OGH 12Os148/04

OGH12Os148/0410.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred P***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 21. Oktober 2004, GZ 18 Hv 153/04i-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Alfred P***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I.) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (II.) und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (III.) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. am 4. November 2003 in Göriach versucht, Reinhold G***** vorsätzlich zu töten, indem er ihm aus geringer Entfernung mit einer Pistole in den Bauch schoss;

II. am 4. November 2003 in Göriach Klothilde G***** durch die Äußerung "Muss ich auf dich auch noch schießen", wobei er eine Pistole gegen sie richtete, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III. bis zum 4. November 2003 in Göriach und anderen Orten wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungs-pflichtige Schusswaffe, und zwar eine Pistole Marke CZ, Kaliber 7,6 mm samt Munition besessen und geführt.

Die Geschworenen haben die anklagekonform an sie gerichtete Hauptfrage nach dem Verbrechen des versuchten Mordes stimmenmehrheitlich und die Hauptfragen nach den Vergehen der gefährlichen Drohung und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG einstimmig bejaht. Die zur Hauptfrage nach versuchtem Mord gestellten Zusatzfragen nach Notwehr, Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt, Putativnotwehr sowie Putativnotwehrüberschreitung verneinten die Laienrichter ebenso einstimmig wie die zur Hauptfrage nach gefährlicher Drohung gestellten Zusatzfragen nach Notwehr und Putativnotwehr. Sämtliche Eventualfragen blieben bei diesem Abstimmungsverhalten folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Wahrspruch vom Angeklagten aus den Gründen der Z 6, 9 und l0a des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Soweit sich die Rüge nach dem Inhalt des Rechtsmittelantrags (auch) gegen die Urteilspunkte II. und III. richtet, war sie sogleich zurückzuweisen, weil sie dazu nicht ausgeführt wurde und diese Fakten betreffende Nichtigkeitsgründe bei der Anmeldung des Rechtsmittels nicht genannt wurden (§ 285 iVm §§ 285a Z 2, 344 StPO). Die Fragenrüge (Z 6) verfehlt eine am Gesetz orientierte Darstellung, weil sie nicht darlegt, weshalb durch die unterbliebene Aufnahme von Passagen, wonach "der Angeklagte eine ungeladene Waffe mit sich geführt und erst im letzten Moment geladen" und "unmittelbar nach der Tat die Gendarmerie um Verständigung der Rettung ersucht hat" in die Fragen nach Mord bzw Notwehr sowie durch das von der Rüge gleichermaßen kritisierte Unterlassen von "Feststellungen" dazu, "aus welcher konkreten Entfernung" und "in welchem Winkel der Schuss auf Reinhold G***** von oben nach unten abgegeben worden war", eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein soll.

Sind doch in Hauptfragen gemäß § 312 StPO die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und ist dabei die Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw so zu individualisieren, dass sie das verwechslungssichere (eine Doppelverurteilung ausschließende) Gepräge eines individuellen Vorgangs erhält. (Echte) Zusatzfragen haben nur jene im Gesetz angeführten Umstände zu enthalten, welche nach dem die Stellung einer solche Frage indizierenden Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung den in Betracht kommenden Straflosigkeitsgrund in concreto zu begründen vermögen. Hingegen kann eine Verpflichtung zur weitergehenden Konkretisierung des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch über die echte Zusatzfrage zugrunde zu legenden Sachverhalts aus dem Gesetz ebenso wenig abgeleitet werden wie das Erfordernis, bei Abfassen von Hauptfragen die Tat durch Anführen rechtlich bedeutungsloser Nebenumstände erschöpfend (Spezialisierung) zu beschreiben (Schindler WK-StPO § 312 Rz 47 f und § 313 Rz 23). Soweit die Rüge "Feststellungen" darüber vermisst, "ob eine Notwehrsituation nach Ansicht der Geschworenen überhaupt jemals vorgelegen hatte" und ferner Fragen unter anderem zum Verhalten des Opfers vor der Tat sowie dahin reklamiert, ob "der Angeklagte die Möglichkeit gehabt hätte, Reinhold G***** anstatt eines Bauchschusses einen Schuss in die Brust bzw in den Kopfbereich zu versetzen" und ob "es im Vorfeld der Tat zwischen dem Angeklagten und dem Opfer Vorfälle gegeben hat, welche einen Angriff des Reinhold G***** befürchten ließen und das Führen einer Waffe rechtfertigten", lässt sie erneut eine - den prozessualen Anforderungen entsprechende - deutliche und bestimmte Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen vermissen.

Im Übrigen hat der Schwurgerichtshof der Verantwortung des Angeklagten, er habe in Notwehr gehandelt, durch Stellung einer insoweit indizierten Zusatzfrage im Sinne des § 313 StPO Rechnung getragen.

Mit dem Einwand (Z 9), dass jene Passage in der Niederschrift der Geschworenen zur ersten Hauptfrage, wonach auch das Mitnehmen der geladenen Waffe für die Tötungsabsicht spricht, nicht mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung in Einklang stünde, wird eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder ein innerer Widerspruch der Antwort der Geschworenen auf die an sie gestellte Hauptfrage von vornherein nicht dargetan. Denn der behauptete Mangel der Niederschrift, den der Angeklagte aus deren Divergenz mit seiner Vorantwortung ableitet (siehe S 75a/I iVm S 408, 410/II, wonach sich im Magazin der Waffe zwei Patronen befanden und der Angeklagte vor der Schussabgabe "repetierte"), ist unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos (Ratz WK-StPO § 345 Rz 69; Mayerhofer StPO5 § 345 Z 9 E 7; 12 Os 90/04).

In der Tatsachenrüge (Z l0a) bestreitet der Angeklagte unter ausschließlicher Betrachtung für ihn günstiger Verfahrensergebnisse den Tötungsvorsatz, wobei er erneut darauf verweist, die Waffe erst unmittelbar vor der Tat geladen (gemeint: die unterladene Waffe "durchgeladen") zu haben und behauptet, im Falle des von ihm in Abrede gestellten Vorsatzes hätte er nicht "auf den Bauch sondern das Herz oder den Kopf des Opfers gezielt" und zudem habe er damit "rechnen dürfen, dass bei Verständigung der Rettung Todesfolgen keinesfalls eintreten werden".

Mit dieser Argumentation vermag der Beschwerdeführer sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten entscheidenden Tatsachen ebenso wenig zu erwecken, wie mit dem Vorbringen gegen die Zuverlässigkeit der seiner Tatversion zuwiderlaufenden Angaben des Opfers und der Zeugin Klothilde G***** in der Hauptverhandlung (S 419 ff, 424/II) und gegen die - mit Mängeln im Sinne der §§ 125, 126 StPO nicht behafteten - Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. R***** zur Körperhaltung des Opfers im Zeitpunkt der Schussabgabe (S 434 f/II), die er unter Zugrundelegung eigener Sachverhaltsannahmen kritisiert. Denn der auf dem persönlichen Eindruck der Geschworenen von der Glaubwürdigkeit der Angaben von Zeugen beruhende kritisch-psychologische Vorgang bleibt ihnen vorbehalten und ist einer Anfechtung aus dem relevierten Nichtigkeitsgrund nur unter dem Gesichtspunkt erheblicher Bedenken dagegen zugänglich. Mit der Behauptung, das Gutachten des genannten Sachverständigen sei „eklatant unklar geblieben", wird der angezogene Nichtigkeitsgrund von vornherein nicht dargetan. Im Übrigen wäre es dem Angeklagten (bzw seinem Verteidiger) frei gestanden, weitere Fragen an den Experten zu stellen (siehe S 436/II).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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