OGH 13Os139/02

OGH13Os139/024.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weiser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Beate H***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 22 U 30/00t des Bezirksgerichtes Linz-Land, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 15. Juli 2002, GZ 22 U 30/00t-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Beate H***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 22 U 30/00t des Bezirksgerichtes Linz-Land, verletzt die - nach Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. März 2002, GZ 13 Os 24/02-5, vorgenommene - neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Strafe am 15. Juli 2002 durch eine Richterin, die bereits in der Hauptverhandlung vom 14. Mai 2001 als Richterin tätig war und in derselben Sache erkannt hatte, § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO. Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird das Abwesenheitsurteil (§ 459 StPO) des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 15. Juli 2002, GZ 22 U 30/00t-28, aufgehoben und diesem Bezirksgericht die neuerliche Verhandlung und Straffestsetzung unter Beachtung der Bestimmung des § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Abwesenheitsurteil (§ 459 StPO) des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14. Mai 2001, GZ 22 U 30/00t-17, wurde Beate H***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB für die Zeiträume vom 1. April 1991 bis 31. Mai 1993 und vom 1. August 1995 bis 26. Juni 2000 schuldig erkannt und hiefür gemäß § 43 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Diese Entscheidung ist am 18. September 2001 in Rechtskraft erwachsen (ON 22).

Auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hat der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 6. März 2002, GZ 13 Os 24/02-5, ausgesprochen, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14. Mai 2001 insoweit, als Beate H***** der Vergehen der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Tatzeitraum vom 1. April 1991 bis 31. Mai 1993 schuldig erkannt und (auch) deshalb zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 57 Abs 2 und Abs 3 (letzter Fall) StGB verletzt. Gemäß § 292 letzter Satz StPO wurde dieses Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, im bezeichneten Teil des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin erkannt, dass Beate H***** von der Anklage, auch in der Zeit vom 1. April 1991 bis 31. Mai 1993 ihre im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Die Straffestsetzung für das ihr nach dem unberührten Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegende Vergehen nach § 198 Abs 1 StGB wurde an das Bezirksgericht Linz-Land verwiesen. Das Bezirksgericht hat nunmehr (abermals) mit Abwesenheitsurteil (§ 459 StPO) vom 15. Juli 2002, GZ 22 U 30/00t-28, für den verbliebenen Teil des Schuldspruches über Beate H***** eine gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Wochen verhängt.

Die Führung der Hauptverhandlung vom 15. Juli 2002 (ON 27) und die Entscheidung (Straffestsetzung) erfolgten durch jene Richterin, die bereits im ersten Rechtsgang als erkennende Richterin tätig war (vgl ON 16 und 17).

Gegen das Urteil richtet sich zwar eine rechtzeitig angemeldete und auch fristgerecht ausgeführte Berufung der Angeklagten Beate H***** wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, in der der Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs 1 Z 1 StPO nicht geltend gemacht wird (ON 29, 30).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend darlegt, steht die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Linz-Land mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil die Mitwirkung einer Richterin, die bereits im ersten Rechtsgang die Hauptverhandlung als erkennende Richterin geleitet und in derselben Sache erkannt hatte, an der neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung mit der Zielsetzung des § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO nicht vereinbar ist. Nach dieser prozessualen Bestimmung sind bei Wiederholung einer Hauptverhandlung infolge erfolgreicher Urteilsanfechtung jene Richter von der neuen Hauptverhandlung ausgeschlossen, die an der ersten teilgenommen haben. Wenn auch die frühere Judikatur einen Ausschlussgrund nach § 68 Abs 2 StPO dann als nicht gegeben erachtete, wenn das Urteil, an dem ein Richter mitgewirkt hatte, nur teilweise aufgehoben wurde und die neue Hauptverhandlung lediglich zur Festsetzung einer neuen Strafe diente, weil in diesen Fällen die Hauptverhandlung nicht "wiederholt", sondern an die bereits durchgeführte frühere Verhandlung angeschlossen und diese gewissermaßen fortgesetzt wird (SSt 56/64, EvBl 1952/79 jeweils mit Hinweis auf SSt 9/89; EvBl 1991/146, 12 Os 49, 50/96, so auch Mayerhofer StPO4 § 68 Anm 19 und die dort zitierte Judikatur, Foregger/Kodek StPO8 § 68 Rz 8, Bertel-Venier Strafprozessrecht7 Rz 968, Lohsing/Serini Strafprozessrecht 128, E. Steininger, Handbuch der Nichtigkeitsgründe2, § 281 Abs 1 Z 1 Rz 31), so geht der Oberste Gerichtshof in Abkehr von dieser Judikatur unter Berücksichtigung der durch das StPÄG 1993 und das StRÄG 1996 erfolgten Gesetzesänderungen nunmehr davon aus, dass Richter von der neuen Hauptverhandlung selbst dann ausgeschlossen sind, wenn diese nur dazu dient, zu den bestätigenden Schuldsprüchen eine Strafe zu verhängen, sofern das Urteil, an dem sie mitgewirkt haben, (im Schuldspruch) teilweise aufgehoben wurde (12 Os 74, 75/98; Ratz, WK § 281 Rz 126). Damit soll der nicht regelmäßig auf eine abermalige Mitwirkung und (Sach-)Entscheidung in einer zu wiederholenden Hauptverhandlung beschränkbare Anschein einer Voreingenommenheit eines im ersten Rechtsgang vom Rechtsmittelgericht in der Entscheidung über die Schuldfrage korrigierten Richters vermieden werden.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die unterlaufene Gesetzesverletzung zum Nachteil der Verurteilten ausgewirkt hat, war das Urteil aufzuheben und die neuerliche Verhandlung zur Straffestsetzung unter Beachtung der Bestimmung des § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO anzuordnen.

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