OGH 12Os86/20v

OGH12Os86/20v16.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Dr. Koller in der Strafsache gegen Nedzad B***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nihad J***** und Fuat I***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Nedzad B***** und Arzija J***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 12. März 2020, GZ 6 Hv 59/19d‑1721, sowie über die Beschwerde des Nedzad B***** gegen den Beschluss des Vorsitzenden vom 16. Juni 2020, GZ 6 Hv 59/19d‑1738, und die Anträge der Angeklagten Nedzad B***** und Arzija J***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das genannte Urteil in nichtöffentlicher Sitzung teils beschlossen, teils zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00086.20V.1216.000

 

Spruch:

 

Der Beschwerde des Nedzad B***** wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten Nedzad B***** und Arzija J***** wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerden nicht bewilligt.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nihad J***** und Fuat I***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen C./I./ (betreffend Nedzad B*****), C./III./ (betreffend Nihad J*****), C./IV./ (betreffend Fuat I*****) und C./IX./ (betreffend Arzija J*****) und im diesen zugrunde liegenden Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 1./3./, 3./3./, 4./3./ und 9./3./, demgemäß auch in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen), in dem Nihad J***** betreffenden Ausspruch über die Ausschließung vom Wahlrecht sowie im Konfiskationsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz als Geschworenengericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nihad J***** und Fuat I***** im Übrigen werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Nedzad B*****, Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J***** sowie die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.

Den Angeklagten Nihad J***** und Fuat I***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche Mitangeklagter enthält, wurden

Nedzad B***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./VII./), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./I./) und der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB (C./I./),

Nihad J***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./I./ und A./II./), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./III./) und der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB (C./III./),

Fuat I***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./I./ und A./II./), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./IV./) und der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB (C./IV./) sowie

Arzija J***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./II./ und A./VI./), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./IX./) und der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB (C./IX./)

schuldig erkannt.

 

Danach haben von Anfang 2012 bis zum 26. Jänner 2017

A./ in W*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebiets sowie in Syrien sich an den terroristischen Vereinigungen „Jabhat al‑Nusra“ bis Sommer 2013 und „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“ bzw „Islamischer Staat (IS)“ von Jahresende 2012 bis zum 26. Jänner 2017, somit jeweils an einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden, nämlich Mord (§ 75 StGB), Körperverletzungen nach den §§ 83 bis 87 StGB, erpresserische Entführung (§ 102 StGB), schwere Nötigung (§ 106 StGB), gefährliche Drohung nach § 107 Abs 2 StGB, schwere Sachbeschädigung (§ 126 StGB), durch die eine Gefahr für das Leben eines anderen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß entstehen kann, und vorsätzliche Gemeingefährdungsdelikte (§§ 169, 171, 173, 175, 176, 177a, 177b, 178 StGB), die geeignet sind, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder internationale Organisationen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, als Mitglieder (§ 278 Abs 3 [dritter Fall] StGB) an deren Aktivitäten in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese terroristischen Vereinigungen in deren Ziel, vorerst in Syrien und im Irak und schließlich weltweit einen radikal islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten gemäß § 278c Abs 1 StGB, zu fördern, und zwar

I./ Nihad J***** und Fuat I***** sowie der abgesondert verfolgte Agim A*****, indem sie im Verein „T***** – Islamischer Glaubensverein“ als Mitglieder der faktischen Führungsgruppe (teils) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Evrim Ba*****, Nermin S***** und Sejad Z***** und in ihren Leitungsfunktionen, nämlich Nihad J***** als Kassier (vom 2. Juni 2008 bis zum 26. August 2012) und als Schriftführer (vom 30. August 2014 bis zum 29. August 2016) und Fuat I***** als Obmann (bis zum 29. August 2016)

1./ in Umsetzung der ideologischen Vorgaben von Nedzad B*****, Farhad Q*****, Abu Ma***** und Abu Mo***** die Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten und als „Islamischer Staat“ (Kalifat) bezeichneten Gottesstaates vorerst in Syrien und im Irak und schließlich weltweit durch den als „Dschihad“ bezeichneten bewaffneten Kampf zum Ziel des Vereins T***** erklärten und den Verein T***** zu einem der Standorte und Stützpunkte der terroristischen Vereinigungen „Jabhat al-Nusra“ und „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“ bzw „Islamischer Staat (IS)“ in Österreich formten,

2./ das Vereinsleben auf die Erreichung des zu Punkt 1./ beschriebenen Ziels ausrichteten und dazu die Mitglieder und Besucher des Vereins in persönlichen Gesprächen, mit im Verein aufgelegten Broschüren und Schriften radikal islamistischer Prediger wie Nedzad B***** und Farhad Q***** und mit ihren nach diesen ideologischen Vorgaben gehaltenen Vorträgen aufforderten, sich in ihrer Lebensführung und der Erziehung ihrer Kinder an dieser radikal islamistischen Ideologie zu orientieren, und sich an diesen terroristischen Vereinigungen als Mitglieder (§ 278 Abs 3 StGB) für den in Syrien und im Irak, aber auch in Österreich zu führenden und als „Dschihad“ bezeichneten bewaffneten Kampf zur Errichtung eines als Kalifat bezeichneten, nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaates zu beteiligen,

3./ für ihre Kinder und die Kinder der Mitglieder und Besucher des Vereins einen auf dem als Scharia bezeichneten islamischen Recht beruhenden Unterricht nach der radikal islamistischen Ideologie der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ als Gegenerziehung zum staatlichen Unterricht anboten und abhielten,

4./ im Herbst 2015 den zu AZ 7 Hv 50/16h des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen des Verdachts der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB angeklagten und als Mitglied der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ anzusehenden S***** Baki***** als neues Mitglied im Verein aufnahmen, um die Stellung des Vereins T***** als Standort und Stützpunkt der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ weiter zu stärken und den Kontakt zu Vertretern dieser terroristischen Vereinigung zu verbessern;

II./ Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J*****, indem sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Agim A***** und Evrim Ba***** nach der im Verein T***** vermittelten radikal islamistischen Ideologie von Nedzad B***** und Farhad Q***** und dem am 29. Juni 2014 ergangenen Aufruf des selbst ernannten Kalifen Abu Bak*****, wonach jeder Muslim im Sinn der „Hidschra“ verpflichtet sei, in das von der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat in Syrien und im Irak eroberte Gebiet zu übersiedeln, nachgenannte Personen teils unter der Zusicherung, ihnen bald nachzufolgen, aufforderten oder zumindest darin bestärkten, mit ihren mündigen und unmündigen Kindern nach Syrien in das Herrschaftsgebiet der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ zu übersiedeln, sich als Mitglieder an der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ zu beteiligen, am Aufbau einer radikal islamistisch ausgerichteten sozialen Infrastruktur als Ersatz für die durch die Bürgerkriegshandlungen, insbesondere durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB, zerstörte Zivilgesellschaft mitzuwirken und als Kämpfer der terroristischen Vereinigung an dem als „Dschihad“ bezeichneten Bürgerkrieg zur Errichtung eines radikal islamistischen Gottesstaates teilzunehmen, nämlich

1./ Mag. Hüseyin G*****, der an einem nicht näher bekannten Tag im Frühjahr oder Sommer 2014 die Reise nach Syrien antrat und sich seither – sofern er nicht getötet wurde – an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) als Mitglied beteiligt,

2./ Nermin S*****, Ammar S***** und Naila Sk***** (mit ihren unmündigen Kindern Umejr und Musab S*****), Sejad Z***** und Sadika Z***** (mit ihren mündigen und unmündigen Kindern Merjem, Aisa, Muhamed und Hadera Z*****), Salih Z*****, Cazima Ho***** (mit ihren unmündigen Kindern Ismail, Merjem, Sumeja und Tejmullah Ho*****) sowie Muharem D***** und Ajisa D*****, die Ende August 2014 die Reise nach Syrien antraten und sich seither – sofern sie nicht getötet wurden – an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) als Mitglieder beteiligen,

3./ Enes S***** und Michaela Su***** (mit ihren unmündigen Kindern Sarah, Ajla, Nail, Kenan und Enisa S*****), Hasan O***** und Katka O***** (mit ihren unmündigen Kindern Edis, Amina und Ammar O*****) sowie Muharem Sm***** und Munira Sm***** (mit ihren mündigen und unmündigen Kindern Benjamin, Davud, Selman und Ajsa Sm*****), die am 20. Dezember 2014 die Reise nach Syrien antraten und sich bis zu ihrer Ausreise aus Syrien im Oktober 2015 bzw im März 2016 an der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) als Mitglieder beteiligten;

VI./ Arzija J*****, indem sie im Verein T***** als die maßgebliche weibliche Führungsperson in Umsetzung der von Nermin S*****, Sejad Z*****, Nihad J*****, Fuat I*****, Agim A***** und Evrim Ba***** nach den ideologischen Vorgaben von Nedzad B***** und Farhad Q***** vorgegebenen Ausrichtung, den Verein T***** zu einem der Standorte und Stützpunkte der terroristischen Vereinigungen „Jabhat al-Nusra“ und „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“ bzw „Islamischer Staat (IS)“ in Österreich zu formen,

1./ die weiblichen Mitglieder und Besucherinnen des Vereins aufforderte, nach ihrem Vorbild die Lebensführung in ihren Familien und die Erziehung ihrer Kinder nach den das Vereinsleben bestimmenden radikal islamistischen Grundsätzen der genannten terroristischen Vereinigungen zu gestalten,

2./ für ihre Kinder und die Kinder der Mitglieder und Besucher des Vereins am Unterricht nach dieser radikal islamistischen Ideologie als Gegenerziehung zum staatlichen Unterricht mitwirkte;

VII./ Nedzad B*****, indem er als Vordenker der als Takfirismus bezeichneten radikal islamistischen Ideologie in Österreich in den Räumen des von ihm gegründeten „Islamischen Kulturvereins Wien für alle Muslime“ und der darin geführten „M***** I***** Moschee“ gegenüber den Mitgliedern und Besuchern sowie den zu seiner Gemeinde zählenden Mitgliedern und Besuchern des Vereins T***** in G***** in Vorträgen, Predigten und persönlichen Gesprächen sowie in österreichweit verbreiteten Büchern, Skripten und Audiodateien (CD) den als „Dschihad“ bezeichneten bewaffneten Glaubenskampf zur Errichtung des als „Kalifat“ bezeichneten nach radikal islamistischen Grundsätzen gestalteten Gottesstaates und die Teilnahme an diesem „Dschihad“ zur Errichtung eines radikal islamistischen Gottesstaates als religiöse Pflicht jedes Muslims darstellte und nachgenannte Personen dazu aufforderte oder zumindest darin bestärkte, nachfolgende Handlungen zu begehen, und zwar

1./ bis Ende August 2014 die abgesondert verfolgten Nermin S***** und Sejad Z***** zu den unter Punkt I./ dargestellten Handlungen,

2./ bis 26. Jänner 2017 Nihad J*****, Fuat I***** und den abgesondert verfolgten Agim A***** zu den unter Punkt I./ dargestellten Handlungen,

4./ bis 20. Dezember 2014 Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J***** sowie die abgesondert verfolgten Agim A***** und Evrim Ba***** zu den unter Punkt II./ dargestellten Handlungen,

5./ die abgesondert verfolgten Evrim Ba***** und Samir Haktan Sa***** dazu, im Umfeld des „Islamischen Kulturvereins Wien für alle Muslime“ und der darin geführten „M***** I***** Moschee“ neue Mitglieder für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat (IS) zur Durchführung von Terroranschlägen in Europa, insbesondere auch in Österreich, anzuwerben,

6./ nachgenannte Mitglieder des Vereins T***** dazu, von G***** nach Syrien in das Herrschaftsgebiet der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ zu reisen und sich als Mitglied an dieser terroristischen Vereinigung zu beteiligen, nämlich

a./ Ende August 2014 Nermin S*****, Ammar S***** und Naila Sk***** (mit ihren unmündigen Kindern Umejr und Musab S*****), Sejad Z***** und Sadika Z***** (mit ihren mündigen und unmündigen Kindern Merjem, Aisa, Muhamed und Hadera Z*****), Salih Z*****, Cazima Ho***** (mit ihren unmündigen Kindern Ismail, Merjem, Sumeja und Tejmullah Ho*****) sowie Muharem D***** und Ajisa D*****,

b./ am 20. Dezember 2014 Enes S***** und Michaela Su***** (mit ihren unmündigen Kindern Sarah, Ajla, Nail, Kenan und Enisa S*****), Hasan O***** und Katka O***** (mit ihren unmündigen Kindern Edis, Amina und Ammar O*****) sowie Muharem Sm***** und Munira Sm***** (mit ihren mündigen und unmündigen Kindern Benjamin, Davud, Selman und Ajsa Sm*****),

B./ in W*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebietes sich an den international agierenden kriminellen Organisationen „Jabhat al‑Nusra“ (bis Sommer 2013) und „Islamischer Staat (IS)“, somit jeweils an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit ihrer Kämpfer durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen Staates und des irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet oder vertreibt und sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge in Syrien und im Irak einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzierungsstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, als Mitglieder (§ 278 Abs 3 [dritter Fall] StGB) an deren Aktivitäten in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese kriminellen Organisationen in deren Ziel, vorerst in Syrien und im Irak und schließlich weltweit einen radikal islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbaren Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB, zu fördern, und zwar

I./ Nedzad B***** durch die zu Punkt A./VII./ bezeichneten Taten,

III./ Nihad J***** durch die zu den Punkten A./I./ und A./II./ bezeichneten Taten,

IV./ Fuat I***** durch die zu den Punkten A./I./ und A./II./ bezeichneten Taten,

IX./ Arzija J***** durch die zu den Punkten A./II./ und A./VI./ bezeichneten Taten,

C./ in W*****, G***** und anderen Orten des Bundesgebietes sich in einer Verbindung, nämlich der radikal islamistisch ausgerichteten terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch den als „Dschihad“ bezeichneten bewaffneten Kampf, einen nach radikal islamistischen Grundsätzen (Scharia) ausgerichteten als „Islamischer Staat“ (Kalifat) bezeichneten Gottesstaat vorerst in Syrien und im Irak und schließlich weltweit zu errichten (vgl Wahrspruch US 10, US 25, US 44), und damit die Unabhängigkeit der Republik Österreich, die in der Verfassung festgelegte Staatsform der Republik Österreich, die in den §§ 249, 250, 251 und 259 StGB angeführten verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich, nämlich den Bundespräsidenten, den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung, die Bundesregierung, die neun Landtage, die neun Landesregierungen, den Verfassungsgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, den Rechnungshof, die neun Landesrechnungshöfe und das Bundesheer, zu erschüttern, führend betätigt und für sie Mitglieder geworben, und zwar

I./ Nedzad B***** durch die zu den Punkten A./VII./ und B./I./ bezeichneten Taten,

III./ Nihad J***** durch die zu den Punkten A./I./, A./II./ und B./III./ bezeichneten Taten,

IV./ Fuat I***** durch die zu den Punkten A./I./, A./II./ und B./IV./ bezeichneten Taten,

IX./ Arzija J***** durch die zu den Punkten A./II./, A./VI./ und B./IX./ bezeichneten Taten.

Die Geschworenen hatten

hinsichtlich Nedzad B***** die Hauptfragen 1./1./ nach § 278b Abs 2 StGB, 1./2./ nach § 278a StGB und 1./3./ nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB bejaht,

hinsichtlich Nihad J***** die Hauptfragen 3./1./ nach § 278b Abs 2 StGB, 3./2./ nach § 278a StGB und 3./3./ nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB bejaht,

hinsichtlich Fuat I***** die Hauptfragen 4./1./ nach § 278b Abs 2 StGB, 4./2./ nach § 278a StGB und 4./3./ nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) Fall StGB bejaht und

hinsichtlich Arzija J***** die Hauptfragen 9./1./ nach § 278b Abs 2 StGB, 9./2./ nach § 278a StGB und 9./3./ nach § 246 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1) StGB bejaht.

 

Der Angeklagte Nedzad B***** befindet sich seit 27. Juli 2019 wieder durchgehend in Untersuchungshaft (vgl ON 1450, ON 1453, ON 1568, ON 1597, ON 1636; vgl auch US 194). Die Angeklagten Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J***** hingegen wurden aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 12. September 2019, AZ 9 Bs 305/19z ua (ON 1568), am 13. September 2019 enthaftet (ON 1591, ON 1593, ON 1594; vgl auch US 194 f) und befinden sich seitdem auf freiem Fuß.

 

Unmittelbar nach Urteilsverkündung am 12. März 2020 meldeten die Angeklagten Nedzad B*****, Nihad J***** und Arzija J***** nach Rücksprache mit ihrem Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, wobei sie keine Nichtigkeitsgründe (einzeln und bestimmt) bezeichneten (ON 1720 S 4). Der Angeklagte Fuat I***** meldete mit Schriftsatz seines Verteidigers (ON 1723) am 16. März 2020 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, wobei auch er keine Nichtigkeitsgründe (einzeln und bestimmt) bezeichnete (ON 1723 S 4).

Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde den Verteidigern jeweils am 2. April 2020 zugestellt (vgl ERV‑Zustellnachweis).

Der Angeklagte Fuat I***** brachte am 28. Mai 2020 eine Rechtsmittelausführung ein, in der er die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO geltend macht (ON 1731).

Der Angeklagte Nihad J***** brachte am 29. Mai 2020 eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ein, wobei er sich auf § 345 Abs 1 Z 6, 9, 10a, 11 lit a und 12 StPO stützt (ON 1733).

Der Angeklagte Nedzad B***** brachte gleichfalls am 29. Mai 2020 eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ein, in der er die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 12 StPO geltend macht (ON 1734).

Der Verteidiger der Arzija J***** übermittelte am 29. Mai 2020 im ERV eine als „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ titulierte Eingabe, welche allerdings lediglich aus dem ERV‑Deckblatt bestand und keine Anhänge (mit einer Rechtsmittelausführung) enthielt (ON 1732 S 1 f, ON 1 S 385 ff). Über telefonische Nachfrage durch die Gerichtskanzlei (ON 1732 S 1, ON 1 S 385) übermittelte der Verteidiger sodann am 4. Juni 2020 im ERV eine als „Antrag“ bezeichnete Eingabe, die im Anhang eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe enthält, wobei die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 6, 9, 10a, 11 lit a und 12 StPO geltend gemacht werden (ON 1732 S 3 ff, ON 1 S 387 f).

Mit Beschluss vom 16. Juni 2020, GZ 6 Hv 59/19d‑1738, wies der Vorsitzende des Geschworenengerichts die Nichtigkeitsbeschwerde des Nedzad B***** gemäß „§ 285a Z 1 StPO“, jene der Arzija J***** gemäß § 285a Z 2 StPO (zu ergänzen: jeweils iVm § 344 StPO) zurück, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass hinsichtlich Nedzad B***** die (gemäß der COVID-19-Gesetzgebung unterbrochene) vierwöchige Rechtsmittelausführungsfrist bereits mit 14. April 2020 neu zu laufen begonnen habe und die erst am 29. Mai 2020 eingebrachte Rechtsmittelausführung somit verspätet sei, und dass in dem vom Verteidiger der Arzija J***** am 29. Mai 2020 eingebrachten Schriftsatz keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet werden.

Dieser Beschluss wurde dem (gemeinsamen) Verteidiger der beiden Angeklagten am 23. Juni 2020 zugestellt (vgl ERV‑Zustellnachweis).

Mit am 29. Juni 2020 im ERV eingebrachtem Schriftsatz seines Verteidigers erhebt Nedzad B***** Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Vorsitzenden vom 16. Juni 2020 und begehrt weiters die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „gegen die Versäumung der fristgerechten Einbringung der schriftlichen Ausfertigung der Nichtigkeitsbeschwerde“ unter Anschluss einer – mit der am 29. Mai 2020 überreichten Rechtsmittelausführung identen – Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 1740a).

Die Angeklagte Arzija J***** beantragt mit am 28. Juni 2020 per ERV eingelangtem Schriftsatz ihres Verteidigers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „gegen die Versäumung der fristgerechten Einbringung der schriftlichen Ausfertigung der Nichtigkeitsbeschwerde“ unter Anschluss einer – mit der am 4. Juni 2020 eingebrachten Rechtsmittelschrift identen – Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 1740).

 

Rechtliche Beurteilung

Z um Lauf der Fristen zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerden:

Nach Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht zu überreichen (§§ 344, 285 Abs 1 erster Satz StPO).

§ 9 Z 3 1. COVID‑19‑ JuBG idF BGBl I 2020/16, der vom 22. März 2020 bis zum 4. April 2020 in Kraft stand, enthält eine Ermächtigung der Bundesministerin für Justiz, wonach diese – soweit hier relevant – für die Dauer von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 nach dem COVID‑19‑Maßnahmengesetz, BGBl I 2020/12, getroffen wurden, durch Verordnung anordnen kann, dass (unter anderem) die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nach § 285 Abs 1 StPO für die Dauer der angeordneten Betretungsverbote unterbrochen wird (§ 9 Z 3). § 3 der auf diesem Gesetz beruhenden Verordnung der Bundesministerin für Justiz, mit der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 besondere Vorkehrungen in Strafsachen getroffen werden (BGBl II 2020/113), enthielt (in dieser Fassung in Geltung von 24. März 2020 bis 8. April 2020) eine wortgleiche Anordnung.

 

§ 9 Z 3 1. COVID‑19‑ JuBG idF BGBl I 2020/24 (in Kraft seit 5. April 2020), sah vor, dass (unter anderem) die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs 1 StPO) bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen wird und mit 1. Mai 2020 neu zu laufen beginnt, „wobei diese Unterbrechung mit Ausnahme der in § 276a zweiter Satz StPO bezeichneten Frist nicht für Fristen in Verfahren gilt, in denen der Beschuldigte in Haft angehalten wird“. Mit der Verordnung der Bundesministerin für Justiz, mit der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 besondere Vorkehrungen in Strafsachen getroffen werden, BGBl II 2020/138 (in Kraft ab 9. April 2020), wurde sodann § 3 der Verordnung BGBl II 2020/113 dahingehend neu gefasst, dass er wörtlich der novellierten Bestimmung des § 9 Z 3 1. COVID‑19‑JuBG entspricht.

Zufolge § 12 Abs 2 zweiter Satz 1. COVID‑19‑JuBG idF BGBl I 2020/24 beginnen „in Verfahren, in denen der Beschuldigte in Haft angehalten wird“, Fristen, die aufgrund einer gemäß § 9 Z 3 erlassenen Verordnung unterbrochen waren, mit 14. April 2020 neu zu laufen.

 

Der weiteren Behandlung der Rechtsmittel voranzustellen ist, dass die Fristen für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde in Ansehung der nicht in Haft befindlichen Angeklagten Arzija J*****, Nihad J***** und Fuat I***** – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht (wie für den in Haft befindlichen Angeklagten Nedzad B*****; siehe dazu die Ausführungen zu dessen Beschwerde) am 14. April 2020, sondern erst am 1. Mai 2020 (neu) zu laufen begannen und daher mit Ablauf des 29. Mai 2020 endeten.

Zwar enthalten die dargestellten, aus Anlass der COVID‑19-Pandemie mittels Gesetz und Verordnung getroffenen Maßnahmen keine ausdrückliche Regelung für gemeinsam geführte Verfahren betreffend Angeklagte, die sich in Haft befinden, und solche, auf die dies nicht zutrifft, doch spricht schon der Wortlaut der anzuwendenden Verordnung („… der Beschuldigte …“; vgl im Gegensatz dazu § 9 Abs 2 StPO „… ein Beschuldigter ...“) für diese Auslegung. Sie ermöglicht es dem nicht inhaftierten Beschwerdeführer überdies, den Beginn der für ihn geltenden Ausführungsfrist – ohne dass er den Haftstatus allfälliger weiterer Rechtsmittelwerber in concreto erheben müsste – eindeutig zu erkennen (vgl zur verfassungsrechtlichen Anforderung, wonach der Inhalt einer Regelung soweit bestimmbar sein muss, dass der Normunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann: VfSlg 13.460). Zudem waren die COVID‑19-Maßnahmen im Justizbereich ganz allgemein von dem Ziel getragen, den Auswirkungen der damaligen Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf Gerichtsverfahren und den insbesondere krankheits- und maßnahmenbedingten Ausfällen sowohl des Gerichtspersonals als auch der rechtsberatenden Berufe und der Parteien Rechnung zu tragen, weil ein Tätigwerden innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen nicht immer möglich oder tunlich war (397/A XXVII. GP  S 34, 37). Nur deshalb kam es überhaupt zu einem Eingriff in das Fristenregime (unter anderem) der StPO.

Diese Auslegung berücksichtigt ferner den in den Materialien zu Art 32 des 4. Covid-19-Gesetz (BGBl I 2020/24; IA 403/A XXVII. GP S 34) zum Ausdruck gebrachten Gesetzeszweck, „Haftsachen“ nicht weiter durch die COVID-19-Maßnahmen zu verzögern (hier in Ansehung von rund zwei Wochen [vgl zum Begriff der ins Gewicht fallenden Verzögerung aber Kier, WK‑StPO § 9 Rz 49 f]), weil inhaftierte Angeklagte gemäß § 3 der Verordnung BGBl II 2020/113 idF BGBl II 2020/138 ausgenommen sind, selbst wenn sich Mitangeklagte auf freiem Fuß befinden. Dass somit die Fristen zur Ausführung eines Rechtsmittels in Bezug auf ein Urteil nicht für sämtliche Rechtsmittelwerber gleichzeitig ablaufen, sieht das Gesetz auch in anderem Zusammenhang vor (vgl etwa § 63 Abs 1 oder § 285 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0098845). In diesen Fällen ist dem besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§ 9 Abs 2 StPO) einzelfallbezogen Rechnung zu tragen, etwa durch gesonderte Vorlage der Rechtsmittel (vgl dazu Danzl, Geo8 § 179 Rz 4b). Im Übrigen steht § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO auch einer gesonderten Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht grundsätzlich entgegen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nihad J***** und Fuat I***** wurden daher rechtzeitig ausgeführt, zur Angeklagten Arzija J***** siehe die Ausführungen zu deren Wiedereinsetzungsantrag.

 

Zur Beschwerde des Angeklagten Nedzad B*****:

Der Ansicht des Rechtsmittelwerbers zuwider begann die vierwöchige Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde für den in Haft befindlichen Beschwerdeführer schon nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 12 Abs 2 zweiter Satz 1. COVID‑19‑JuBG idF BGBl I 2020/24 bereits am 14. April 2020 neu zu laufen und endete folglich mit Ablauf des 12. Mai 2020. Die erst am 29. Mai 2020 eingebrachte Rechtsmittelschrift des Nedzad B***** ist daher verspätet (§§ 344, 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Da der Angeklagte Nedzad B***** demnach weder bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde noch in einer rechtzeitig überreichten Ausführung derselben Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, erfolgte die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Vorsitzenden des Geschworenengerichts gemäß den §§ 344, 285a (richtig:) Z 2 StPO zu Recht.

Der Beschwerde des Angeklagten Nedzad B***** war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.

Mit dem Antrag, die Bestimmung „des § 3 der Verordnung 2020/138 hinsichtlich seines letzten Teilsatzes“ wegen sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung von in Haft und auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten und Verstoßes gegen Art 2 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, wird verkannt, dass in Hinblick auf die mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretene Gesetzeslage (Art 139 Abs 1 Z 4 B‑VG iVm § 57a VfGG, Art 140 Abs 1 lit d B‑VG iVm § 62a VfGG) ein subjektives Recht auf Normenkontrolle durch die Strafgerichte nicht (mehr) besteht (RIS‑Justiz RS0130514).

Auch amtswegiges Vorgehen (Art 89 Abs 2 B‑VG) ist nicht indiziert, weil das – verfassungsrechtlich vorgegebene (vgl Art 5 Abs 1 PersFrG und Art 5 Abs 3 zweiter Satz MRK) – besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§ 9 Abs 2 StPO) eine sachliche Differenzierung bei der Reichweite des der COVID‑19-Pandemie geschuldeten Eingriffs in das Fristenregime der StPO ermöglicht, sodass keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 3 der Verordnung BGBl II 2020/113 idF BGBl II 2020/138 bestehen.

 

Zum Antrag des Nedzad B***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Nach dem Antragsvorbringen sei der Verteidiger des Nedzad B***** davon ausgegangen, „dass angesichts des der Bestimmung des § 3 gemäß der Verordnung BGBl II 2020/138 zugrunde liegenden Telos dieser Bestimmung, wonach in Haftsachen das Beschleunigungsgebot gilt und in einem Rechtsmittelverfahren sämtliche Angeklagte gleich zu behandeln sind und bei einer Mehrzahl von Beschuldigten, welche teils in Haft, teils auf freiem Fuß befindlich sind, es sich eben nicht um 'ein Verfahren handelt, in denen der Beschuldigte in Haft angehalten wird' und für den in Haft befindlichen Angeklagten eine eklatante Schlechterstellung bewirkt wird, da er zwar um die Unterbrechung des Fristenlaufs gebracht wird, aber daraus keinerlei Vorteile zieht, da vor Vorlage an den Obersten Gerichtshof auf die Rechtsmittelausführungen der nicht in Haft befindlichen Beschuldigten mangels Ausscheidung derer Verfahren zuzuwarten ist und in diesem Sinne auch für den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten Nedzad B***** die gleichen Fristunterbrechungsmodalitäten gelten wie für die im gleichen Verfahren nicht in Haft befindlichen weiteren Angeklagten“. Diese Ungleichbehandlung erscheine sachlich in keiner Weise gerechtfertigt zu sein, insbesondere „da durch die Fristunterbrechung die beeinträchtigten Kanzleiapparate der Vertreter der Angeklagten geschützt werden sollten und nicht ein Lippenbekenntnis eines Beschleunigungsgebotes geschützt werden sollte, das in der Realität nicht schlagend wird, da es im Verfahren eben mehrere Angeklagte gibt, welche die jeweils gleichen Rechtsmittelfristvoraussetzungen haben sollten“.

Insofern sei der Verteidiger einem Rechtsirrtum unterlegen, der auf einem „Grad des minderen Versehens“ beruhte, welcher den Angeklagten an der rechtzeitigen Einbringung der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung hinderte. Dieser Rechtsirrtum sei mit der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 16. Juni 2020 aufgeklärt worden.

Gemäß § 364 Abs 1 StPO ist – neben anderen, hier nicht aktuellen Fällen – den Beteiligten des Verfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels zu bewilligen, sofern sie – soweit hier relevant – (Z 1) nachweisen, dass es ihnen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt, und (Z 2) die Wiedereinsetzung innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses beantragen.

Die Strafprozessordnung unterscheidet nicht, ob ein zur Fristversäumnis führendes – die Wiedereinsetzung ausschließendes – Versehen nicht bloß minderen Grades dem Angeklagten oder seinem Verteidiger unterlaufen ist; letzterer unterliegt allerdings einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab. Fehler des Verteidigers in der Handhabung des Fristenwesens schließen eine Wiedereinsetzung in der Regel ebenso aus wie dessen mangelnde Rechtskenntnis (RIS‑Justiz RS0103976, RS0101272 [T8, T10, T11], RS0123018; RS0101415; Lewisch, WK‑StPO § 364 Rz 27 f, 33).

Vorliegend beruft sich der Wahlverteidiger des in Untersuchungshaft angehaltenen Nedzad B*****, Rechtsanwalt Dr. Bl*****, auf einen Rechtsirrtum über die Dauer der durch die Verordnung BGBl II 2020/138 bestimmten Unterbrechung der Rechtsmittelfristen; die vom Verteidiger intendierte Auslegung der – nach der Zielrichtung des Vorbringens im Übrigen im Kern gar nicht missverstandenen, sondern vielmehr kritisierten – relevanten Bestimmungen ist allerdings mit deren Wortlaut und (bereits dargelegtem) Zweck nicht in Einklang zu bringen.

Insofern kann in dem konkret vorgebrachten anwaltlichen Rechtsirrtum über den Lauf der Ausführungsfrist, gemessen am Standard eines gewissenhaften und umsichtigen Rechtsanwalts (vgl dazu RIS‑Justiz RS0131735), in Hinblick auf die bedeutenden Nachteile, die für den Angeklagten aus der Versäumung einer Rechtsmittelfrist entstehen können, kein Versehen bloß minderen Grades erblickt werden.

Die Wiedereinsetzung war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht zu bewilligen.

Zu den Nedzad B***** betreffenden Schuldsprüchen A./VII./ und B./I./ sei mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO angemerkt, dass die im zugrundeliegenden Wahrspruch zu den Hauptfragen 1./1./ und 1./2./ (US 3 ff) hinsichtlich einzelner Beteiligungshandlungen (Unterpunkte 1./, 2./ und 4./) erfolgte Bezugnahme auf die Punkte A./I./ und A./II./ der Anklageschrift (vgl jedoch 11 Os 9/20p; Lässig, WK‑StPO § 317 Rz 5) unter dem Gesichtspunkt materieller Nichtigkeit (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO) keinen Bedenken begegnet und im Übrigen die weiteren, im Wahrspruch konstatierten – von einem kontinuierlichen Mitwirkungsvorsatz getragenen (vgl RIS‑Justiz RS0124166) – Beteiligungshandlungen (Bewerbung des Dschihad bei Vereinsmitgliedern und Besuchern sowie Unterpunkte 5./ und 6./) die vorgenommene Subsumtion unter §§ 278b Abs 2 und 278a StGB ohnehin tragen.

Zum Antrag der Arzija J***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Nach dem Antragsvorbringen habe der als Wahlverteidiger einschreitende Rechtsanwalt Dr. Bl***** „unter Berücksichtigung der Fristhemmung gemäß des COVID 19 Maßnahmengesetzes“ den Fristablauf für die Einbringung der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung mit 29. Mai 2020 in Evidenz genommen, das Rechtsmittel am 27. und 29. Mai 2020 ausgearbeitet, die fertiggestellte Rechtsmittelausführung am 29. Mai 2020 als Schriftsatz ausgedruckt und als pdf‑Datei eingescannt und sodann den Schriftsatz „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ an das Landesgericht für Strafsachen Graz expediert, wobei er am 29. Mai 2020 um 23:24 Uhr die Benachrichtigung über die erfolgreiche Einbringung erhalten habe. Aufgrund eines Flüchtigkeitsfehlers „bedingt durch die Vielzahl der Rechtsmitteleinbringungen“ sei dem im ERV eingebrachten Dokument der unmittelbar davor eingescannte Schriftsatz mit der Rechtsmittelausführung nicht als pdf‑Datei angeschlossen worden, wobei dies der Statusmitteilung über die Einbringung nicht habe entnommen werden können. Dieser Fehler sei erst aufgrund eines Anrufs der Leiterin der Gerichtskanzlei am 3. Juni 2020 entdeckt worden. Der Verteidiger, der an diesem Tag eine ganztägige Verhandlung in L***** und im Anschluss eine Besprechung in G***** verrichtete, habe der Kanzleileiterin die „Nachübermittlung“ für den nächsten Tag in Aussicht gestellt, was von dieser so zur Kenntnis genommen worden sei, und die Rechtsmittelausführung sodann am 4. Juni 2020 dem Gericht übermittelt. Aus Sicht des Verteidigers sei damit dem „Nachreichungsersuchen des Gerichts“ Genüge getan gewesen, und er habe keinen weiteren Handlungsbedarf gesehen. Dass die Einbringung der Rechtsmittelausführung verspätet gewesen sei, sei ihm erst aufgrund des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. Juni 2020 (ON 1738) bewusst geworden.

Voranzustellen ist, dass nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist (RIS‑Justiz RS0100170). Der „Nachtrag“ vom 4. Juni 2020 war daher unbeachtlich.

Schon nach dem Antragsvorbringen erlangte der Verteidiger bereits am 3. Juni 2020 Kenntnis von der nicht erfolgten Übertragung der Rechtsmittelausführung an das Landesgericht für Strafsachen Graz. Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich daher allein schon deshalb als unberechtigt, weil er nicht innerhalb von 14 Tagen nach Aufhören des Hindernisses gestellt wurde.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nihad J*****:

Mit dem Hinweis auf die Freisprüche Mitangeklagter wird betreffend A./ und B./ des Schuldspruchs ein innerer Widerspruch im Sinn der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0123182).

Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist gegeben, wenn die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS‑Justiz RS0119583 [T13]).

Durch die Bezugnahme auf die in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen „Rückkehrer aus Syrien“ Enes S*****, Katka O*****, Michaela Su*****, Hasan O*****, Muharem Sm***** und Munira Sm*****, sie wären in ihrem Entschluss, nach Syrien zu reisen, nicht vom Rechtsmittelwerber beeinflusst worden, werden beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen nicht geweckt.

Soweit der Beschwerdeführer auf die Niederschrift der Geschworenen (§ 331 Abs 3 StPO) Bezug nimmt, geht er daran vorbei, dass diese nicht zum Wahrspruch der Geschworenen gehört und solcherart nicht Anknüpfungspunkt einer Tatsachenrüge (Z 10a) sein kann (RIS‑Justiz RS0115549 [T1]).

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) bezieht sich bloß auf einzelne Beteiligungshandlungen, deren Wegfall aber die rechtliche Beurteilung gar nicht tangiert: Wiederholte, – wie hier – von einem kontinuierlichen „Mitwirkungsvorsatz“ getragene Beteiligungshandlungen an derselben terroristischen Vereinigung bzw kriminellen Organisation bilden nämlich eine tatbestandliche Handlungseinheit (RIS‑Justiz RS0124166, RS0127374).

Mit seinem auf C./ des Schuldspruchs bezogenen Vorbringen aus § 345 Abs 1 Z 6, Z 9, Z 10a, Z 11 lit a und Z 12 StPO wird der Rechtsmittelwerber auf die Kassation verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J***** im Übrigen war bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Fuat I*****:

Die auf A./ und B./ des Schuldspruchs bezogene Tatsachenrüge (§ 345 Abs 1 Z 10a StPO) bringt vor, die belastenden Angaben der „anonymen Zeugen 1 und 2“ wären durch das Beweisverfahren entkräftet worden. Der Rechtsmittelwerber wäre bloß „am Papier“ Obmann des Glaubensvereins und anfangs eine „Marionette“ des sehr autoritären Nermin S***** gewesen und hätte auch nach dessen Abreise im Jahr 2014 keine ideologische Führungsrolle innegehabt. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf die Aussagen der Zeugen Asad Ja*****, Miralem Sm*****, Hasan O*****, Almir E*****, Vinzenz P*****, Dasmir A***** und Katka O***** sowie der Angeklagten Nedzad B*****, Nihad J*****, Mirzed Mu***** und Bedro Ju*****. Der Mitangeklagte Redzep K***** hätte ihn bloß belastet, um „seine Rolle herunterzuspielen“. Damit verlässt die Beschwerde den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird durch diesen nämlich nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I***** gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit seinem aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erstatteten Vorbringen wird der Nichtigkeitswerber auf die amtswegige Aufhebung des angesprochenen Teils des Schuldspruchs verwiesen.

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass den die Angeklagten Nedzad B*****, Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J***** betreffenden Schuldsprüchen C./I./, III./, IV./ und IX./ – worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme hinweist – jeweils ein Nichtigkeit gemäß § 345 Abs 1 Z 12 StPO begründender Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet (§§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die nach § 246 Abs 1 StGB maßgebliche Erschütterung muss sich auf die Unabhängigkeit der Republik Österreich, deren in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung derselben beziehen. Die Unabhängigkeit Österreichs ist erschüttert, wenn ein Eingreifen fremder Mächte zur Regelung österreichischer Angelegenheiten oder Ähnliches ernstlich zu besorgen ist. Die Staatsform ist erschüttert, wenn zu befürchten ist, dass auf gesetzwidrige Weise die Staatsform einer demokratischen parlamentarischen Republik beseitigt wird. Verfassungsmäßige Einrichtungen im Sinn des § 246 Abs 1 StGB sind jene, die für den Staatsaufbau wesentlich sind. Diese Einrichtungen werden erschüttert, wenn ihre Missachtung um sich greift und von vielen nach ihrer Abschaffung gerufen wird (11 Os 9/20p; Bachner‑Foregger in WK² StGB § 246 Rz 3; Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 24 ff; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 246 Rz 7a).

Dem die Feststellungsgrundlage für die rechtliche Beurteilung bildenden Wahrspruch der Geschworenen zur Nedzad B***** betreffenden Hauptfrage 1./3./ (vgl Schuldspruch C./I./), zur Nihad J***** betreffenden Hauptfrage 3./3./ (vgl Schuldspruch C./III./), zur Fuat I***** betreffenden Hauptfrage 4./3./ (vgl Schuldspruch C./IV./) und zur Arzija J***** betreffenden Hauptfrage 9./3./ (vgl Schuldspruch C./IX./) ist jeweils kein Sachverhaltssubstrat zu entnehmen (vgl US 10 ff, 25 ff, 44 ff, 119 ff), wonach die Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ ungeachtet deren konstatierten Ziels, durch den als „Dschihad“ bezeichneten bewaffneten Kampf einen nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaat vorerst in Syrien und im Irak und „schließlich weltweit“ zu errichten, eine ernste Gefahr für die Grundfeste der Republik Österreich darstellen würden (vgl neuerlich 11 Os 9/20p).

Insofern vermag der Wahrspruch der Geschworenen die rechtliche Annahme der Verwirklichung eines Verbrechens nach § 246 Abs 2 StGB nicht zu tragen und haftet diesem somit ein Subsumtionsfehler (mangels Feststellungen) an.

Dies erfordert die Aufhebung des Wahrspruchs der Geschworenen sowie der darauf beruhenden Schuldsprüche wie aus dem Spruch ersichtlich und folglich auch der Strafaussprüche, des Nihad J***** betreffenden Ausspruchs nach § 446a StPO sowie des Konfiskationsausspruchs, der sich undifferenziert auf alle Schuldsprüche bezieht (US 195 f, US 206).

Zu diesem sei im Übrigen angemerkt, dass nach § 19a StGB nur zum Zeitpunkt der Entscheidung im Eigentum des Täters stehende Gegenstände konfisziert werden können, die dieser zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Straftat verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind. Vorliegend erschöpfen sich die diesbezüglichen Urteilsfeststellungen in der Annahme, Nedzad B*****, Nihad J*****, Fuat I***** und Arzija J***** hätten „alle sichergestellten und beschlagnahmten Gegenstände (ON 1342)“ zur Begehung der ihnen angelasteten vorsätzlichen Straftaten verwendet „oder“/„bzw“ seien diese von ihnen dazu bestimmt worden, bei der Begehung dieser Straftaten verwendet zu werden „oder“/„bzw“ durch diese Handlungen hervorgebracht worden (US 196, US 206). Damit ist jedoch nichts zu den Eigentumsverhältnissen gesagt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558). Betreffend die Angeklagten Nedzad B***** und Arzija J***** hatte ein Kostenausspruch zu unterbleiben, weil es nicht zu einem Rechtsmittelverfahren im Sinn des § 390a StPO gekommen ist und ein erfolgloser Antrag auf Wiedereinsetzung keine Kostenersatzpflicht auslöst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 11 und 19).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte