OGH 13Os38/11d

OGH13Os38/11d14.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Walter K***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (idF vor BGBl I 2010/104) FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 27. Jänner 2011, GZ 13 Hv 74/10t-16, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter K***** (richtig:) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (idF vor BGBl I 2010/104) FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er in den Jahren 2003 bis 2007 im Bereich des Finanzamts Kirchdorf-Perg-Steyr gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2006 um insgesamt 123.336,57 Euro bewirkt, indem er im Rahmen der Jahressteuererklärungen zu Unrecht Betriebsausgaben geltend machte und Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit nicht vollständig bekanntgab.

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht die Anträge auf Einholung „eines Gutachtens eines Buch-Sachverständigen sowie eines berufskundlichen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die dem Angeklagten zugemessenen Zuschätzungen des Finanzamts nicht richtig sind und die hohen Einnahmen aus Massage- und sonstigen Tätigkeiten gar nicht möglich und machbar sind“, und „eines medizinischen Gutachtens sowie eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte aufgrund seiner körperlichen Beschwerden Tätigkeiten nur in eingeschränktem Umfang durchführen konnte“ (ON 14 S 2), zu Recht ab (ON 15 S 26 f), weil diese Anträge nicht erkennen ließen, warum die begehrten Beweisaufnahmen das behauptete Ergebnis erwarten lassen, und solcherart auf eine im Hauptverfahren nicht zulässige Erkundungsbeweisführung zielten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330, 331).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Das Erstgericht setzte sich im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinander und legte (logisch wie empirisch einwandfrei) dar, aus welchen Gründen es bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG) von den Ergebnissen des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens ausging (US 8 bis 16).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) darüber hinaus Erwägungen zu einzelnen Details der Depositionen des Beschwerdeführers vermisst (Z 5 zweiter Fall), verkennt sie, dass die Tatrichter mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gerade nicht dazu verhalten sind, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen eine Geschehensvariante sprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Unvollständig im Sinn des zweiten Falls des § 281 Abs 1 Z 5 StPO ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§§ 13 Abs 3 zweiter Satz, 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421). Einwände aus Z 5 zweiter Fall sind daher stets aus dem in der Hauptverhandlung Vorgekommenen zu entwickeln, welchem Erfordernis die Beschwerde nicht gerecht wird, indem sie - ohne jeglichen Bezug zur Aktenlage - auf „eine Aufstellung der Steuerberatungsgesellschaft ProConsult“ und „das von der BACA beigeschaffte interne Papier zur Beurteilung der Krediteinräumung“ rekurriert.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht erkennen lässt, welchen tatrichterlichen Feststellungen die „Aufstellung“ und das „interne Papier“ erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Da (auch) über Weisungen nach § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG (nicht im Urteil, sondern) mit Beschluss zu entscheiden ist (§ 494 Abs 1 erster Satz StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG, RIS-Justiz RS0086112), war insoweit gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO eine Beschwerde als erhoben zu betrachten, über die ebenfalls das Oberlandesgericht zu befinden hat (§ 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Dabei wird zu beachten sein, dass eine solche - nach dem Gesetz zwingend zu erteilende - Weisung den zu entrichtenden Betrag konkretisieren muss (RIS-Justiz RS0053185), wobei nur jener Betrag Weisungsgegenstand sein kann, der noch aushaftet (RIS-Justiz RS0086125). Missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Rechtssatz RIS-Justiz RS0116853, wonach die Erteilung der Weisung „eine entsprechende Schuldenkonkretisierung durch Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO)“ voraussetze. Ein Bescheid nach § 224 Abs 1 erster Satz BAO ist nämlich - soweit hier von Bedeutung - auf der Basis des § 11 BAO zu erlassen, der seinerseits die rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Demnach ist das Strafurteil die Grundlage für den Haftungsbescheid und nicht dieser für den - in aller Regel gemeinsam mit dem Urteil zu fassenden - Weisungsbeschluss (vgl VwGH 98/16/0411, VwSlg 7355 F; VwGH 99/16/0141, ÖStZB 2000/387, 442). Die Entscheidung 12 Os 54/02, SSt 64/61 drückt auch genau dies aus, indem sie festhält, die „mit Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO) geltend zu machende“ Verbindlichkeit des Angeklagten sei vom Gericht festzustellen, wird also im angeführten Rechtssatz sinnentstellend wiedergegeben (13 Os 124/10z; 13 Os 129/10k, EvBl 2011/49, 327).

Darüber hinaus wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben, dass nach seit dem Jahr 1977 (SSt 48/1) ständiger Judikatur (zuletzt 15 Os 32/06d) zu veranlagende Abgaben (erst) mit Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids (zu niedrig) festgesetzt sind (RIS-Justiz RS0086391, RS0086429, RS0086436, RS0086462). Da das Erstgericht zwar feststellte, dass auf der Basis der unrichtigen Jahressteuererklärungen des Beschwerdeführers Abgabenbescheide erlassen worden waren (US 3), aber keine Konstatierungen zur allfälligen Rechtskraft dieser Bescheide traf, lässt sich somit nicht beurteilen, ob die Taten vollendet wurden. Da die Tatrichter den (gemäß § 23 Abs 2 FinStrG auch im Finanzstrafverfahren zu beachtenden) Milderungsumstand des § 34 Abs 1 Z 13 StGB nicht annahmen (US 17), leidet das Urteil sohin am Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (RIS-Justiz RS0122137), welcher - in der Beschwerde nicht aufgegriffene - Umstand im Rahmen der Berufungsentscheidung wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0122140).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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