OGH 11Os23/18v

OGH11Os23/18v22.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes B***** wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 37 Hv 116/15s des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 5. Juli 2017, GZ 37 Hv 116/15s‑103, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und dessen Verteidigers MMag. Schwetz, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00023.18V.0522.000

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Juli 2017, GZ 37 Hv 116/15s‑103, verletzt in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I erfassten Taten unter mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG das Gesetz in diesen Bestimmungen.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch I, demzufolge im Strafausspruch und im Ausspruch des Verfalls aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Juli 2017, GZ 37 Hv 116/15s‑103, wurde Johannes B***** „der“ Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (II), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (III) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 StGB „nach § 28a Abs 3 2. Strafsatz SMG sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim zu 1 Cs 120 Js 12485/15 vom 21. 05. 2015 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe“ verurteilt. Gemäß § 20 StGB wurden 3.000 Euro für verfallen erklärt.

Nach dem – für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevanten – Schuldspruch I hat Johannes B***** „zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum von Juni 2012 bis 07. 11. 2012 im Großraum K***** vorschriftswidrig Suchtgift anderen in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge gewerbsmäßig überlassen, und zwar durch den gewinnorientierten Verkauf von zumindest 3.000 g Cannabisprodukten mit einem durchschnittlichen THC‑Reinsubstanzgehalt von zumindest 5 % (enthaltend zumindest 150 g Delta‑9‑THC; 7,5‑fache Grenzmenge) sowie jeweils unerhobener Mengen Kokain, Amphetamin, LSD (Lysergsäure) sowie MDMA“ an (im Urteil namentlich genannte) abgesondert verfolgte und unbekannte Abnehmer, „wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach Abs 1 des § 28a SMG verurteilt worden ist“.

Den Urteilsfeststellungen zufolge wurde Johannes B***** mit am 2. August 2012 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2012 (GNr 103 LS 222 Js 14827/12) „wegen gemeinschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln“ verurteilt, weil er anlässlich einer „Suchtgiftbeschaffungsfahrt“ nach Holland mit „Haschisch im Ausmaß von 1,05 Grenzmengen und 1,88 g Marihuana festgenommen wurde“ (US 4 f).

Nach den weiteren Konstatierungen hat Johannes B***** zwischen Juni und Oktober 2012 zumindest 3.000 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinsubstanzgehalt von 5 % „(sohin 7,5 Grenzmengen)“ erworben und mit einem Gewinnaufschlag von einem Euro „zusammen mit nicht näher feststellbaren Mengen“ von im Schuldspruch I angeführten Suchtmitteln „an eine Vielzahl von Abnehmern“ verkauft (US 5, 7).

Er „beabsichtigte, sich durch den Verkauf dieserSuchtgifte“ (US 5; US 7 auch: „derartige Suchtgiftverkäufe und Verkäufe anderer Suchtgifte“) über einen „Zeitraum von zumindest einem Jahr“ „eine fortlaufende Einnahmequelle von zumindest“ (US 5 auch: „mindestens“) „400 Euro monatlich zu verschaffen“ (US 7), wobei er wusste, „dass es sich bei den von ihm weitergegebenen Substanzen um verbotene Substanzen nach den SMG handelte, dies war dem Angeklagten jedoch egal“ (US 5). „Er hielt es ernsthaft für möglich und fand sich damit ab, dass er durch die bewusst kontinuierliche Weitergabe von Suchtgiften in einer die Grenzmenge deutlich übersteigenden Menge Suchtgifte weitergab, die geeignet waren, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, dies war ihm jedoch ebenfalls egal“ (US 7).

„Der Angeklagte war selbst an Suchtmittel gewöhnt“ und „hat die Straftaten überwiegend in der Absicht verübt, hiedurch Mittel für den Erwerb von Suchtgiften zu erhalten, um seine Sucht zu befriedigen“ (US 6, 7).

Über die gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden. Der Schuldspruch erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil wendet sich die Generalprokuratur mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes.

Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Juli 2017, GZ 37 Hv 116/15s‑103, steht in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I erfassten Taten mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Zufolge der Entscheidung des verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs vom 15. November 2017, 12 Os 21/17f (EvBl 2018/13, 83), ist eine gesetzliche (auf exakter Abgrenzung einzelner Grenzmengen [im Sinn des § 28b SMG] bezogene) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG im geltenden Recht nicht (mehr) aufzufinden, weshalb § 28a Abs 1 SMG so nicht mehrfach begründet werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0131856; demgegenüber RIS‑Justiz RS0088096 [T15]; 12 Os 48/08p, SSt 2008/30, uva), sodass der Ausspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), der Angeklagte habe mehrere („die“) – anstelle ein – Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG begangen, im Grunde der dargelegten Feststellungen (die nicht erkennen lassen, ob etwa einzelne Angriffe die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquanten betrafen, vgl 15 Os 140/17b) mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

Zudem belastet den Schuldspruch I ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) in Betreff der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG.

Für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG müssen die Vorverurteilung und die dieser Verurteilung – bei Annahme gewerbsmäßiger Begehung nach Maßgabe des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB zeitgerecht (§ 70 Abs 3 StGB) – nachfolgende Tat alle Tatbestandsmerkmale des § 28a Abs 1 SMG aufweisen (RIS‑Justiz RS0130966).

Dass der Angeklagte nach der rechtskräftigen Verurteilung am 25. Juli 2012 (vgl Jerabek/Ropper , WK 2 StGB § 70 Rz 13/10) bis zum 7. November 2012 Suchtgiftverkauf (ohne Zusammenrechnung von für sich genommen unter der Grenzmenge gebliebenen Einzelakten) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit der von § 70 Abs 1 StGB verlangten (hier auf die wiederkehrende Begehung nicht von „Suchtmittelverkäufen“ schlechthin, sondern von Taten nach § 28a Abs 1 SMG abzielenden – vgl diesbezüglich RIS‑Justiz RS0130966, RS0112225 [T11], RS0123909, 13 Os 78/17w, Matzka/Zeder/Rüdisser SMG 3 § 28a Rz 14; Fabrizy , Suchtmittelrecht 6 § 28a Rz 10) und auf ein Einkommen im Sinn des § 70 Abs 2 StGB eine längere Zeit hindurch gerichteten Absicht getätigt hätte, lassen die Konstatierungen nicht erkennen.

Da sich die Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und zur Aufhebung des Schuldspruchs I und damit des Strafausspruchs und des Ausspruchs über den Verfall bestimmt (§ 289 zweiter Satz StPO). Eine Konstellation iSv RIS‑Justiz RS0118545 liegt nicht vor.

Den erwähnten Berufungen ist durch die Aufhebungen der Anfechtungsgegenstand entzogen.

Bleibt im Übrigen anzumerken, dass § 28a Abs 3 SMG eine privilegierende Strafsatzbestimmung und solcherart bei Vorliegen der Voraussetzungen Gegenstand des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) und nicht bloß eine die Strafbefugnis begrenzende Strafrahmenvorschrift ist (vgl erneut 12 Os 21/17f, RIS‑Justiz RS0131857).

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