OGH 13Os101/15z

OGH13Os101/15z28.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Jonas P***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Jonas P*****, Paulius J***** und Vitalijus Je***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 11. Mai 2015, GZ 38 Hv 16/15s‑146, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00101.15Z.1028.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Paulius J***** und Vitalijus Je***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der den Schuldsprüchen des Paulius J***** zu II/1/-3/ und des Vitalijus Je***** zu III/ zugrunde liegenden Taten unter § 143 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in dem die Genannten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Konfiskation und der Vorhaftanrechnung) sowie im Jonas P***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Konfiskation und der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Erstgericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Paulius J***** und Vitalijus Je***** im Übrigen sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten Jonas P***** werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen gegen die Aussprüche über die Strafe werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung dieses Ausspruchs verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden

Jonas P***** jeweils mehrerer Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I/1/ bis 3/), und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/4/ und 5/), sowie der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/6/) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I/7/);

Paulius J***** mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II/1/ und 2/), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II/3/) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (II/4/) und

Vitalijus Je***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (III/) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben

I/ Jonas P*****

zu 1/ bis 6/ jeweils mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz „den Genannten“ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen weggenommen (1/-5/) und wegzunehmen versucht (6/),

1/ am 10. Oktober 2014 in K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Täter dadurch, dass sie den Einkaufsmarkt H***** betraten, Jonas P***** eine einer Faustfeuerwaffe täuschend ähnliche Softgun gegen die Kassiererin Bianca S***** richtete und zu ihr sagte: „Wollen ganzes Geld!“, während der Mittäter 1.370 Euro Bargeld aus der Kassa entnahm,

2/ am 23. Oktober 2014 in B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Täter dadurch, dass sie den Einkaufsmarkt Sp***** betraten, eine einer Faustfeuerwaffe täuschend ähnliche Softgun gegen die Kassiererin Andrea Sch***** richteten, solcherart die Filialleiterin Maria Scho***** zum Öffnen der Kassa veranlassten und anschließend 1.540 Euro Bargeld aus der Kassa entnahmen;

3/ am 25. Oktober 2014 in K***** dadurch, dass er den Einkaufsmarkt Pe***** betrat, eine einer Faustfeuerwaffe täuschend ähnliche Softgun gegen die Kassiererin Margit K***** richtete und 6.600 Euro Bargeld aus der Kassa entnahm;

4/ am 15. November 2014 in K***** dadurch, dass er den Einkaufsmarkt L***** betrat, einen Schreckschussrevolver gegen die Kassiererin Lorena Be***** richtete und der Kassa 7.000 Euro Bargeld entnahm;

5/ am 17. November 2014 in O***** dadurch, dass er den Einkaufsmarkt Bi***** betrat, einen Schreckschussrevolver gegen die Kassiererin Dana C***** richtete und der Kassa 1.450 Euro Bargeld entnahm;

6/ am 22. November 2014 in B***** dadurch, dass er mit dem PKW der Marke Mazda, Kennzeichen *****, gelenkt von Paulius J***** unmittelbar vor Geschäftsschluss auf den Parkplatz der Einkaufsmärkte Sp***** und H***** zufuhr, um im Anschluss daran umgehend noch vor dem Schließen der Märkte einen Einkaufsmarkt zu betreten, die Kassiererin mit einem Schreckschussrevolver zu bedrohen und der Kassa Bargeld zu entnehmen;

7/ am 11. Mai 2015 in K***** die Beamten des Landeskriminalamts Niederösterreich Andreas Scha***** und Günter G***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, indem er in der Hauptverhandlung des Landesgerichts Krems an der Donau zu AZ 38 Hv 16/15s behauptete, die genannten, ihn am 12. Februar 2015 vernehmenden Beamten hätten bewusst fälschlich Angaben, die er nicht getätigt habe, in das Protokoll aufgenommen, nämlich die seinen Mitangeklagten Paulius J***** belastenden Angaben zu den Fakten I/4/ und I/5/ der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau zu AZ 5 St 327/14d, sie sohin des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB wissentlich falsch beschuldigt;

II/ Paulius J*****

1/ am 15. November 2014 in K***** dadurch, dass er Jonas P***** mit dem Fahrzeug der Marke Mazda, Kennzeichen *****, zum Tatort fuhr, anschließend die Umgebung des Tatorts beobachtete, um die Annäherung von dritten Personen, insbesondere von Polizeibeamten, rechtzeitig erkennen sowie die Flucht veranlassen zu können, und nach der Tatausführung das Fahrzeug lenkte, um mit Jonas P***** und dem von diesem erbeuteten Bargeld Österreich zu verlassen, zur Ausführung der unter I/4/ angeführten strafbaren Handlung des Jonas P***** beigetragen;

2/ am 17. November 2014 in O***** dadurch, dass er Jonas P***** mit dem Fahrzeug der Marke Mazda, Kennzeichen *****, zum Tatort fuhr, anschließend die Umgebung des Tatorts beobachtete, um die Annäherung von dritten Personen, insbesondere von Polizeibeamten, rechtzeitig erkennen sowie die Flucht veranlassen zu können, und nach der Tatausführung das Fahrzeug lenkte, um mit Jonas P***** und dem von diesem erbeuteten Bargeld Österreich zu verlassen, zur Ausführung der unter I/5/ angeführten strafbaren Handlung des Jonas P***** beigetragen;

3/ am 22. November 2014 in B***** dadurch, dass er mit dem PKW der Marke Mazda, Kennzeichen *****, auf den Parkplatz der Einkaufsmärkte Sp***** und H***** zufuhr, und Jonas P***** die Zusage gab, die Umgebung des Tatorts zu beobachten, um die Annäherung von dritten Personen, insbesondere von Polizeibeamten, rechtzeitig erkennen sowie die Flucht veranlassen zu können, und beim Abtransport der Raubbeute behilflich zu sein, zur Begehung der unter I/6/ angeführten strafbaren Handlung des Jonas P***** beigetragen;

4/ am 22. November 2014 in B***** dadurch, dass er im Zuge einer polizeilichen Anhaltung einen gefälschten litauischen Führerschein vorwies, eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist (§ 1 Abs 4 FSG), im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich zum Nachweis seiner Lenkberechtigung, gebraucht;

III/ Vitalijus Je***** am 22. November 2014 in B***** dadurch, dass er Jonas P***** die Zusage gab, die Umgebung des Tatorts zu beobachten, um die Annäherung von dritten Personen, insbesondere von Polizeibeamten, rechtzeitig erkennen sowie die Flucht veranlassen zu können und beim Abtransport der Raubbeute behilflich zu sein, zur Begehung der unter I/6/ angeführten strafbaren Handlung des Jonas P***** beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte, Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jonas P***** geht fehl.

Den auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 9 lit a und 9 lit b StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Vitalijus Je***** und Paulius J***** kommt hingegen teilweise Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jonas P*****:

Der ausschließlich gegen den Schuldspruch zu I/6/ gerichteten Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider enthält das Urteil sehr wohl die Feststellung, wonach der Angeklagte Jonas P***** auch in diesem Fall die Verwendung einer Waffe, nämlich eines Schreckschussrevolvers, geplant hatte (US 11 f). Indem die Beschwerde diese Konstatierung übergeht, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Paulius J*****:

Zutreffend macht die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu II/1/ bis 3/ eine offenbar unzureichende Begründung der Urteilsfeststellung geltend, wonach sämtliche Tatbeteiligte ‑ so auch der Nichtigkeitswerber ‑ darüber Bescheid wussten und sich damit abfanden, dass der unmittelbare Täter Jonas P***** eine Waffe, nämlich einen Schreckschussrevolver, einsetzt (US 10).

Die Tatrichter begründeten die Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Täter mit der teilweise geständigen Verantwortung des Jonas P***** und dem äußeren Tatgeschehen. Darüber hinaus verwiesen sie auf die weitgehende Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Angeklagten sowie die Übereinstimmung der aktuell vorgeworfenen Taten mit den zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (US 16). Dass nicht nur der unmittelbare Täter Jonas P*****, sondern auch die anderen Beteiligten von der Verwendung der Waffe bei den Raubüberfällen wussten, lässt sich jedoch weder mit deren Vorleben, noch dem äußeren Tatgeschehen erklären. Im Besonderen ist dies nicht der vor der Polizei abgelegten Aussage des Angeklagten Jonas P***** am 12. Februar 2015 (US 14; ON 103 S 13 ff) und seiner Verantwortung vor dem Schöffengericht (ON 145 S 3 ff) zu entnehmen.

Die Rechtsrüge (richtig Z 9 lit a) geht hingegen fehl. Sie behauptet zum Schuldspruch II/3/ das Vorliegen einer straflosen Vorbereitungshandlung mangels räumlicher und zeitlicher Tatnähe, weil die Täter gar nicht auf den Parkplatz zugefahren seien. Indem sie jedoch die Feststellungen (US 11 f) übergeht, wonach der Nichtigkeitswerber den PKW auf den Parkplatz der Einkaufsmärkte zulenkte, damit Jonas P***** im Anschluss daran umgehend einen der Einkaufsmärkte betritt, die Kassiererin bedroht und Bargeld wegnimmt, und erst bei Ansichtigwerden eines Polizeieinsatzfahrzeugs im Zug des Zufahrens abbrach und versuchte zu flüchten, verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099658).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Vitalijus Je*****:

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider konnten die Tatrichter die Beteiligung des Beschwerdeführers an der zu I/6/ beschriebenen Tat durchaus auf die vor der Polizei getätigten Angaben des unmittelbaren Täters Jonas P***** (ON 103) stützen. Dieser hatte ausgesagt, dass die Fahrt von seinem Auftraggeber, der von ihm die Begehung von Raubüberfällen in Österreich verlangte, organisiert war und seines Wissens sämtliche Personen im Tatfahrzeug gewusst hätten, dass sie nach Österreich fahren, um Geschäfte zu überfallen (ON 103 S 27 f).

Im Ergebnis zutreffend zeigt hingegen auch diese Beschwerde eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung auf, wonach der Angeklagte Vitalijus Je***** von der geplanten Verwendung einer Waffe durch den unmittelbaren Täter P***** gewusst und dies gebilligt habe (US 10). Diesbezüglich kann auf die bezughabenden Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Paulius J***** verwiesen werden.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet die „Tatbildmäßigkeit und Rechtswidrigkeit“ des Verhaltens des unmittelbaren Täters mangels Ausführungsnähe der Tat. Dabei orientiert auch sie sich nicht an den bereits bei der Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Paulius J***** angeführten tatrichterlichen Feststellungen (US 11 f) und verfehlt solcherart ebenfalls die prozessordnungsgemäße Darstellung.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster und dritter Fall) anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Zum einen wurde nämlich nicht festgestellt, ob die konfiszierten Gegenstände (US 7) ‑ wie von § 19a Abs 1 StGB verlangt ‑ zur Zeit der Entscheidung im Eigentum eines der Täter standen (Z 11 erster Fall). Zum anderen unterließ das Erstgericht die ‑ in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgeschriebene ‑ Verhältnismäßigkeitsprüfung, was Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall begründet (RIS‑Justiz RS0088035 [insbesondere T7]).

Daher war in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur

‑ den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Paulius J***** und Vitalijus Je***** aufgrund des jeweils aufgezeigten Begründungsmangels im dargestellten Umfang Folge zu geben (§ 285e StPO), woraus die Aufhebung des die Genannten betreffenden Strafausspruchs (einschließlich der Konfiskation und der Vorhaftanrechnung) folgte; weiters waren

‑ die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Paulius J***** und Vitalijus Je***** im Übrigen sowie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jonas P***** ebenso wie seine im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl § 283 Abs 1 StPO) schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO);

‑ der den Angeklagten Jonas P***** betreffende Strafausspruch von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285e StPO) und

‑ die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe auf dessen Aufhebung zu verweisen.

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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