OGH 11Os120/05i

OGH11Os120/05i31.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Murid C***** und Nermin J***** wegen des Verbrechens nach §§ 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Murid C***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 8. Juni 2005, GZ 38 Hv 61/05p-167, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der gewerbsmäßigen Begehung der im Schuldspruch A II bezeichneten Taten des Murid C***** und der im Schuldspruch B beschriebenen Taten des Nermin J*****, somit auch in der Unterstellung dieser Taten unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG und jener des Angeklagten Murid C***** unter § 28 Abs 4 Z 3 SMG sowie demgemäß im Strafausspruch hinsichtlich der beiden Angeklagten aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Murid C***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Murid C***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch unangefochten gebliebene Schuld- und (Teil-)Freisprüche des Mitangeklagten Nermin J***** enthält, wurde Murid C***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A I des Urteilssatzes) sowie der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A II) schuldig erkannt, Nermin J***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (B).

Danach haben Murid C***** und Nermin J***** in Salzburg, Zell am See und andernorts den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge aus- und eingeführt bzw durch Verkauf in Verkehr gesetzt, wobei Murid C***** die Taten in Beziehung auf zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachendes Suchtgift beging, und zwar

Murid C*****

(A I) in vier Fällen gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich bzw über Österreich nach Italien ein- und ausgeführt, und zwar

  1. 1. im März/April 2004 200 Gramm Kokain,
  2. 2. im Mai 2004 300 Gramm Kokain,
  3. 3. am 10. September 2004 500 Gramm Kokain und
  4. 4. am 22. Oktober 2004 494,6 Gramm brutto (352 +/- 4,5 Gramm netto) Kokain;

    (A II) in Verkehr gesetzt, und zwar

    1. von Dezember 2003 bis April/Mai 2004 durch Verkauf von 350 Gramm Kokain an Michaela J*****,

    2. von Dezember 2003 bis September 2004 durch Verkauf von (zumindest) 200 Gramm Kokain an Sanel F***** und

    3. von April bis September 2004 durch Verkauf von 60 Gramm Kokain an Musa D***** und Nermin J*****

    (B) durch Verkauf in Verkehr gesetzt, und zwar

    1. im Zeitraum Juni 2004 bis Oktober 2004 durch Verkauf von insgesamt 205 Gramm Kokain an Braco B*****,

    2. im Juni/Juli 2004 durch Verkauf von (zumindest) 40 Gramm Kokain am Marinko P*****,

    3. im Zeitraum Mai bis August 2004 durch Verkauf von (zumindest) 35 Gramm Kokain an Sanel F*****,

    4. im Zeitraum Juni bis August 2004 durch Verkauf von (zumindest) 50 Gramm Kokain an Michaela J*****,

    5. im Sommer 2004 durch Verkauf von 10 Gramm Kokain an Slata F***** und

    6. im Zeitraum Juni 2004 bis Oktober 2004 durch Verkauf von (zumindest) 125 Gramm Kokain an einen gewissen „Mumi", nämlich Muhammed C*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Murid C*****, welcher indes keine Berechtigung zukommt. Dem Einwand des Beschwerdeführers (Z 4), durch die Ablehnung des (schriftlich am 19. Mai 2005 gestellten) mit der urlaubsbedingten Verhinderung seiner (Verfahrenshilfe-) Verteidigerin begründeten Antrages auf (richtig [in Anlehnung an § 226 StPO]:) Verlegung des mit 8. Juni 2005 bereits festgesetzten Termins zur Fortsetzung der am 27. April 2005 auf zunächst unbestimmte Zeit vertagten (§ 276 StPO) Hauptverhandlung in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) beeinträchtigt worden zu sein, ist entgegenzuhalten, dass die Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeit der Z 4 durch Hinweis auf Art 6 EMRK an der notwendigen Antragstellung in der Hauptverhandlung als Erfordernis für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nichts geändert hat. Mangels eines mündlich gestellten (Vertagungs-)Antrages kann daher die Ablehnung des (schriftlichen) Verlegungsgesuches in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht releviert werden (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 1, 4).

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) lässt die Anführung aktenkundiger Umstände vermissen, die geeignet wären, die Richtigkeit entscheidender Tatsachenfeststellungen erheblichen Bedenken auszusetzen. Der Beschwerdeführer versucht vielmehr, durch eigene Beweiswerterwägungen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Schuldberufung zu kritisieren. Soweit er in diesem Zusammenhang Aktenwidrigkeit der zum Schuldspruch A II 1 festgestellten, auf die Aussage des Zeugen Sanel F***** gestützten Suchtgiftmenge geltend macht, übersieht er, dass der der Sache nach relevierte Begründungsmangel (Z 5 letzter Fall) nur die unrichtige Wiedergabe eines Verfahrensergebnisses erfasst, nicht aber die Möglichkeit eröffnet, die Stichhaltigkeit der Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen. Fehl geht mangels Aktentreue schließlich auch der Einwand unterlassener Belehrung des Zeugen Musa D***** über ein diesem angeblich zustehendes Entschlagungsrecht (Z 3 iVm § 152 StPO), wurde doch diesem Zeugen ein Zeugnisbefreiungsrecht gerade nicht zuerkannt (S 255/VIII). Mit dem auf die Nichtzulassung einer in der Beschwerde nicht näher bezeichneten Frage an den Zeugen Sanel F***** gestützten Vorbringen wird ein aus Z 5a relevanter Mangel inhaltlich nicht einmal behauptet. Unter dem Gesichtspunkt des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO kann dieses Vorbringen mangels eines vom Beschwerdeführer an den Senat gestellten Antrags gemäß § 238 StPO ebenfalls keine Beachtung finden.

Die zu den Schuldsprüchen A II 1 bis 3 erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a), in welcher die zu A II 1 konstatierte Suchtgiftmenge, soweit sie 80 Gramm übersteigt, bestritten und die Tatbegehung zu A II 2 und 3 in Abrede gestellt wird, wird nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung gebracht, weil der Beschwerdeführer nicht vom Urteilssachverhalt ausgeht, sondern die ihn belastenden Feststellungen (US 7 bis 10) schlicht negiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, dass dem Schuldspruch des Angeklagten Murid C***** zu A II, aber auch jenem des Angeklagten Nermin J*****, welcher das Urteil unangefochten ließ, zum Schuldspruch B der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO insoweit anhaftet, als das Urteil Feststellungen zu der für Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG erforderlichen Absicht des Täters, sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen von zwar nicht im Einzelnen die Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs 6 SMG erreichenden, aber in Summe jeweils großer Suchtgiftmengen (und damit der in § 28 Abs 2 SMG bezeichneten Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (JBl 2001, 802; EvBl 2003/133; RIS-Justiz RS0114843) vermissen lässt, kann doch diese Absicht den Urteilsausführungen (C*****: US 10, J*****: US 11) nicht entnommen werden. Aber auch die Annahme der Qualifikation der übergroßen Menge des § 28 Abs 4 Z 3 SMG ist in Bezug auf die dem Angeklagten C***** angelastete Inverkehrsetzung von Suchtgift (A II) mangels ausreichender Feststellungen (vgl US 18, wonach das in Verkehr gesetzte Suchtgift nur das 8,1 fache der Grenzmenge betrug) rechtsfehlerhaft. Der nicht nur den Beschwerdeführer, sondern auch den Mitangeklagten Nermin J***** betreffende Ausspruch gewerbsmäßiger Begehungsweise war daher ebenso wie der nur Murid C***** in Bezug auf die unter A II angeführten Suchtgiftdelikte betreffende Qualifikationsausspruch nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG, demgemäß auch der Strafausspruch hinsichtlich der beiden Angeklagten gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO aufzuheben und insoweit dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Murid C***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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