OGH 11Os46/20d

OGH11Os46/20d1.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen DI Maximilian H* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 27. Jänner 2020, GZ 37 Hv 106/16g‑140, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128814

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch und im Verfolgungsvorbehalt unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Leoben verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, einen Verfolgungsvorbehalt (§ 263 Abs 2 StPO) und die Verweisung der Privatbeteiligten W* GmbH mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg nach § 366 Abs 2 StPO enthält, wurde der Angeklagte DI Maximilian H* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall (teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in R* und S* als Zeichnungsberechtigter, teils als Geschäftsführer der W* GmbH seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft um zumindest 46.853,78 Euro am Vermögen geschädigt, und zwar

1) am 2. Oktober 2008, indem er namens der W* GmbH deren Kredit bei der B* über 800.000 Euro eigenmächtig in Schweizer Franken konvertierte, obwohl die Gesellschafter der W* GmbH die Aufnahme des Fremdwährungskredits ausdrücklich abgelehnt und die Aufnahme des Euro‑Kredits beschlossen hatten (Schaden zumindest 9.998,07 Euro), sowie

2) im Zeitraum 25. August 2009 bis 8. Oktober 2010 als am Konto der W* GmbH Zeichnungsberechtigter mehrmals rechtsgrundlos Überweisungen in Höhe von zumindest 36.855,71 Euro von deren Konto veranlasste, indem er an Verpächter von Liegenschaften und damit auch an sich selbst und seine Ehefrau über die angemessenen und vereinbarten Pachtzinse hinaus teils selbst Zahlungen tätigte, teils den im Zeitraum 10. August 2009 bis 21. April 2010 zeichnungsberechtigten Dietmar K* zur Durchführung der Überweisungen in von ihm jeweils vorgegebener Höhe bestimmte (Schaden zumindest 36.855,71 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Unter Hinweis auf die Anklagemodifikation in der Hauptverhandlung am 7. August 2019 zum Schuldspruch 2 (hinsichtlich Tathandlungen, Täterschaftsform und Schadensumme – ON 129 S 19) reklamiert die Rüge (Z 9 lit b) zutreffend das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes der Verjährung. Dem angefochtenen Urteil sind nämlich keine Feststellungen zu entnehmen, aus denen sich ergäbe, dass die Strafbarkeit der Tathandlungen noch nicht verjährt ist.

Dem festgestellten Sachverhalt zufolge ist von einer Tatbegehung im Zeitraum von 25. August 2009 bis 8. Oktober 2010 auszugehen (US 20), sodass die bei einer Strafdrohung von drei Jahren (§ 153 Abs 3 erster Fall StGB) maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB) mit Ablauf des 8. Oktober 2015 endete (§ 58 Abs 2 StGB – vgl Marek in WK² § 58 Rz 6).

Die Tatsache, dass im Urteil Feststellungen fehlen, wonach es zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist gekommen ist, macht die rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit der Untreuehandlungen wäre nicht verjährt, unschlüssig (RIS‑Justiz RS0122332 [T1, T7]).

Diese vom Angeklagten zutreffend aufgezeigte Nichtigkeit (Z 9 lit b) erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs 2.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch 1 ebenso eine insoweit nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (Z 9 lit b) anhaftet. Denn auch zu diesem Schuldspruch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergäbe, dass die Strafbarkeit der Tat noch nicht verjährt ist.

Da die Verjährungsfrage keine prozessuale Tatsache betrifft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 621), sind dem Obersten Gerichtshof Feststellungen hiezu verwehrt (Marek in WK2 StGB § 57 Rz 19; RIS-Justiz RS0118545).

Eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeargumente bedarf es nicht. Zum Vorbringen aus Z 3 sei nur festgehalten, dass der Sachverständige Ko* sein schriftliches Gutachten (ON 25) anlässlich der Befragung in der HV am 27. Jänner 2020 vollinhaltlich aufrecht erhalten hat (ON 139 S 8), womit es ohne Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO in die HV eingeführt wurde. Die Frage nach einem Unmittelbarkeitssurrogat hätte sich dann gestellt, wenn die Abhörung des Genannten in der Hauptverhandlung durch (hier nicht erfolgte) Verlesung (ON 139, S 14 iVm ON 136 S 4) ersetzt worden wäre (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 228 ff; Hinterhofer, WK‑StPO § 125 Rz 50; Ratz, Zweifelsfragen beim [eingeschränkten] Verlesungsverbot nach § 252 StPO, ÖJZ 2000, 550; 14 Os 86/15a).

Das angefochtene Urteil war demnach mit Ausnahme des Freispruchs und des Verfolgungsvorbehalts bereits nach nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 285e erster Satz StPO). Da die der Anklage (noch) zugrunde liegenden Taten in die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts fallen (§ 31 Abs 3 Z 6a iVm Abs 4 Z 1 StPO), war die Sache an diesen zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz StPO; RIS-Justiz RS0100271).

Zufolge Aufhebung des gesamten Schuldspruchs fallen dem Angeklagten keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

Im zweiten Rechtsgang wird darauf zu achten sein, ob sich zu jeder Tat (vgl Marek in WK2 StGB § 57 Rz 12; RIS-Justiz RS0128998, RS0132829; jüngst 11 Os 166/19z) Feststellungen treffen lassen, aus denen sich eine Verlängerung der Verjährungsfrist (vgl vor allem § 58 Abs 2 und Abs 3 Z 2 StGB) ergibt.

Bleibt im Übrigen anzumerken, dass eine spätere Entlastung des Geschäftsführers (zur Wirkung vgl Enzinger in Straube, WK-GmbHG § 35 Rz 39) einer Verwirklichung des Tatbestands der Untreue nicht entgegensteht und eine bloße Entlastung (die auch nicht in jedem Fall, so etwa nicht bei unvertretbarer Schwere der Pflichtverletzung [vgl RIS-Justiz RS0060000 {T2, T3}, RS0060007 {T2, T3}, RS0060019] zur Haftungsbefreiung des Geschäftsführers führt) tätige Reue nach § 167 Abs 2 StGB nicht herstellt (Kirchbacher in WK2 StGB § 167 Rz 51, 58, 76 f, 123).

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