European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00050.22K.1019.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A I) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A II) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (B) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in L*
(A) am 3. Oktober 2021 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Personen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) * T*
(I) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon und 300 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er ein geöffnetes Klappmesser zunächst im Abstand von ca 20 cm gegen T* richtete, ihm dieses sodann an den Hals hielt und ihn aufforderte, sich ruhig zu verhalten (US 3), während die Mittäter die Wohnung durchsuchten und die Sachen an sich nahmen, sowie einer der Mittäter beim Verlassen der Wohnung äußerte „Wenn du zur Polizei gehst, dann wird was passieren“ und dies mit einer Geste des Kehledurchschneidens unterstrich, sowie
(II) im Zuge der zu A I geschilderten Tat (US 3 f) durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er T*, während er zunächst das Klappmesser gegen ihn richtete und ihm dieses sodann an den Hals hielt, aufforderte, die Codes zu nennen, zu nachstehenden Handlungen genötigt, und zwar zur Bekanntgabe
1) des Codes seiner Bankomatkarte und
2) des PIN‑Codes seines Mobiltelefons, weiters
(B) am 7. September 2021 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer Person als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) * H* fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von 1.105 Euro, und zwar Uhren, Schmuck, eine Sonnenbrille, ein Mobiltelefon und eine Lederbox mit Münzgeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte – verfehlt als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete – Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Entgegen dem zu A erhobenen Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ließ das Erstgericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen T* in Bezug auf die Verwendung einer Waffe durch den Angeklagten die Angaben der Zeugen * Ha* und * Z* nicht unberücksichtigt (US 7, zum Umfang der Erörterungspflicht von Beweisaussagen vgl RIS‑Justiz RS0106642).
[5] Weshalb der Entlassungsbrief des Kepler Universitätsklinikums über einen dortigen stationären Aufenthalt des Zeugen T* vom 8. Oktober 2021 bis zum 13. Oktober 2021 (ON 41) mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der Angaben dieses Zeugen zum Verüben eines Raubes (A I) unter Verwendung eines Messers erheblich und solcherart erörterungsbedürftig (hiezu eingehend Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431 f) sein soll, macht die Mängelrüge (Z 5) nicht klar.
[6] Das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 15. März 2022 (ON 78) umfasst 18 Seiten, aus welchem Grund die Kritik fehlender Erörterung von „ON 78, PS 19“ unverständlich ist.
[7] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B Feststellungen zu einer im Sinn des § 127 StGB tatbestandsmäßigen Wegnahme der Diebsbeute durch den Angeklagten oder einen Mittäter vermisst, dabei aber die dazu getroffenen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit (US 3 und 5 ff iVm US 2) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[8] Die Argumentation der Subsumtionsrüge (Z 10), der vom Schuldspruch A umfasste Sachverhalt stelle zufolge tatbestandlicher Handlungseinheit (siehe dazu 13 Os 1/07g, SSt 2007/27 [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0122006) ausschließlich den Tatbestand des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB her, weshalb der Schuldspruch nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A II) rechtlich verfehlt sei, legt nicht dar, warum die dem Opfer zusätzlich abgenötigten Informationen (PIN‑Codes) geeignete Tatobjekte im Sinn des § 142 StGB sein sollten (dazu eingehend mwN Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 11 f und 16 f sowie Hintersteininger SbgK § 142 Rz 10 f). Solcherart leitet sie die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).
[9] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die erstrichterliche Annahme echter Konkurrenz zwischen den in den Schuldsprüchen A I und A II bezeichneten strafbaren Handlungen fallbezogen unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion nicht zu beanstanden ist (14 Os 180/08i, SSt 2009/10; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 69, Hintersteininger SbgK § 142 Rz 72;vgl auch 11 Os 131/10i, SSt 2011/10).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit ebenso schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[11] Über die Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)