European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00127.24X.1126.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die (angemeldete) Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die verbleibende Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die strafrechtliche Unterbringung des * B* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er in W* unter dem maßgebenden Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10, F 20), aufgrund welcher er zu den Tatzeitpunkten zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) war, versucht hat,
1/ am 29. Mai 2023 * Br*, indem er ihn an den Haaren packte, mit beiden Händen würgte, in den Schwitzkasten nahm und währenddessen wiederholt die Herausgabe der Geldbörse des Genannten forderte, sohin mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich dessen Geldbörse samt Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
2/ am 18. März 2023
a/ die Polizeibeamtin * K*, mithin eine Beamtin, mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung und Identitätsfeststellung, dadurch zu hindern, dass er ihr gezielte Tritte gegen ihre Beine versetzte;
b/ durch die zu a/ umschriebene Handlung, die dort genannte Beamtin während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten am Körper zu verletzen;
und somit Taten begangen hat, die als das Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (1/), das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2/a/) und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (2/b/) jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen meldete der Betroffene (rechtzeitig) „volle Berufung“ an (ON 51.1 S 25), wodurch er einen umfassenden Anfechtungswillen zum Ausdruck brachte (RIS‑Justiz RS0099951 [T3]).
[3] Die Nichtigkeitsbeschwerde stützt der Betroffene auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO; er bekämpft damit (ausschließlich) die vom Schöffengericht angestellte Gefährlichkeitsprognose.
[4] Allfällige Fehler der Prognoseentscheidung ressortieren im System der Nichtigkeitsgründe in den Regelungsbereich des zweiten Falls des § 281 Abs 1 Z 11 StPO. Konkret liegt Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall dann vor, wenn diese Entscheidung zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person und Zustand des Rechtsbrechers sowie Art der Tat) vernachlässigt oder die aus diesen Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Prognoseentscheidung als willkürlich erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0113980 [T7], RS0118581 [T13]).
[5] Mit dem Einwand, das Erstgericht habe bestimmte Faktoren wie das Wohlverhalten des Betroffenen seit der Tat (vgl aber US 1, 4, 6 zur aktuellen Unterbringung in der Akutpsychiatrie und zum geschützten Rahmen mit intensivem Betreuungsangebot und intensiver Kontrolle) oder dessen (US 9: erstmals am Ende der Hauptverhandlung erklärte) Bereitschaft, sich einer ambulanten Behandlung zu unterziehen (vgl aber US 4, 9 zum bisherigen Fehlen von Krankheitseinsicht und Medikamentencompliance), nicht beachtet, erstattet die Beschwerde der Sache nach bloß ein Berufungsvorbringen.
[6] Eine Bekämpfung aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem ersten, nicht jedoch mit dem zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO offen (vgl RIS‑Justiz RS0118581 [T17]). Deshalb geht auch die aus dem Blickwinkel einer Mängelrüge erhobene Kritik, die Feststellungsgrundlage der Prognoseentscheidung sei nicht ausreichend begründet, schon im Ansatz fehl.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 429 StPO). Ebenso war mit der inkludierten (RIS‑Justiz RS0098904 [T23]) Berufung wegen Schuld zu verfahren, weil eine solche im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist (§ 283 Abs 1, § 434f Abs 1 und § 294 Abs 4, § 296 Abs 2, § 429 StPO; RIS‑Justiz RS0099894). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die verbleibende Berufung (§ 429, § 285i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)