OGH 13Os159/11y

OGH13Os159/11y8.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marcel B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Valeriu P*****, Lucian A*****, Teodor An***** und Ionel R***** sowie die Berufung des Angeklagten Marcel B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. Juli 2011, GZ 39 Hv 71/11d-211a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen über die Konfiskation sowie den Verfall aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Der Angeklagte Marcel B***** wird mit dem den Ausspruch der Konfiskation betreffenden (als „Beschwerde“ bezeichneten) Teil seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Valeriu P*****, Lucian A*****, Teodor An***** und Ionel R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Marcel B*****, Valeriu P*****, Lucian A*****, Teodor An***** und Ionel R***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie im einverständlichen Zusammenwirken mit dem unter einem rechtskräftig Verurteilten Paul C*****, dem abgesondert verfolgten Dan M***** sowie weiteren, bislang unbekannten Mittätern in wechselnder personeller Zusammensetzung vom 17. November 2010 bis zum 29. November 2010 in mehreren Orten Niederösterreichs als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser Vereinigung gewerbsmäßig in zahlreichen Angriffen Bargeld und andere Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert im Urteilstenor genannten Gewahrsamsträgern mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbrechen in Gebäude und Aufbrechen von Behältnissen weggenommen und dies versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Valeriu P***** und Lucian A***** jeweils aus Z 5, von Teodor An***** aus Z 9 lit a, 10 und 11 sowie von Ionel R***** aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Valeriu P*****:

Die Mängelrüge (Z 5) greift einzelne Argumente der tatrichterlichen Beweiswürdigung heraus und entwickelt auf dieser Basis den Einwand unzureichender Urteilsbegründung (Z 5 vierter Fall). Solcherart übergeht sie die Gesamtheit der - eingehenden, den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) - Überlegungen des Erstgerichts (US 20 - 32) und bringt damit den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (RIS-Justiz RS0116504, RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Soweit die Beschwerde darüber hinaus Verfahrensergebnisse anhand eigener Beweiswerterwägungen in eine dem Beschwerdeführer günstige Richtung interpretiert, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Lucian A*****:

Indem sich die Mängelrüge unter Behauptung von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) gegen die Feststellung wendet, wonach der Beschwerdeführer alle ihm angelasteten Angriffe als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) gesetzt habe, und stattdessen Konstatierungen in Richtung von Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) anstrebt, bezieht sie sich infolge rechtlicher Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB (RIS-Justiz RS0090648; Fabrizy in WK² § 12 Rz 13, 16) nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände (RIS-Justiz RS0117604; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Teodor An*****:

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) fehlende Konstatierungen zum auf Zueignung der entfremdeten Sachen gerichteten Vorsatz (§ 5 StGB) behauptet, ohne von der Feststellung, wonach (auch) der Beschwerdeführer bei sämtlichen Taten in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von durch Einbruch begangenen schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 19), auszugehen, verfehlt sie den (auf der Sachverhaltsebene) in den Urteilskonstatierungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die angeführte Urteilsannahme im Zusammenhalt mit der Feststellung, (auch) der Beschwerdeführer habe sich durch die Sachwegnahme unrechtmäßig bereichern wollen (US 19), klar seine Intention zum Ausdruck bringt, die deliktisch erlangten Sachen zu seinem wirtschaftlichen Vorteil zu verwenden, womit der Zueignungsvorsatz durchaus festgestellt wurde (vgl Bertel in WK² § 127 Rz 32 bis 37).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe zwar Konstatierungen zu den Tathandlungen getroffen, durch die Formulierung, die Angeklagten haben in „variierender personeller Zusammensetzung“ (US 18) gehandelt, aber faktenbezogen keine hinreichende Feststellungsgrundlage geschaffen, übergeht die Beschwerde die - wenngleich disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung - sehr wohl vorgenommene Faktenzuordnung (US 27). Gerade aus dieser geht aber im Zusammenhalt mit dem - zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe heranziehbaren (RIS-Justiz RS0098795, RS0117247 [T2 und T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580, 584) - Urteilstenor (US 3, 7, 8, 10) eindeutig hervor, auf welche Zugriffe sich die den Beschwerdeführer betreffenden Feststellungen zu den Tathandlungen (US 17 - 19) beziehen. Der Umstand, dass diese Konstatierungen die Möglichkeit teilweiser Beteiligung (nicht als unmittelbarer Täter, sondern) als Beitragstäter offen lassen, ist mit Blick auf die Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB (RIS-Justiz RS0090648; Fabrizy in WK² § 12 Rz 13, 16) unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion bedeutungslos.

Zur Subsumtionsrüge (Z 10), die hinsichtlich eines Teils der Schuldsprüche mit der Begründung, die diesbezüglichen Tathandlungen des Beschwerdeführers seien nicht festgestellt, eine Subsumtion nach § 278 StGB anstrebt, wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zur - insoweit auf der selben Prämisse aufbauenden - Rechtsrüge verwiesen.

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) vernachlässigt mit dem Einwand eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), dass sich gemäß § 278 Abs 3 StGB als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung (schon) beteiligt, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine - einzige - strafbare Handlung begeht, womit das Vorbringen, die Qualifikationsnorm des § 130 zweiter Fall StGB setze Tatwiederholung begrifflich voraus, fehl geht (vgl auch RIS-Justiz RS0125249; Plöchl in WK² § 278 Rz 36, 60).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ionel R*****:

Soweit die Mängelrüge (Z 5) Urteilsunvollständigkeit einwendet (Z 5 zweiter Fall), angeblich übergangene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) aber nicht deutlich und bestimmt bezeichnet, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass das Erstgericht in eingehender Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen es die leugnende Verantwortung der Angeklagten als widerlegt erachtet (US 20 bis 32), womit es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten war, sich mit sämtlichen Details der Aussagen der Angeklagten auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Indem die Beschwerde den erstgerichtlichen Überlegungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Qualifikationsnorm des § 130 zweiter Fall StGB eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) entwickelt ihre Argumentation nicht - wie vom Gesetz verlangt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481) - aus in der Hauptverhandlung Vorgekommenem (§ 258 Abs 1 StPO).

Die Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe keine Feststellungen zum Vorsatz „des Erstangeklagten“ (gemeint wohl: „des Fünftangeklagten“) getroffen, ignoriert die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 17, 19, 32) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade in den Feststellungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), „bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht davon ausgehen müssen, dass dem Fünftangeklagten lediglich die Einbruchsdiebstähle zur Last gelegt hätten werden können, nicht aber die Mitwirkung an einer kriminellen Vereinigung“, entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer sachbezogenen Erwiderung.

Mit der bloßen Behauptung fehlender Feststellungen zu den Qualifikationsnormen des § 130 StGB wird auch die Subsumtionsrüge nicht aus den diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 17, 19, 32) entwickelt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass die angefochtene Entscheidung mehrfach zum Nachteil der Angeklagten an (von diesen nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO leidet. Das Erstgericht gründete die Aussprüche der Konfiskation und des Verfalls ersichtlich auf §§ 19a Abs 1 und 20 Abs 1 StGB idF des strafrechtlichen Kompetenzpakets (sKp) BGBl I 2010/108 (US 12 bis 14, 35). Da diese Bestimmungen (erst) mit 1. Jänner 2011 in Kraft traten (Art 5 sKp), dürfen die Angeklagten durch deren Anwendung nicht schlechter gestellt werden als nach der zur Tatzeit (November 2010) geltenden Rechtslage (§ 1 Abs 2 StGB).

Die Konfiskation war im StGB idF vor BGBl I 2010/108 nicht vorgesehen. Gemäß der zur Tatzeit geltenden Gesetzeslage sind vermögensrechtliche Anordnungen in Bezug auf das anlässlich der Taten verwendete Kfz und das sichergestellte Einbruchswerkzeug (US 12) nur nach § 20b Abs 1 StGB aF oder nach § 26 Abs 1 StGB möglich. Die Anwendung einer dieser Bestimmungen hat aber zur Voraussetzung, dass entweder die betroffenen Gegenstände der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) unterliegen oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) bereitgestellt oder gesammelt wurden (§ 20b Abs 1 StGB aF) oder dass diese Gegenstände einzuziehen sind, weil dies nach ihrer besonderen Beschaffenheit geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 StGB).

Mögliche Grundlage für das vom Verfallserkenntnis umfasste Bargeld (US 12 bis 14) nach der Gesetzeslage vor BGBl I 2010/108 wäre neben dem Verfall nach § 20b Abs 1 StGB aF die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB aF). Diese unterscheidet sich vom Verfall nach § 20 StGB idgF schon darin, dass sie keinen direkten Zugriff auf sichergestellte Vermögenswerte ermöglicht, sondern bloß einen schuldrechtlichen Anspruch des Staats schafft. Hinzu kommt, dass § 20 Abs 1 StGB aF die Feststellung des Ausmaßes der Bereicherung im Sinn des sogenannten Nettoprinzips, wonach der Vermögenszufluss um den vom Täter dafür gemachten Aufwand zu verringern ist, vorsah und dass die Abschöpfungsbestimmungen in § 20a Abs 2 Z 3 StGB aF eine Härteklausel enthielten (zum Ganzen eingehend 11 Os 83/11g, EvBl 2011/150, 1026).

Da die urteilsmäßige Verfügung über die gegenständlichen Vermögenswerte somit nach der zur Tatzeit gegeben gewesenen Rechtslage in Relation zur im Urteilszeitpunkt geltenden an weitere Kriterien gebunden gewesen ist, die angefochtene Entscheidung zur Beurteilung dieser Kriterien aber keine hinreichende Feststellungsbasis enthält, waren die Aussprüche über die „Konfiskation“ und den „Verfall“ schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen - mit Ausnahme des als „Beschwerde“ bezeichneten, gegen den (kassierten) Ausspruch der Konfiskation gerichteten Teils der Berufung des Angeklagten B***** - kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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