OGH 12Os164/16h

OGH12Os164/16h6.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Michael W***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ronald L***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Haftungsbeteiligten C*****gesellschaft mbH gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Juni 2016, GZ 15 Hv 4/15p‑225, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00164.16H.0406.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Ronald L***** und demzufolge auch im Strafausspruch und im Abschöpfungserkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Haftungsbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Ronald L***** des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 1, Abs 2 und Abs 4 StGB idF BGBl I 2002/134 (US 5 iVm US 63) wurden bei Ronald L***** 612.050 Euro und bei der Haftungsbeteiligten C*****gesellschaft mbH 480.000 Euro abgeschöpft.

Nach dem Schuldspruch hat Ronald L***** „in Österreich und anderen Orten im Zeitraum Oktober, November 2005 bis Ende Oktober 2006 zu den Tathandlungen des abgesondert verfolgten MMag. Dr. Karl P*****, wonach dieser

I./ als Geschäftsführer der I***** GmbH, welche Alleingesellschafterin der Im***** war, mithin als faktischer Machthaber der Im*****, die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch, dass er Mag. Michael W*****

1./ spätestens Ende Oktober, Anfang November 2005 anwies, rückständige Mieten bei der Ch***** bzw bei Ronald L***** nicht einzutreiben und ihn aufforderte, auf Mieteinnahmen für den Zeitraum Mai bis Dezember 2005 in Höhe von insgesamt netto 162.275 Euro sowie auf zukünftige Mieteinnahmen in Höhe von 4.079 Euro pro Monat zu verzichten, wissentlich missbraucht und dadurch bei Im***** einen Vermögensnachteil von insgesamt 230.377 Euro zugefügt;

2./ spätestens im Oktober 2006 anwies, die von Ronald L***** bzw der E*****‑Stiftung an die Im***** geleisteten, als Schadenersatz bzw Optionsentgelt titulierten Zahlungen wieder zurückzuzahlen, wissentlich missbraucht und dadurch der Im***** einen Vermögensnachteil in 300.000 Euro übersteigender Höhe von insgesamt 381.673 Euro zugefügt;

II./ als Vorstand der I***** AG die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu vermögen, dadurch, dass er Mag. Michael W***** spätestens im Oktober 2006 anwies, eine Scheinrechnung des Ronald L*****, welche dieser mit seiner Gesellschaft, der C*****gesellschaft mbH, über den Betrag von 492.000 Euro brutto der [richtig:] I***** AG legte, zu akzeptieren und die Zahlung freizugeben, obwohl dieser Rechnung keine Leistung gegenüberstand, wissentlich missbraucht und der I***** AG dadurch einen Vermögensnachteil in 300.000 Euro übersteigender Höhe von 480.000 Euro zugefügt;

dadurch beigetragen, dass er in dem Wissen, dass es keine rechtliche Grundlage für seine Forderungen gibt, sie dennoch in mündlichen Verhandlungen und auch schriftlich aufforderte, für die Im***** nachteilige Verträge abzuschließen und auf die Eintreibung von rückständigen Zahlungen in Höhe von 162.275 Euro sowie auf zukünftige Mieteinnahmen in Höhe von 4.079 Euro pro Monat zu verzichten bzw von ihm geleistete Zahlungen wieder zurückzuerstatten, ihm eine Provision für den Verkauf der Villa Es***** in Höhe von 492.000 Euro brutto zu gewähren, obwohl er tatsächlich keine Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf erbrachte, die eine Zahlung rechtfertigen würde, wobei er wusste, dass seine Forderungen nur dann erfüllt werden können, wenn MMag. Dr. Karl P***** aufgrund seiner Eigenschaft als Geschäftsführer/Vorstand der Muttergesellschaften der Im*****, somit als deren faktischer Machthaber, durch Gesellschafterweisungen an Mag. Michael W***** und Dr. Andrea H***** wissentlich die ihm eingeräumte Befugnis über das fremde Vermögen der Im***** und der I***** AG zu verfügen, missbraucht und diesen Gesellschaften dadurch einen Vermögensnachteil in 300.000 Euro übersteigender Höhe, nämlich einen Schaden von insgesamt 1.092.050 Euro zugefügt“.

 

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus Z 5, Z 5a und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Zu I./1./ des Schuldspruchs zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Ergebnis zutreffend auf, dass die Annahme der wirtschaftlichen Unvertretbarkeit des Verzichts auf einen Teil der rückständigen Mieten von insgesamt 162.275 Euro und der Vereinbarung der Mietreduktion um 4.079 Euro monatlich („entgegen kaufmännischer Überlegungen“; US 31 f) und die damit korrespondierenden Annahmen des Wissens des Angeklagten, dass der abgesondert verfolgte MMag. Dr. Karl P***** wissentlich seine Befugnis missbrauche und der Im***** ein Vermögensschaden zugefügt werde (US 29 ff, 38 f), ohne Sachverhaltsbezug bleiben (vgl RIS‑Justiz RS0119090).

Denn diese Feststellungen lassen sich mit den übrigen Entscheidungsgründen nicht in Einklang bringen (RIS‑Justiz RS0119090 [T12]). Der Schöffensenat ging nämlich davon aus, dass das Mietobjekt mit Baumängeln behaftet war (US 18 ff). Warum angesichts dessen die Forderung des Angeklagten auf Mietzinsreduktion unberechtigt war und er dies auch wusste (US 29), erklärt das Urteil nicht. Überdies nahmen die Tatrichter an, dass Ronald L***** ein Konkursverfahren betreffend die Ch***** abwenden wollte (US 33, 44), welche als Mieterin fungierte (US 25, 27), wobei eine persönliche Haftung des Angeklagten aus dem Mietvertrag zur Tatzeit nicht bestand (US 45). Zu Recht weist die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Angeklagte im Zuge der Vereinbarung vom 16. Dezember 2005 die persönliche Verpflichtung übernahm, 125.725 Euro an die Im***** zu leisten (US 31).

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen macht eine Aufhebung des betroffenen Schuldspruchs I./1./ unumgänglich, weshalb sich eine Erörterung des auf diesen bezogenen, weiteren Beschwerdevorbringens erübrigt.

Der Schuldspruch I./2./ steht mit jenem zu I./1./ in untrennbarem Zusammenhang: Das Erstgericht konstatierte, dass neben den Zahlungen durch die Mieterin Zahlungen durch den Rechtsmittelwerber und die E*****‑Stiftung in Höhe von 381.623 Euro an die Im***** erfolgten, sodass diese aus dem Mietvertrag 849.623 Euro lukrierte, wobei der Schaden der genannten Gesellschaft einerseits aus der Nichteintreibung von Mieten für den Zeitraum Mai bis Dezember 2005 von insgesamt 162.275 Euro sowie aus dem Verzicht auf die Eintreibung von weiteren Mieten in Höhe von 4.079 Euro pro Monat und andererseits aus der Rückzahlung des als Schadenersatz titulierten nicht zustehenden Betrags von 381.673 Euro resultierte (Schuldspruch I./1./ und 2./; US 39). Um inhaltliche Nachteile für den Angeklagten zu vermeiden, ist zwecks umfassender Neubeurteilung der dort zusammengefassten Tathandlungen mit Kassation des gesamten Schuldspruchs I./ vorzugehen (RIS‑Justiz RS0120632; Ratz , WK‑StPO § 289 Rz 3).

Zu II./ des Schuldspruchs zeigt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zutreffend auf, dass die Tatrichter bei der Feststellung, wonach der Angeklagte Ronald L***** und die C*****gesellschaft mbH für die Verwertung der Villa Es***** nicht verdienstlich tätig geworden sind (US 35 f), die Aussage des Zeugen Frederic Ho***** nicht berücksichtigt haben, wonach er durch das Maklerbüro S***** für Preisverhandlungen an den Angeklagten Ronald L***** verwiesen wurde und er nach der ersten Besichtigung nur mit diesem gesprochen, mit ihm die Villa neuerlich besichtigt, ihn mehrmals getroffen, mit ihm im Rahmen der Verhandlungen viel telefoniert und ihm letztendlich auch das Angebot unterbreitet habe (ON 224 S 5 bis 23).

Ebenso weist der Nichtigkeitswerber zutreffend darauf hin, dass das Schöffengericht in diesem Zusammenhang die Aussage der Zweitangeklagten Dr. Andrea H***** außer Acht ließ (Z 5 zweiter Fall), wonach der Angeklagte Ronald L***** „sich um alles gekümmert“ und „auch das mit Herrn Ho***** und dem Notar gemacht“ habe (ON 199 S 167).

Die Aufhebung des Urteils in dem im Spruch ersichtlichen Teil bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) erweist sich daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als unumgänglich.

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