OGH 12Os95/04

OGH12Os95/0413.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 11. Mai 2004, GZ 22 Hv 42/04h-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knibbe, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf S***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 9. Oktober 2003 in Dornbirn als gemäß § 57a Abs 2 KFG ermächtigter Gewerbetreibender mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht, Kraftfahrzeuge nur nach Durchführung der gemäß § 57a KFG vorgeschriebenen wiederkehrenden Begutachtung ihrer Verkehrs- und Betriebssicherheit am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die wiederkehrende Begutachtung von Fahrzeugen nach der genannten Gesesetzesstelle, vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht hatte, dass er nach bloßer Überprüfung der Abgas- und Bremswerte ohne sonstige Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges einen Angestellten angewiesen hatte, ein „mängelfreies Gutachten" gemäß § 57a Abs 4 KFG für den PKW VW Golf seines Lehrlings Andreas H***** anzufertigen, und in der Folge dieses Gutachten, mit welchem bestätigt wurde, dass das Fahrzeug den Erfordernissen der Umwelt und der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprach, firmenmäßig unterfertigt hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die Rechtsrüge behauptet zunächst eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Tatbestandsmerkmales des Schädigungsvorsatzes. Da die Tatbestandsverwirklichung des § 302 Abs 1 StGB zusätzlich zum (wissentlichen) Befugnismissbrauch den Vorsatz, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, erfordere, müsse der Tätervorsatz auf eine über den Missbrauch der Befugnis (etwa die bloße Verletzung von Verfahrensvorschriften) hinausgehende, in der materiellen Unrichtigkeit des vorgenommenen Amtsgeschäftes gelegene Rechtsschädigung gerichtet sein. Die vom Vorsatz umfasste, aus der Gutachtensausstellung ohne vollständig durchgeführte Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs resultierende Rechtsverletzung reiche nach Ansicht des Beschwerdeführers daher für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes nicht aus, die vielmehr einen - nach den Urteilsfeststellungen explizit verneinten - auf das Fehlen der Verkehrs- und Betriebssicherheit des zu begutachtenden Fahrzeuges gerichteten Vorsatz voraussetze. Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden.

Unter einer Schädigung an (vom Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB insbesondere auch geschützten) konkreten öffentlichen Rechten ist nach ständiger Rechtsprechung die Vereitelung einer bestimmten in der Rechtsordnung festgelegten staatlichen Maßnahme zu verstehen, wenn damit der bestimmte (materielle) Zweck, den der Staat mit der Erlassung der dieser Maßnahme zugrundeliegenden (vom Beamten befugnismissbräuchlich missachteten) Vorschrift erreichen will, beeinträchtigt wird (Mayerhofer, StGB5 § 302 E 44, 46, 47; Leukauf/Steininger Komm3 § 302 RN 37 mwN).

Die Bestimmungen des § 57a KFG ordnen die wiederkehrende Begutachtung der Verkehrs- und Betriebssicherheit (sowie der Normgemäßheit der Lärm- und Abgasemissionen) zum Verkehr zugelassener (Abs 1) sowie die entsprechende Begutachtung nicht zugelassener Kraftfahrzeuge vor deren Zulassung (Abs 9; § 37 Abs 2 lit h KFG) durch einen hiezu (gemäß Abs 2) ermächtigten Ziviltechniker des einschlägigen Fachgebiets, Verein oder Gewerbetreibenden an, der über den Zustand eines ihm vorgeführten Fahrzeuges - vor Behebung allenfalls festgestellter Mängel - ein Gutachten auf einem Begutachtungsformblatt auszustellen hat (Abs 4). Nach der nähere Bestimmungen über die Durchführung der Begutachtung (§ 57a Abs 8 KFG) enthaltenden Vorschrift des § 10 Abs 1 der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (BGBl II 78/1998) sind für die Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a KFG die (zutreffenden) Positionen des (in der Anlage 6 der Verordnung näher geregelten) Kataloges zu prüfen.

Durch diese Bestimmungen soll somit sichergestellt werden, dass die gutachterliche Beurteilung des technischen Fahrzeugzustands auf einer - diese überhaupt erst verlässlich ermöglichenden - tatsächlich durchgeführten (umfassenden) Prüfungsbefundung beruht. Der materielle Zweck jener somit dem Schutz des konkreten staatlichen Rechts auf Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen dienenden Vorschriften wird daher schon dann beeinträchtigt, wenn der gemäß § 57a Abs 2 KFG zur Begutachtung Ermächtigte ein Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG erstellt, ohne sich durch tatsächliche Überprüfung des Fahrzeugs an Hand des vorgeschriebenen Prüfungskatalogs von der Verkehrs- und Betriebssicherheit überzeugt zu haben. Eine konkrete Rechtsschädigung des Staates iSd § 302 Abs 1 StGB ist daher - ohne dass es auf die tatsächliche Verkehrs- und Betriebssicherheit des Kraftfahrzeuges ankommt - schon im Verstoß gegen die Bestimmungen des § 57a KFG über die wiederkehrende Begutachtung ohne vorangehende tatsächliche Überprüfung gelegen (SSt 49/65; JBl 1985, 375; 11 Os 18/04; Mayerhofer aaO § 302 E 97, 98; Leukauf/Steininger aaO § 302 RN 39; Bertel in WK2 § 302 Rz 119 f). Da somit eine Schädigung des Staates an seinem konkreten Recht, Kraftfahrzeuge nur nach Durchführung der gemäß § 57a KFG vorgeschriebenen wiederkehrenden Begutachtung ihrer Verkehrs- und Betriebssicherheit am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, worauf nach den Urteilsfeststellungen der Vorsatz des Angeklagten gerichtet war (US 7), eine Rechtsschädigung iSd § 302 Abs 1 StGB darstellt, haftet dem Ersturteil - ohne dass es entgegen der (eventualiter) vorgebrachten Beschwerdebehauptung weiterer Feststellungen zur subjektiven Tatseite bedurft hätte - eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Tatbestandsmerkmals des Schädigungsvorsatzes nicht an.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider ist dafür der Umstand der vom Angeklagten vorgenommenen teilweisen Überprüfung des Fahrzeugszustandes, nämlich der Abgas- und Bremswerte, nicht von Bedeutung, weil der materielle Zweck der zuvor dargelegten missachteten Vorschrift die vollständige Durchführung der nach § 57a KFG vorgeschriebenen Überprüfung erfordert.

Der gegen die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales "Beamter" gerichtete Beschwerdeeinwand bleibt - ebenso wie die dafür ins Treffen geführte Stelle aus dem wissenschaftlichen Schrifttum (Bertel in WK2 § 302 Rz 11 f) - ohne rechtliche Überzeugungskraft und entbehrt einer Begründung, weshalb die Funktion eines nach § 57a KFG beliehenen Unternehmers rechtlich gleichwertig mit jener eines nicht als Gerichtskommissiär tätigen Notars bei der Errichtung öffentlicher Urkunden sein sollte. Solcherart vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, weshalb dem Angeklagten als gemäß § 57a Abs 2 KFG zur wiederkehrenden Begutachtung ermächtigtem Gewerbetreibenden entgegen ständiger Rechtsprechung (Mayerhofer aaO § 74 E 8 und § 302 E 98; EvBl 1981/161; 11 Os 2/03; 13 Os 151/03; zuletzt implizit 11 Os 18/04) keine Beamteneigenschaft zukommen soll. Die Bestimmungen des § 57a KFG (in der geltenden Fassung) sehen - anstelle der wiederkehrenden Überprüfung von Kraftfahrzeugen durch die Behörde, die über die Verkehrs- und Betriebssicherheit ein Gutachten einzuholen hatte - die wiederkehrende Begutachtung durch einen nach Abs 2 vom Landeshauptmann hiezu ermächtigten Ziviltechniker des einschlägigen Fachgebiets, Verein oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigten Gewerbetreibenden vor, der über den Zustand eines ihm vorgeführten Fahrzeuges ein Gutachten auszustellen (Abs 4) und im Falle einer positiven Begutachtung eine von der Behörde ausgegebene Begutachtungsplakette dem Zulassungsbesitzer auszufolgen oder am Fahrzeug anzubringen hat (Abs 5). Ein gemäß § 57a Abs 4 KFG ausgestelltes Gutachten ist (neben den weiteren in § 37 Abs 2 lit a bis g KFG genannten Erfordernissen) Voraussetzung für die Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr (§§ 37 Abs 2 lit h, 57a Abs 9 KFG); eine aufgrund der Begutachtung am Fahrzeug angebrachte Begutachtungsplakette ist eine der Voraussetzungen, dass ein Kraftfahrzeug überhaupt auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden darf (§§ 36 lit e; 134 Abs 1 KFG). Im Falle einer positiven Begutachtung erwirbt der Zulassungsbesitzer somit unmittelbar das Recht auf Anbringung der Begutachtungsplakette nach § 57a Abs 5 KFG (oder, im Falle eines zugelassenen Kraftfahrzeugs, auf deren Ausfolgung nach § 57a Abs 9 KFG) und damit das im technischen Bereich von keiner Behörde mehr überprüfte Recht auf Weiterverwendung (oder Verwendung) des Kraftfahrzeugs im Verkehr auf öffentlichen Straßen. Einem gemäß § 57a Abs 2 KFG vom Landeshauptmann zur wiederkehrenden Begutachtung Ermächtigten werden daher hoheitliche Funktionen, nämlich die wesentliche Mitwirkung an der Erteilung der Berechtigung zur Teilnahme am Verkehr auf öffentlichen Straßen, übertragen (vgl EvBl 1981/161). Er ist somit, weil solcherart (funktional; vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 4) mit hoheitlichen Aufgaben der Bundesverwaltung betraut, Beamter iSd § 74 Abs 1 Z 4 (zweiter Fall) StGB und mithin Deliktssubjekt des § 302 Abs 1 StGB. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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