OGH 11Os51/24w

OGH11Os51/24w18.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Edermaier‑Edermayr, LL.M. (WU) als Schriftführer in der Strafsache gegen K* K*, wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und im Verfahren zu dessen strafrechtlicher Unterbringung in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 19. Februar 2024, GZ 35 Hv 75/23v‑73, weiters über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00051.24W.0618.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde K* K* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 28. Juni 2023 in Z* * M* durch das Versetzen von 39 wuchtigen Messerstichen mit einem Küchenmesser mit einer Gesamtlänge von 31 cm und einer Klingenlänge von 19 cm gegen Kopf, Gesicht und Oberkörper vorsätzlich getötet.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung von Beweisanträgen Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt:

[5] Der Antrag auf Vernehmung von W* K* und * Ko* als Zeugen zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte am Tatabend jene Tabletten und Alkoholmengen, die er im Rahmen der heutigen Verhandlung angegeben hat, zu sich genommen hat“ („drei Tabletten Xanor, sechs bis sieben Tabletten Trittico und zahlreiche Benzos, mehr als zwei Stück Halcion und darüber hinaus fünf Dosen Bier und eine große Menge an Wodka“), womit bewiesen werden sollte, „dass beim Angeklagten am besagten Tatabend bzw bei der Tatrekonstruktion Zurechnungsunfähigkeit gegeben war“ (ON 72 S 8), wurde zu Recht abgewiesen (ON 72 S 13 f).

[6] Denn einerseits ließ derAntrag nicht erkennen, weshalb die Genannten am 28. Juni 2023 unmittelbare Wahrnehmungen zum konkreten Alkohol‑ und Medikamentenkonsum des Angeklagten vor der Tat gemacht haben sollen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; vgl auch RIS‑Justiz RS0118444).

[7] Andererseits stellen subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen (hier: zur Frage allfälliger Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten infolge „voller Berauschung“ zur Tatzeit) und ähnliche intellektuelle Vorgänge von Zeugen keine Tatsachenbekundungen und damit keine Beweismittel dar (RIS‑Justiz RS0097540).

[8] Im Übrigen ging der Schwurgerichtshof bei der Abweisung des Antrags ohnehin davon aus, dass die Konsumationen des Angeklagten am Tattag bereits aufgrund dessen Angaben erwiesen seien (ON 72 S 14; § 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS‑Justiz RS0099135).

[9] Soweit sich der Antrag auf die Frage der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten „bei der Tatrekonstruktion“ (am 5. Juli 2023; ON 19) bezog, ließ er zudem nicht erkennen, inwiefern damit entscheidende Tatsachen bewiesen werden sollten.

[10] Ein Antrag auf „Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen“ wurde in der Hauptverhandlung am 19. Februar 2024 nicht (mündlich) gestellt. Auf einen bloßen Verweis (ON 72 S 13) auf einen schriftlichen Beweisantrag (ON 61.2) kann die Verfahrensrüge (Z 5) nicht gestützt werden (RIS‑Justiz RS0099511 [T5, T7]). Dies gilt auch, wenn sich das Gericht in einem Zwischenerkenntnis mit dem in einem Schriftsatz enthaltenen Beweisantrag auseinandersetzte (RIS‑Justiz RS0099099).

[11] Zur Begründung im Rechtsmittel jeweils nachgetragene Argumente sind prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

[12] Indem die weitere Verfahrensrüge (Z 5) die Abweisung des Antrags des Angeklagten auf Stellung einer Zusatzfrage wegen Zurechnungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt (ON 72 S 15) releviert, vernachlässigt sie, dass allfällige Mängel der Fragestellung nur aus Z 6 geltend gemacht werden können (RIS‑Justiz RS0101012).

[13] Demgemäß kritisiert die Fragenrüge (Z 6) das Unterbleiben der Stellung einer Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) und beruft sich dabei auf eine (nicht durch eine Fundstelle belegte, im Rechtsmittel als „[Eigen‑]Bewertung“ eingestufte) Behauptung des Angeklagten, er sei „unzurechnungsfähig“ gewesen, und weiters auf den Umstand, dass ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zu dieser Frage eingeholt worden sei.

[14] Die gesetzmäßige Ausführung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes erfordert jedoch eine Substantiierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen die nunmehr urgierte Fragestellung ernsthaft indiziert gewesen sein soll (vgl RIS‑Justiz RS0119417, RS0100860). Welche konkreten (objektiven) Anhaltspunkte für einen die Dispositionsfähigkeit oder Diskretionsfähigkeit ausschließenden Zustand des Angeklagten im Tatzeitpunkt sich aus der Aussage des Angeklagten selbst ergeben sollen (RIS‑Justiz RS0100527), sagt die Fragenrüge aber nicht.

[15] Sollten die im Zuge der Verfahrensrüge erwähnten (im Übrigen auch dort nicht durch Fundstellen belegten; vgl aber RIS‑Justiz RS0124172) Aussagen des Angeklagten zu seinem Alkohol‑ und Medikamentenkonsum am Tattag als Tatsachen iSd § 313 StPO angesprochen sein, vernachlässigt die Beschwerde, dass bei der Berufung auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse der Nachweis der Nichtigkeit nicht auf Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung und der gutachterlichen Expertise herausgegriffener Teile derselben geführt werden darf, sondern die jeweiligen Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0120766).

[16] Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, übergeht sie doch, dass der Angeklagte die entscheidenden Vorgänge selbst durchaus detailliert geschildert (ON 5.4, ON 7, ON 19, ON 72 S 3 ff) und das psychiatrische Sachverständigengutachten (ON 27, ON 72 S 9 ff) mit Blick auf die Gewöhnung des Angeklagten an Alkohol und andere Substanzen keinerlei Hinweise auf eine Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten ergeben hat. Schon aus diesem Grund wird in der Beschwerde somit kein Sachverhaltssubstrat genannt, welches fallkonkret ernsthaft indizieren würde, der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (im Sinn einer vollen Berauschung) unfähig gewesen, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (vgl RIS‑Justiz RS0114643).

[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 398 Abs 3 StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte