Spruch:
Für die durch die strafgerichtliche Anhaltung des Muamet S***** in der Zeit vom 25.Jänner 1994, 20 Uhr 15, bis 25.Mai 1994, 11,50 Uhr im Verfahren AZ 4 b Vr 2604/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile liegen die im § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.
Zur Entscheidung über die Beschwerde des Muamet S***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Oktober 1994, GZ 4 b Vr 2604/94-67a, werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Gegen den mazedonischen Staatsangehörigen Muamet S***** wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 11.Jänner 1994 (S 3 d) am 23.Jänner 1994 die Voruntersuchung wegen § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG eingeleitet (S 3 e). Auf Grund des auf § 175 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO gestützten Haftbefehles vom selben Tag (ON 9) wurde er am 25.Jänner 1994 festgenommen (S 105). Nach dem Haftbefehl stand er auf Grund der durchgeführten Polizeierhebungen im Verdacht, seit längerer Zeit im Rahmen einer organisierten Heroinschmuggler und -händlergruppe große Mengen Heroin von der Slowakei nach Österreich geschmuggelt und hier in Verkehr gesetzt zu haben. Fluchtgefahr wurde wegen des Mangels an ausreichendem Inlandsbezug und der Höhe der zu erwartenden Strafe, Verabredungsgefahr wegen des Verdachtes der Begehung im Rahmen einer kriminellen Organisation, wobei Verkäufer, Käufer und Mittäter teilweise noch nicht ausgeforscht werden konnten, Tatbegehungsgefahr wegen gewerbsmäßiger Wiederholung durch lange Zeit angenommen.
Die Polizei hatte dazu gegen eine große Zahl von Verdächtigen ermittelt (ON 3 und 10), denen angelastet wurde, seit längerer Zeit (S 47) Heroin nach Österreich eingeführt und hier in Verkehr gesetzt zu haben. Bei seiner Vernehmung vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien am 26.Jänner 1994 gab Muamet S***** an, Sermet A***** und Nasuf F*****, zwei Personen, die in diesem Zusammenhang verdächtig waren, Heroin nach Österreich eingeführt und hier verbreitet zu haben, von Juli bis Dezember 1992 eine Wohnung zur Verfügung gestellt zu haben. Er habe damals den Verdacht gehabt, daß diese entweder mit Drogen oder Waffen Geschäfte machen. Im Oktober 1992 hätten sie zu ihm gesagt, daß sie seine Wohnung als Drogenversteck haben wollen, er habe dies aber abgelehnt, weswegen sie erklärt hätten, sie würden "das doch nicht machen" (S 125, 127).
Der Verdächtige wurde am 27.Jänner 1994 um 14,25 Uhr der Justizanstalt Wien Josefstadt eingeliefert (ON 15) und am 28.Jänner 1994 von 13,00 bis 13,30 Uhr vom Untersuchungsrichter (zu Tatverdacht und Haftgründen) vernommen (ON 16). Bei dieser Vernehmung bestätigte er seine Angaben vor der Polizei als richtig. Über ihn wurde (antragsgemäß S 3 b) wegen des Verdachtes nach § 12 SGG (ohne weitere Spezifizierung) aus den Haftgründen des § 180 Abs (1 und) 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt und dieser Beschluß für bis längstens 8.Februar 1994 wirksam erklärt (ON 17).
Den dringenden Tatverdacht stützte der Untersuchungsrichter auf den Umstand, daß sich der (damals) Beschuldigte an den Suchtgiftverbrechen einer internationalen Organisation beteiligt habe, indem er seine Wohnung als "Suchtgiftbunker" (Suchtgiftlager) zur Verfügung stellte, was sich aus den polizeilichen Erhebungen einschließlich einer Telefonüberwachung ergebe. Zu den Haftgründen wurden im wesentlichen die Angaben des Haftbefehls wiederholt und diese mit dem Ergebnis der Polizeierhebungen begründet. Infolge Rechtsmittelverzichts erwuchs dieser Beschluß in Rechtskraft.
Bei der am 7.Februar 1994 durchgeführten Haftverhandlung wurde die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis 7.März 1994 aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO beschlossen (ON 23, 24). Muamet S***** hatte dabei im wesentlichen seine Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhalten. Tatverdacht und Haftgründe wurden auf die Polizeierhebungen sowie die Angaben von Mitbeschuldigten (in diesem Verfahren) gestützt. Der bereits rechtskräftig verurteilte Muhamed F***** hatte anläßlich seiner Ausführung bei seiner Festnahme im November 1992 das Haus, in dem sich die von Muamet S***** anderen Verdächtigen überlassene Wohnung befindet, als jenes bezeichnet, in dem Albaner wohnen, die Heroin verkaufen (S 211).
Der Beschwerde des (damals) Beschuldigten gegen den Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 25.Februar 1994 (zu 21 Bs 64/94, ON 33) nicht Folge und bestimmte die Haftfrist bis zum 25.April 1994. Zum Tatverdacht stützte es sich auf die Polizeierhebungen, insbesondere die Angaben des Verurteilten F*****, jene des Beschwerdeführers vor der Polizei selbst sowie auf das Ergebnis der Telefonüberwachung, aus dem Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und den führenden Mitgliedern der Suchtgiftbande abgeleitet werden konnten (S 133 bis 137). Auch die Auffindung von zwei Sparbüchern (Einlage von insgesamt 439.053,61 S) in der Wohnung des (ebenfalls beschuldigten) Bruders des Beschwerdeführers wurde als Indiz für Suchtgiftgeschäfte herangezogen. Die Haftgründe der Verdunkelungs- sowie Tatbegehungsgefahr wurden wegen laufender Erhebungen gegen noch nicht ausgeforschte Bandenmitglieder sowie den internationalen Aktionen (Einfuhr aus der Slowakei) des Suchtgiftringes im Zusammenhang mit der angelasteten Tatwiederholung (gemeint Fortsetzung) durch längere Zeit herangezogen.
Bei einer weiteren Haftverhandlung am 4.März 1994, bei der der Tatverdacht gegen jene, denen Muamet S***** seine Wohnung überlassen hatte, im Wege einer gemäß § 166 a StPO durchgeführten Zeugenaussage bekräftigt (S 289, 291), jener gegen den (damals) Beschuldigten selbst aber weder erhärtet noch abgeschwächt wurde (siehe insgesamt ON 35), wurde die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis 4.Mai 1994 beschlossen (ON 36). Seine Beschwerde dagegen blieb erfolglos (ON 43; Haftfrist bis 21.Mai 1994). Beide Entscheidungen fußten im wesentlichen auf die bis dahin bekannten Verfahrensergebnisse.
Nachdem die Staatsanwaltschaft einem Enthaftungsantrag des Muamet S***** zugestimmt hatte (ON 48, S 3 l), wurde dieser, nachdem bereits am 19.Mai 1994 gegen ihn Anklage wegen § 12 StGB, § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG erhoben war (mit der ihm angelastet wurde, den bestehenden Vorschriften zuwider zur Inverkehrsetzung von großen Mengen Suchtgift dadurch beigetragen zu haben, daß er es den abgesondert verfolgten Nasuf F***** und Sermet A***** ermöglichte, aus den ihm zur Verfügung stehenden Wohnungen zumindest 70 Gramm Heroin an den abgesondert verfolgten Muhamed F***** sowie in zwei Angriffen insgesamt ca 120 Gramm Heroin an den unausgeforscht gebliebenen unbekannten Täter "Kreso" zu verkaufen, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen habe, dessen Menge jene im § 12 Abs 1 SGG genannte um das Fünfundzwanzigfache übersteigt; ON 45), am 25.Mai 1994 (11,50 Uhr) gemäß § 180 Abs 5 Z 1 StPO enthaftet (ON 52).
Rechtliche Beurteilung
In der über die Anklage durchgeführten Hauptverhandlung vom 13.Juli 1994 erklärte der Angeklagte zu seinen eigenen, ihn belastenden Angaben vor der Polizei (über sein Wissen bzw seinen Verdacht, die Haupttäter Nasuf F***** und Sermet A***** würden in der zur Verfügung gestellten Wohnung Heroin gelagert haben) er habe nie so ausgesagt (S 359, 360). Die Hauptbelastungszeugen, die schon genannten und rechtskräftig verurteilten F***** und A*****, die in der Wohnung tatsächlich Heroin versteckt hatten (S 379), sowie Saban S***** entschlugen sich der Aussage.
Muamet S***** wurde daraufhin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Juli 1994, GZ 4 b Vr 2604/94-57, von der wider ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.
Sein Antrag gemäß § 2 Abs 1 lit b StEG wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 21.Oktober 1994 abgewiesen (ON 67), über die dagegen erhobene Beschwerde (ON 70) hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.
In den auf Entschädigung wegen strafgerichtlicher Anhaltung gerichteten Antrag des Freigesprochenen selbst hat dieser persönlich auch vorgebracht, daß er von vornherein nicht in Haft genommen sowie nicht weiter in Haft angehalten hätte werden dürfen (ON 65), womit dieser - anders als der Antrag seiner Verteidigerin, der sich nur auf § 2 Abs 1 lit b StEG stützt (s ON 64) - auch von einer rechtswidrigen Verlängerung der Untersuchungshaft durch das Oberlandesgericht Wien ausgeht. Daraus ergibt sich die Kompetenz des Obersten Gerichtshofes zur Entscheidung im Sinn der §§ 2 Abs 1 lit a, 6 Abs 1 StEG, wobei sich diese Zuständigkeit im Hinblick auf die ratio legis auf die gesamte Dauer der strafgerichtlichen Anhaltung bezieht (11 Os 112/86).
Eine gesetzwidrige Anordnung oder Verlängerung der Untersuchungshaft des Muamet S***** ist jedoch nicht gegeben.
Es kann im Ergebnis nicht mit Grund gesagt werden, das Landesgericht für Strafsachen Wien bzw das Oberlandesgericht Wien hätten die Haft ohne gesetzliche Grundlage oder gegen eine (zwingende) gesetzliche Anordnung verhängt oder aufrecht erhalten (verlängert). Denn die Anordnung oder Verlängerung einer strafgerichtlichen Anhaltung ist nicht gesetzwidrig, wenn während der Haft dringender Tatverdacht (der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung) bestand und ein entsprechender Haftgrund vorlag. Dabei ist auf den Erhebungsstand im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlußfassung abzustellen.
Der gegen Muamet S***** gerichtete Tatverdacht (der Tatbeteiligung an einem Verbrechen nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG) war bis zu seiner Enthaftung als dringend einzustufen und konnte von den über seine strafrechtliche Anhaltung entscheidenden Gerichten vor allem auf seine eigenen Angaben vor der Polizei gestützt werden, wo er zugab, die (Haupt-)Mitverdächtigen hätten während des Zeitraumes, in dem er ihnen seine Wohnung zur Verfügung stellte (Oktober 1992) gesagt, sie würden dort ein Drogenversteck einrichten wollen, er habe auch den Verdacht gehabt, sie würden mit Drogen (oder mit Waffen) Geschäfte machen, jedoch habe er ihren Versicherungen, sie würden dort keine Drogen lagern, wenn er dies nicht haben wolle, Glauben geschenkt. Gegen letzteres sprachen nämlich, wie das Landesgericht und Oberlandesgericht richtig erkannten, eine Reihe von Indizien, wie das Ergebnis der Telefonüberwachung (Hinweise auf weiter bestehende Verbindungen mit den Hauptverdächtigen), die Bezeichnung des Hauses durch einen rechtskräftig wegen Suchtgiftverbrechens Verurteilten als jenes, in dem Heroin verkauft werde, sowie die zunächst ungeklärte Herkunft einer großen Geldsumme auf aufgefundenen Sparbüchern.
Nach den Polizeierhebungen (ON 2, 3, 10 und 14) war auch die Annahme des Umganges mit Heroin in einer (zumindest) in § 12 Abs 3 Z 3 SGG umschriebenen Menge indiziert.
Auf Grund der internationalen Verflechtung und der noch laufenden Erhebungen gegen eine große Zahl von Verdächtigen (siehe neuerlich die zitierten Ergebnisse der polizeilichen Erhebungen) war zunächst die Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr begründet. Aus dem persönlichen Naheverhältnis des Muamet S***** zu einer nach der Aktenlage grenzüberschreitend tätigen Organisation zur Verbreitung des besonders gefährlichen Suchtgiftes Heroin auch im Zusammenhalt mit dem durch ein halbes Jahr fortgesetzten (wenn auch bereits zurückliegenden) Tatbeitrag, dessen er verdächtig war, sowie infolge des durch das Ergebnis der Telefonüberwachung indizierten weiter aufrechten Kontaktes zu Hauptverdächtigen war auch die Annahme der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO) auf der Grundlage bestimmter Tatsachen gerechtfertigt.
Mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs 1 lit a StEG war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Über die Beschwerde des Muamet S***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b StEG wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.
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