** eine „Domizil- bzw Briefkastenfirma“ gewesen sei (US 11), andererseits aber nicht festgestellt werden könne, dass sämtliche diesem Unternehmen offiziell zugerechnete Einkünfte dem Angeklagten Prof. Michael R***** (und nicht etwa anderen Personen) zugeflossen sind (US 14), widersprechen (Z 5 dritter Fall) einander keineswegs.

Mit den hypothetischen Überlegungen zu den Angaben des Angeklagten Prof. Michael R***** über seine in den Jahren 1995 bis 2005 erzielten Einkünfte orientiert sich die Beschwerde nicht an den Kriterien der Nichtigkeitsgründe.

Gleiches gilt für die urteilsfremden Spekulationen zu angeblichen Beitragshandlungen der Angeklagten Gabriele R*****.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO wird in Bezug auf diese Angeklagte zwar formell angesprochen, Verfahrensergebnisse, die insoweit den tatrichterlichen Feststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen, werden aber nicht genannt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit wegen sei festgehalten, dass die Urteilsannahme, der Angeklagte Prof. Michael R***** hätte die Abgabenerklärungen für das Jahr 2005 spätestens am 30. April 2006 erstatten müssen (US 11), nicht zutrifft. Gemäß § 134 Abs 1 erster Satz BAO sind die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die (Jahres-)Umsatzsteuer nämlich zwar grundsätzlich bis Ende April, bei elektronischer Übermittlung aber bis Ende Juni des jeweiligen Folgejahres einzureichen. Vorsätzliche Abgabenhinterziehung durch (wie hier) Unterlassen der Abgabe der Jahressteuererklärung ist daher nach dieser Gesetzeslage am 30. Juni des betreffenden Folgejahres vollendet, wenn die Behörde die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder (Jahres-)Umsatzsteuer bis zu diesem Zeitpunkt infolge Unkenntnis von der Anspruchsentstehung nicht festsetzen kann (Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 36).

In Bezug auf den freisprechenden Teil der angefochtenen Entscheidung sei klargestellt, dass das Finanzstrafgesetz keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als jenen nach § 214 FinStrG kennt, sodass nach Maßgabe des Gesetzeswortlauts jeder Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens (unabhängig von der dabei vom Erstgericht gewählten Bezeichnung) als ein solcher nach § 214 FinStrG anzusehen ist.

Dies folgt schon aus dem unmissverständlichen Wortlaut des § 214 Abs 2 FinStrG, wonach ein Freispruch wegen Unzuständigkeit auch dann zu fällen ist, wenn aus anderen Gründen ein Schuldspruch nicht gefällt werden kann. Hinzu kommt, dass aufgrund des in Art 94 B-VG normierten gewaltentrennenden Grundprinzips der Bundesverfassung (Art 44 Abs 3 B-VG) alle Aufgaben der Vollziehung vom Gesetzgeber nach objektiven Kriterien entweder der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung übertragen werden müssen. Demnach hat der Oberste Gerichtshof stets hervorgehoben, dass die gerichtliche Beurteilung eines Sachverhalts, der gemäß § 53 FinStrG in den Kompetenzbereich der Finanzstrafbehörde fällt, unzulässig ist (RIS-Justiz RS0114397). Daraus folgt aber logisch, dass das Gericht in Finanzstrafsachen einen anderen Freispruch als den wegen Unzuständigkeit gar nicht fällen kann, weil es außerhalb seiner Zuständigkeit liegende Beurteilungen nicht - also weder positiv noch negativ - vornehmen darf.

Gründet das Gericht seinen Freispruch auf Sachverhaltsannahmen, welche die Möglichkeit irgendeines finanzstrafrechtlich relevanten Verhaltens ausschließen, so steht einer nachträglichen Verfolgung durch die Finanzstrafbehörde freilich das - von dieser wahrzunehmende - Verfolgungshindernis des Art 4 des 7. ZPMRK entgegen (zum Ganzen eingehend Lässig in WK² FinStrG § 214 Rz 1).

Mit ihren Berufungen waren die Finanzstrafbehörde und der Angeklagte Prof. Michael R***** auf die Kassation des Strafausspruchs, Letzterer zudem mit seiner Beschwerde auf die Aufhebung des Beschlusses auf Erteilung einer Weisung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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