European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00020.17H.0622.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marko M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) sowie der Verbrechen (richtig: des Verbrechens) des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. Mai 2015 in C***** aan der I***** in den Niederlanden vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain, beinhaltend den Wirkstoff Cocain in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) insgesamt um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge, indem er als Suchtgiftzwischenhändler mit in Österreich aufhältigen, abgesondert verfolgten Abnehmern die Durchführung einer Suchtgiftlieferung vereinbarte und einem abgesondert verfolgten Suchtgiftkurier in Kenntnis des grenzüberschreitend geplanten Suchtgifttransports die Suchtgiftbestände in der von ihm betriebenen Autowerkstatt im Wege Dritter übergeben ließ,
I./ anderen zumindest verschafft, und zwar dem Suchtgiftkurier Herbert T***** insgesamt 998,39 Gramm netto Kokain (darin enthalten 747,56 Gramm Cocain-Hydrochlorid bzw 667,4 Gramm Cocain‑Base) und
II./ dazu beigetragen, Suchtgift aus den Niederlanden aus‑ und nach Deutschland ein- sowie aus Deutschland aus‑ und nach Österreich einzuführen, und zwar zur Aus‑ und Einfuhr der in Punkt I./ genannten Suchtgiftbestände, indem er Herbert T***** das unter Punkt I./ angeführte Suchtgift verschaffte und dabei in Kenntnis war, dass dieser das Suchtgift aus Holland aus‑ und nach Deutschland ein- sowie aus Deutschland aus‑ und nach Österreich einführen werde, wobei Herbert T***** den im Eigentum der Lebensgefährtin des Albert Te***** stehenden Pkw verwendete, das Suchtgift in Päckchen unter der Verkleidung am Wagenboden verborgen mitführte und damit die niederländisch-deutsche Grenze passierte, jedoch von den deutschen Behörden bei Passau auf frischer Tat betreten und vor der beabsichtigten Passierung der deutsch-österreichischen Grenze festgenommen wurde, wodurch es beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz
Indem der Beschwerdeführer im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen aus seiner Abwesenheit vom Tatort anlässlich der Suchtgiftübergabe an Herbert T*****, aus den Aussagen der Zeugen Armin S*****, Albert Te***** und Custer K***** sowie aus seiner leugnenden Verantwortung für ihn günstigere Schlussfolgerungen abzuleiten sucht als die vom Erstgericht in eingehender Erörterung dieser Verfahrensergebnisse gezogenen (US 12 ff), kritisiert er lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung, ohne damit erhebliche Bedenken im oben aufgezeigten Sinn zu wecken.
Der Einwand fehlender Feststellungen (Z 9 lit a) zu einem auch auf ein „Überlassen“ von Suchtgift (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) gerichteten Vorsatz des Angeklagten infolge laut Beschwerdestandpunkt rechtsirriger Unterstellung des Sachverhalts unter § 28a Abs 1 sechster Fall SMG ist mangels Relevanz für die Schuldfrage ohne Bedeutung, weil § 28a Abs 1 SMG bezüglich (unmittelbarem) Überlassen und (mittelbarem) Verschaffen ein alternatives Mischdelikt darstellt, zumal der pönalisierte Unwert bei beiden Tatbestandsvarianten darin liegt, einem anderen vorschriftswidrig Suchtgift zur Verfügung zu stellen. Die Annahme einer der beiden als verwirklicht angesehenen Alternativen der rechtlich gleichwertigen Begehungsformen kann daher unter dem Aspekt der Subsumtion nicht angefochten werden (RIS‑Justiz RS0114037 [T6, T8]).
Mit der Behauptung, die zu Schuldspruchpunkt I./ angelastete Tathandlung würde aufgrund „scheinbarer Idealkonkurrenz“ zur Gänze „hinter der Beitragstäterschaft“ (§ 12 dritter Fall StGB) zum Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (II./) „zurücktreten“, weil der Beitrag des Angeklagten gerade in der Verschaffung des Kokains gelegen wäre und die Übernahme von Suchtgift mit dessen Ein‑ und Ausfuhr stets verbunden sei, vernachlässigt die Subsumtionsrüge (Z 10) jene Urteilsannahmen, wonach er Herbert T***** nicht nur die angeführte Menge Suchtgift verschaffen, sondern überdies ermöglichen und somit dazu beitragen wollte, das Suchtgift „vorschriftswidrig über die zwei angeführten Staatsgrenzen zu befördern“, indem er– dem mit Armin S***** und Albert Te***** verabredeten gemeinsamen Tatplan folgend (vgl US 6 f) – „auch seine Garage für den Einbau des Suchtgifts zur Verfügung stellte“ (US 8). Überdies lässt die Beschwerde– den Anforderungen der Prozessordnung zuwider (RIS‑Justiz RS0116565) – offen, weshalb der Handlungsunwert des dem Angeklagten zur Last liegenden Verhaltens allein durch die Verurteilung wegen der Beteiligung an der Ein- und Ausfuhr abgegolten sein sollte (vgl demgegenüber RIS‑Justiz RS0118871).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Bleibt zum Schuldspruch II./ anzumerken, dass dem Schöffengericht mit der Annahme zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist. Zum einen ist die versuchte Ausfuhr aus Deutschland und anschließende Einfuhr nach Österreich schon deshalb nicht als weiteres Verbrechen nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu beurteilen,
weil § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu einer Subsumtionseinheit (sui generis) führt, sodass selbst bei gleichartiger Realkonkurrenz stets nur ein einziges Verbrechen begründet wird (RIS‑Justiz RS0117464, RS0123912). Zum anderen ist die Ein- und Ausfuhr als alternatives Mischdelikt anzusehen, weshalb der Angeklagte zu diesem Punkt des Schuldspruchs nur ein Verbrechen verwirklicht hat (RIS‑Justiz RS0111410 [T2]). Bei der Entscheidung über die Berufung besteht für das Oberlandesgericht im erwähnten Umfang keine Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz (RIS‑Justiz RS0118870).
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