OGH 13Os49/23i

OGH13Os49/23i20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Finanzstrafsache gegen Mag. * S* wegen Finanzvergehen der Abgaben-hinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. Jänner 2023, GZ 37 Hv 46/22b‑29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00049.23I.0920.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * S* mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts * als Einzelunternehmer (US 6) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen an Einkommen-steuer bewirkt, und zwar durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen für jedes derJahre 2011 bis 2015 (nach Veranlagungsjahren aufgegliedert) um insgesamt 330.008 Euro sowie durch die Nichtabgabe einerJahressteuererklärung für das Jahr 2016 um 108.799 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) ist die Abweisung (ON 28 S 21 f) des Antrags auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass „im angeklagten Zeitraum kein Überschuss, welcher einkommenssteuerpflichtig ist, beim Angeklagten vorgelegen hat“, „dies zum Beweis dafür, dass eine Gebarung, sowie sie der Zeuge G* beschrieben hat, in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht möglich ist“ (ON 28 S 21), nicht zu beanstanden. Verkennt sie doch, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Rechtsprechung die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzung des im jeweiligen Finanz-strafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt. Die Beiziehung eines Sachverständigen kann daher nur dann erfolgreich begehrt werden, wenn im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel aus konkreten Details der diesbezüglichen Tatsachengrundlagen schlüssig abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0087030; Lässig in WK2 FinStrG Vor FinStrG Rz 6).

[5] Solche Anhaltspunkte sind dem Antrag jedoch nicht zu entnehmen.

[6] Im Rechtsmittel nachgetragene Ausführungen zur Antragsfundierung haben angesichts des sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[7] Die Feststellungen zur Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge haben die Tatrichter unter eingehender Auseinandersetzung mit den von der Finanzstrafbehörde vorgenommenen Schätzungen (zur Zulässigkeit der Heranziehung von auf Schätzungen beruhenden Abgabenbescheiden vgl RIS‑Justiz RS0114105) unter Berücksichtigung der Aussagen des Betriebsprüfers * G* als Zeugen begründet (US 7 bis 10).

[8] Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang jeweils mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen, aber ohne Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl aber RIS-Justiz RS0119370), einen Widerspruch (Z 11 erster Fall iVm Z 5 dritter Fall) sieht und die Begründung als offenbar unzureichend (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) beurteilt, zeigt sie einen formellen Begründungsmangel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht auf.

[9] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider steht die Aussage des Zeugen G*, wonach sämtliche – zur abgabenbehördlichen Schätzung des zusätzlich erzielten Einkommens herangezogenen – Privatentnahmen in der Buchhaltung des Beschwerdeführers erfasst worden seien (ON 28 S 11 f), den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7) nicht gesondert erörterungsbedürftig entgegen.

[10] Entgegen der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) widerspricht die Ableitung eben dieser Feststellungen – neben der Berücksichtigung des objektiven Tatgeschehens (vgl dazu RIS‑Justiz RS0098671) – insbesondere auch aus der langjährigen Tätigkeit und beruflichen Stellung des Angeklagten als Rechtsanwalt unter Berücksichtigung seiner juristischen Ausbildung (US 11) weder den Gesetzen logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

[11] Soweit sich die Beschwerde mit eigenen Erwägungen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zum Wissensstand eines Rechtsanwalts und dem Vorliegen „klassische[r] Schwarzarbeit“ (US 11) wendet, bekämpft sie diese bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[12] Das Vorliegen erheblicher Bedenken gegen die Feststellungen zur Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge (Z 11 erster Fall iVm Z 5a) wird bloß unsubstantiiert behauptet.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Hinzuzufügen bleibt, dass der Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG (in der weiterhin geltenden Fassung BGBl 1975/335) – ungeachtet wiederholter Änderungen des gesetzlichen Umfelds dieser Bestimmung – von den jeweiligen Tatzeitpunkten bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz unverändert blieb. Urteilszeitrecht und Tatzeitrecht sind daher hier unter dem Aspekt der Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO, dazu RIS‑Justiz RS0087102 und 13 Os 129/18x) ident (jüngst 13 Os 119/22g).

[15] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[16] Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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