OGH 12Os30/17d

OGH12Os30/17d18.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sylvanus K***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Emese R***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 2017, GZ 43 Hv 63/16x‑57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00030.17D.0518.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Emese R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Sylvanus K***** enthält, wurde Emese R***** der Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./III./) schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch haben in W***** und an anderen Orten

A./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain mit zumindest 573,4 Gramm Reinsubstanz Cocain und Heroin mit zumindest 109 Gramm Reinsubstanz Diacetylmorphin, 2,49 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin und 6,54 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein,

I./ Sylvanus K***** Anfang September 2016 Emese R***** verschafft, indem er für diese den Kontakt zu seinem Suchtgiftlieferanten in den Niederlanden herstellte;

II./ Emese R***** am 4. und 5. September 2016 aus den Niederlanden aus‑ und über Deutschland nach Österreich eingeführt, indem sie mit dem in einer Bonbonverpackung eingepackten Suchtgift mit einem Bus von A***** nach W***** reiste;

III./ Emese R***** am 5. September 2016 Sylvanus K***** überlassen, indem sie mit dem für Sylvanus K***** bestimmten Suchtgift dessen Hotelzimmer aufsuchte und es ihm dort übergab;

B./ Sylvanus K***** Anfang September 2016 Emese R***** zur vorschriftswidrigen Ausfuhr des unter Punkt A./ angeführten Suchtgifts aus den Niederlanden und zur anschließenden Einfuhr des Suchtgifts über Deutschland nach Österreich bestimmt, indem er diese anwies, das Suchtgift in den Niederlanden abzuholen und nach Österreich zu transportieren.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Emese R*****, der keine Berechtigung zukommt.

Zu A./II./ des Schuldspruchs behauptet die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Schöffengericht hätte die Feststellung, wonach die Angeklagte das gegenständliche Suchtgift von den Niederlanden nach W***** transportierte, nicht begründet, es gäbe auch keine Observationsergebnisse zum grenzüberschreitenden Suchtgiftschmuggel, ihr Telefon sei nicht abgehört worden. Diese Ausführungen orientieren sich nicht an den tatrichterlichen Erwägungen. Demnach hat die Angeklagte bei ihren Vernehmungen die Reise selbst gar nicht bestritten. Dass sie nicht – wie von ihr behauptet – Schokolade, Geld, afrikanischen Salat oder eine Substanz für Salat aus den Niederlanden abholte bzw abholen wollte, sondern Suchtgift, hat das Erstgericht sehr wohl begründet (US 7 ff). Insbesondere lässt die Nichtigkeitsbeschwerde prozessordnungswidrig die Urteilsannahmen außer Acht, wonach die observierenden Polizeibeamten in dem Hotelzimmer, wo die beiden Angeklagten einander trafen, das Suchtgift sicherstellten (US 5; RIS-Justiz RS0119370).

Betreffend A./III./ des Schuldspruchs bringt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vor, die Feststellung des Überlassens des Suchtgifts an Sylvanus K***** wäre unbegründet geblieben. Die Rechtsmittelwerberin lässt dabei jedoch unberücksichtigt, dass nach den erstgerichtlichen Urteilsdarlegungen die Übergabe des Suchtgifts in einem Hotelzimmer aufgrund der Sicherstellung durch die observierenden Polizeibeamten „objektiviert“ ist (US 5, 10).

Insgesamt bekämpft die Mängelrüge bloß nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen – Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Auf die Behauptung, dass aus den vorliegenden Umständen auch andere

Schlüsse gezogen werden könnten, kann eine Rüge nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht gestützt werden (RIS-Justiz RS0099455 [T9]).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) führt zu A./II./ des Schuldspruchs aus, es fehlten Feststellungen, ob die Angeklagte das ihr in A***** übergebene Suchtgift bei ihrer Fahrt über die Landesgrenzen bei sich hatte. Sie verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit, weil den tatsächlichen Bezugspunkt die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen bildet, zu deren Verdeutlichung im Übrigen das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann (RIS‑Justiz RS0099810 [T28]). Die Beschwerde lässt inoweit die Konstatierungen außer Acht, wonach der Angeklagten in den Niederlanden das Suchtgift ausgehändigt wurde und sie nach einer Übernachtung mit dem Bus über Deutschland nach W***** fuhr, wo sie das gesamte in der Tasche befindliche Suchtgift dem Angeklagten Sylvanus K***** überließ (US 4 f).

Entsprechendes gilt für die Ausführungen der Subsumtionsrüge (Z 10), wonach das angefochtene Urteil keine Feststellungen enthalte, welche Mengen an Suchtgift die Angeklagte transportierte. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich entgegen dem Beschwerdestandpunkt, dass die Angeklagte das gesamte ihr in den Niederlanden übergebene Suchtgift mit 573,4 Gramm Reinsubstanz Kokain, 109 Gramm Reinsubstanz Diacetylmorphin, 2,49 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin und 6,54 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein nach der Übernahme nach W***** transportierte (US 5).

Ebenso wurde entgegen dem weiteren Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) zu A./III./ des Schuldspruchs konstatiert, dass die Rechtsmittelwerberin eben diese Menge an Suchtgift dem Sylvanus K***** übergab (US 5).

Auf die nach Einbringung der Nichtigkeitsbeschwerde neuerliche Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde war nicht Bedacht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Beschwerdegründe vorsieht (RIS‑Justiz RS0100152).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt zum Schuldspruch des Sylvanus K***** anzumerken, dass dem Schöffengericht mit der Annahme von zwei Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist. Die Ein‑ und Ausfuhr ist nämlich als alternatives Mischdelikt anzusehen, weshalb der Angeklagte zu diesem Punkt des Schuldspruchs nur ein Verbrechen verwirklicht hat (RIS‑Justiz RS0111410 [T2]). Zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof dennoch nicht veranlasst, weil das Erstgericht bei der Strafzumessung – im Hinblick auf den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./) im Ergebnis zutreffend – das Zusammentreffen zweier Verbrechen als erschwerend gewertet hat (US 11). Damit ist dem Angeklagten aus diesem Rechtsirrtum ein konkreter Nachteil nicht erwachsen.

Entsprechendes gilt für den Schuldspruch der Emese R***** wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu A./II./. Bei der Entscheidung über die Berufung besteht für das Oberlandesgericht im erwähnten Umfang keine Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz (RIS‑Justiz RS0118870).

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