OGH 12Os143/21b

OGH12Os143/21b27.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Frank in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 21. Juli 2021, GZ 17 Hv 95/20t‑89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00143.21B.0127.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde * P* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in R* und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) * T* durch Täuschung über Tatsachen zu Zahlungen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 390.000 Euro am Vermögen geschädigt, und zwar:

1./ am 4. Mai 2018 durch die wahrheitswidrige Vorgabe, gewillt zu sein, 20 % seiner Geschäftsanteile an der P&P * GmbH an * T* zu verkaufen, und bereits finanzielle Mittel in Millionenhöhe in die Entwicklung eines Pferdehufbeschlags eingesetzt zu haben, zur Zahlung von 80.000 Euro;

2./ am 22. Juni 2018 durch die wahrheitswidrige Vorgabe, fähig und gewillt zu sein, eine Eigenkapitalerhöhung der P&P * GmbH von 300.000 Euro unter aliquoter Einbringung auch von seiner Seite als Gesellschafter der genannten GmbH durchzuführen, zur Zahlung von 30.000 Euro;

3./ durch die wahrheitswidrige Vorgabe, fähig und gewillt zu sein, zwecks Umsetzung neuer, gemeinsamer Projekte Eigenkapital in gleicher Höhe wie * T* in die dafür gegründete Gesellschaft, nämlich die P&T * GmbH, einzubringen, „wohingegen er weder willens noch fähig war, die seiner Eigenkapitalquote entsprechenden Beträge aufzubringen“, zur Leistung von Darlehensbeträgen an die genannte Gesellschaft, nämlich

a./ am 26. Oktober 2018 in Höhe von 200.000 Euro und

b./ am 20. Februar 2019 in Höhe von 80.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4, 5, 8, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen ebendort gegen einen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss, sondern nur pauschal auf den in der Hauptverhandlung vorgenommenen Verweis auf einen schriftlich gestellten (im Übrigen bloßen Erkundigungscharakter beinhaltenden) Beweisantrag (ON 79), „wo auch der Herr L* dabei ist“ (vgl ON 88 S 73). Solcherart ermangelt es dem Beschwerdeführer aber an der erforderlichen Anfechtungslegitimation (vgl RIS‑Justiz RS0099511 [T5, T7]; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.95).

[5] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) musste sich der Schöffensenat – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend – nicht mit sämtlichen Details der als unglaubwürdig verworfenen (US 12 f) Einlassung des Angeklagten auseinandersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0106295).

[6] Die weitere Beschwerde (Z 5 vierter Fall) ist mit ihrer Kritik am angeblichen Fehlen einer Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite bezüglich eines 300.000 Euro übersteigenden Vermögensschadens (§ 147 Abs 3 StGB) auf die genau dazu getroffenen Ausführungen US 25 f zu verweisen.

[7] Die Argumentation, die von den Tatrichtern angenommene Verwendung eines „Lügenkonstrukts“ stelle keine tragfähige Begründung für die Konstatierung gewerbsmäßiger Tatbegehung dar, vernachlässigt prozessordnungswidrig die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Denn der Schöffensenat bezog sich insoweit auch auf die triste Einkommens- und Vermögenslage des Angeklagten sowie den langen Tatzeitraum (US 26).

[8] Die weitere Rüge (nominell Z 5 vierter Fall) verkennt grundlegend, dass die unterlassene Beiziehung eines Sachverständigen grundsätzlich nur mit Verfahrensrüge (Z 4) oder (subsidiär) mit einer Tatsachenrüge als Aufklärungsrüge (Z 5a) bekämpft werden kann (Hinterhofer in WK‑StPO § 126 Rz 178). Der Beschwerdeführer hat allerdings einen diesbezüglichen (den formellen Anforderungen genügenden) Antrag nicht gestellt und auch kein Vorbringen dazu erstattet, inwieweit er allenfalls an einer solchen Antragstellung gehindert gewesen wäre. Somit geht die (pauschale) Kritik, die Feststellungen „zur Frage, ob die P&P bzw. P&T eine Geschäftstätigkeit entfaltet hat bzw. ob seitens des Angeklagten (bereits) finanzielle Mittel in die Gesellschaften eingebracht wurden“, seien aufgrund fehlender Fachkenntnisse der Tatrichter offenbar unzureichend begründet, ins Leere.

[9] Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 8) überschritt das Schöffengericht die Anklage nicht, indem es bloß zusätzliche Täuschungsaspekte bei den betrügerischen Handlungen für die jeweiligen Schuldsprüche (Einsatz von Entwicklungskosten in Millionenhöhe [1./], aliquote Einbringung von Eigenkapital durch den Angeklagten [2./] sowie – wiederholend – Unfähigkeit und Unwilligkeit in Bezug auf die Einbringung die der Eigenkapitalquote entsprechenden Beträge [3./]) heranzog. Denn die Identität der Tat geht nicht verloren, wenn zusätzliche Nebenumstände, die in den Rahmen des angeklagten Gesamtgeschehens fallen und auf denselben Deliktserfolg abzielen, in das Urteil aufgenommen werden (vgl RIS‑Justiz RS0098484; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 1.53 mwN).

[10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit ihrer Kritik am Unterbleiben von Sachverhaltsannahmen zum Zeitpunkt des Vorliegens des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes prozessordnungswidrig den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0099810). Denn danach entwickelte der Angeklagte diese subjektive Innentendenz spätestens in den Wochen vor dem vorgeblichen Verkauf von 20 % der Geschäftsanteile an * T* (vgl US 24 f).

[11] Aus welchem Grund die Konstatierung, dass der (bedingte) Vorsatz des Angeklagten auf die Zahlung von Geldbeträgen von gesamt 390.000 Euro gerichtet war (US 12), für eine Tatbeurteilung nach § 147 Abs 3 StGB nicht ausreichen soll, macht die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht klar.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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